Montag, 25. April 2016

Von Energie-Tankstellen und Zaubersätzen: "Das Handbuch für Superfühlkrafthelden" (Buchrezension mit Verlosung)

Nach meinen Rezensionen von zwei Büchern nicht über, sondern FÜR hochsensible Kinder (Philipp zähmt den Grübelgeier und Wie Betty das Wut-Gewitter bändigt) freue ich mich, ein neues Buch der Autorin Petra Neumann vorzustellen, die sich in vielerlei Hinsicht sehr aktiv dafür einsetzt, dass das Thema "Hochsensible Kinder" bekannter und akzeptierter wird. Nach ihrem hochgelobten Buch Henry mit den Superkräften hat sie gerade ein Nachfolgebuch mit dem Titel Das Handbuch für SuperFÜHLkrafthelden veröffentlicht und mir freundlicherweise zur Rezension zur Verfügung gestellt.

Es ist ein ungewöhnliches Buch, was man schon beim Aufschlagen bemerkt. Es bietet Kindern nämlich zwischendurch die Möglichkeit, eigene Gedanken und Bemerkungen hineinzuschreiben. Und es richtet nach jedem Kapitel ein paar erklärende Sätze an die Eltern hochsensibler Kinder. Insofern ist das Buch ein absolutes Novum unter den Kinderbüchern für hochsensible Kinder und eine tolle Idee der Autorin. Kinder können dadurch nicht nur ihre Identifikationsfiguren und deren Strategien zur besseren Bewältigung ihrer hochsensiblen Wesenszüge kennenlernen, sondern auch selbst damit arbeiten. Und die Eltern bekommen einige Hintergrundinformationen sowie ebenfalls Hilfestellungen zum Umgang mit ihren hochsensiblen Kindern.

In ihrem Erstlingswerk Henry mit den Superkräften erzählt Petra Neumann am Beispiel des achtjährigen Henry in 10 Geschichten von den Herausforderungen hochsensibler Kinder, z.B. Trennungsschmerz, Veränderungen, Wettbewerbe, Angst, Gedankenspiralen, Wut etc. Es werden Probleme und Schwierigkeiten benannt sowie Tipps, Lösungsvorschläge und Strategien spielerisch eingebaut. Und vor allem versucht sie, den Kindern (und Eltern) ihre hochsensiblen Eigenschaften als Superfühlkraft zu vermitteln, um einen positiven, stärkenden, wertschätzenden Umgang herbeizuführen.

Das neue Buch soll nun explizit ein Handbuch für SuperFÜHLkrafthelden sein, d.h. Anleitungen, Tipps und Tricks für Kinder geben, um vielleicht besser mit ihrer speziellen Veranlagung klarzukommen. Es beinhaltet wieder 10 Kapitel und diesmal sind sowohl der nun neunjährige Henry als auch seine siebenjährige Schwester Johanna die Protagonisten, die die Leser durch das Buch geleiten. Themen wie angemessene Abgrenzung, Freundschaften, das Stoppen des Gedankenkarussells, Energie-Tankstellen (ein wunderbar treffendes Wort), Loslass-Training und Wut werden angesprochen und konkrete Bewältigungsstrategien für hochsensible Kinder aufgezeigt. Das lesende Kind wird aktiv einbezogen und zur Interaktion angeregt. Das ist wirklich eine tolle Idee.

Im Kapitel "Energie-Tankstellen" beispielsweise wird hochsensiblen Kindern nahegebracht, dass sie erkennen sollen, wodurch sie Kraft auftanken, und dass sie darauf achten müssen, dies regelmäßig zu beherzigen: "Bei der Superfühlkraft ist das nun auf den ersten Blick nicht ganz so einfach, die Sache mit dem Tanken. Denn das "Benzin" ist für jeden Superfühlkraftler ein anderes. Hier ist es nun ganz dolle wichtig, dass du herausfindest, was genau dir gut tut und Kraft gibt. Und dass du dir dann immer wieder auch die Zeit nimmst, dich darum zu kümmern, dass dein "Tank" wieder befüllt wird."

Das Buch ist wunderbar kindgerecht, anschaulich und realitätsnah geschrieben und mit kleinen Illustrationen gespickt. Es gibt hochsensiblen Kindern wertvolle Hilfestellungen und Strategien an die Hand, um positiv und konstruktiv mit ihrer "Superfühlkraft" umzugehen. Sie werden dadurch angeleitet, selbstständig herauszufinden, was ihnen gut tut und wie sie ihren Weg gehen können. Sehr angenehm sind auch die kurzen Passagen, die sich an die Eltern richten und die Botschaft des jeweiligen Kapitels zusammenfassen. Das Buch ergänzt das "Henry"-Buch, ist aber auch einzeln problemlos zu lesen. Ich wünsche dem Buch viele aufgeschlossene, neugierige Leser, denen die Tipps von Henry und Johanna weiterhelfen.

Die Eckdaten:
Petra Neumann: Das Handbuch für SuperFÜHLkrafthelden: Henry und Johanna öffnen ihre Trickkiste, AMH Natürlich Leben Verlag, April 2016, 105 Seiten, ISBN 978-3-9816571-3-5, € 9,95

Verlosung

Ich freue mich, ein weiteres Exemplar des Buches Das Handbuch für SuperFÜHLkrafthelden verlosen zu dürfen. Um in den Lostopf zu hüpfen, hinterlasst mir bitte hier einen Kommentar darüber, was euch an dem Thema interessiert und, falls ihr ein hochsensibles Kind habt, welche Strategien ihr als besonders wichtig für hochsensible Kinder anseht. Zusätzlich würde ich mich freuen, wenn ihr mir auf Facebook folgt und mir hier ein Herzchen gebt. Ist aber keine Bedingung. Bitte gebt euren Namen an, sonst kann ich euch nicht berücksichtigen!

Die Verlosung läuft bis zum 08.05.2016, 23:59 Uhr. Unter allen bis dahin eingehenden Kommentaren wird der Gewinner/die Gewinnerin ausgelost und hier sowie auf Facebook bekanntgegeben. Die Verlosung steht in keinem Zusammenhang mit Facebook. Versand nur innerhalb Deutschlands. Mindestalter 18 Jahre. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Glück!
Danke an die Autorin für das Rezensions- und das Verlosungsexemplar.

09.05.2016: Ich habe ausgelost: die Gewinnerin ist Mo Zart. Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe!
 
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Mittwoch, 20. April 2016

Viele erste Male für die Kleine

Auch meine Kleine wird langsam, aber sicher größer und selbstständiger. In Kürze feiern wir ihren 3. Geburtstag und in den letzten Tagen und Wochen gab es einige erste Male für sie, die im Vergleich zum Großen zwar später, aber nicht weniger aufregend waren. Heute war zum Beispiel erstmals ihre beste Freundin allein mit bei uns. Ich nahm sie direkt aus der Kita mit, was eigentlich die ungewisseste Situation ist, aber problemlos klappte und ging mit den drei Kindern Eis essen, kurz auf den Spielplatz und dann nach Hause. Unterwegs waren meine Kinder abwechselnd ziemlich launisch, ich glaube, sie können es einfach immer noch nicht haben, wenn sie nach der Kita nicht meine volle Aufmerksamkeit kriegen. Die Kleine begab sich sehr in Konkurrenz zur Freundin, die das alles stoisch ertrug, weil sie ein ruhiges und ausgleichendes Naturell hat. Erst zuhause wurde es besser und meine Kinder beobachteten interessiert, wie sie das Kinderzimmer erkundete. Der Große wollte unbedingt mit im Kinderzimmer bleiben, er fürchtete wohl um seine Schätze :-). Ich weiß noch nicht, wie wir das Besuchsproblem zukünftig lösen, da wir ja nur ein Kinderzimmer haben. Jedes Kind soll mit Freund/ Freundin auch mal allein spielen können, ohne von Bruder oder Schwester gestört zu werden. Vielleicht ergibt sich das erst, wenn solche Besuche häufiger werden und nicht mehr so super interessant sind. Jedenfalls war es toll, dass zum ersten Mal ein Besuchskind für die Kleine allein bei uns war. Auch für mich ist das aufregend; natürlich kenne ich das Kind von vielen Spielplatzbesuchen, aber allein verantwortlich zu sein zusätzlich zu meinen beiden Kindern ist schon etwas anderes. Das hatte ich bisher eben nur mit Freunden vom Großen.

Noch viel heikler und ungewisser war die Situation vor 2 Tagen, als die Kita relativ kurzfristig einen Schließtag anberaumte und ich zwar meinen freien Tag, aber einen wichtigen Physio-Doppeltermin hatte. Ich hatte für die fraglichen anderthalb Stunden jedes Kind theoretisch bei jeweils einer befreundeten Familie untergebracht. Nur war es komplett unsicher, ob die Kleine wirklich allein dort bleiben würde. Sie war nämlich noch nie allein irgendwo bei anderen zuhause gewesen und ist ja insgesamt sehr anhänglich an mich. Ich hatte deshalb echt Sorge, dass es klappt und habe mich schon darauf eingestellt, sie mitzunehmen und mit Puzzle und Handy neben meine Physio-Liege zu setzen. Außerdem gab es noch die Option, dass der Große mit ihr zusammen bei der Familie bleibt, falls sie nicht allein bleiben will. Der freute sich aber natürlich auch auf seine Freunde. Ich hatte beide Kinder ausführlich und immer wieder vorbereitet.

Wir brachten zuerst die Kleine zu den Freunden und nach einem kurzen Zögern blieb sie tatsächlich allein. Puh, mir fiel ein Stein vom Herzen! So konnte der Große zu seinen Freunden und ich beruhigt zu meiner Physiostunde gehen. Der Große war auch ganz perplex. Später holte ich jedes Kind wieder einzeln ab und mit der Kleinen hatte alles super geklappt. Das erste Mal allein bei Freunden geblieben! Für sie ein großer Schritt und für mich sehr beruhigend. Das sind alles kleine Bausteinchen hin zu mehr Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Und zwar nicht mit der Holzhammermethode, sondern langsam vorbereitet durch viele Besuche und Annäherung. Das ist mir sehr wichtig.

Daneben gibt es immer wieder Entscheidungen, die ich für sie treffe, weil ich denke, dass sie noch nicht soweit ist. So hatte die Kita vor 2 Wochen die erste Kita-Übernachtung der 2-4jährigen Kinder angesetzt. Abgesehen davon, dass ich das grundsätzlich in diesem Alter für völlig überflüssig und für zu früh halte, wäre sie auch noch gar nicht bereit dafür gewesen. Schließlich darf abends nur ich sie ins Bett bringen und auch nachts will sie nur mich. Sie hat noch nie woanders, bei den Großeltern oder so, geschlafen. Außerdem haben wir mit dem Großen zwei schlechte Erfahrungen mit den Kita-Übernachtungen gemacht. Ich musste überhaupt nicht überlegen, um sie nicht in die Übernachtungsliste einzutragen. Das geht noch nicht, und das ist auch gar nicht schlimm.

Was aber mittlerweile geht, ist, dass der Papa sie in den Mittagsschlaf begleitet. Es klappte vor wenigen Wochen zum ersten Mal und vor 2 Wochen, als sie krank mit Papa zuhause war, dann auch kontinuierlich und zuverlässig jeden Tag. Da war ich allerdings nicht anwesend. Am vergangenen Wochenende funktionierte es tatsächlich erstmals, dass der Papa sie mittags schlafen bringen durfte, obwohl ich zuhause war. Große Klasse! Das lässt hoffen in Bezug auf das abendliche Zubettbringen, was sicherlich nur noch eine Frage der Zeit ist.

Einiges davon klappte beim Großen schon früher, was man gar nicht vermuten würde und mir selbst im Rückblick unwirklich vorkommt. Er blieb ab ca. 2 Jahre allein bei der Familie seines besten Freundes, mit denen viele Treffen und Besuche stattgefunden hatten. Sein Trennungsschmerz war zwar stark, wurde aber aufgefangen und danach klappte alles gut. Ebenso blieb sein bester Freund auch schon mit 2 Jahren allein bei uns. Der Papa brachte den Großen ab dem Alter von 13 Monaten, als das Einschlafstillen nicht mehr funktionierte, ins Bett und spätestens, als die Kleine da war und ich mich um sie kümmerte, war der Papa dafür ausschließlich zuständig. Bei den Großeltern übernachtet hat er aber auch erst ab 3 Jahre und in unbekannten Situationen trennt er sich gar nicht von uns. Jeder dieser Schritte bedarf/bedurfte einer langen, sensiblen Vorbereitung, und das konnten wir bei ihm leisten, als die Kleine noch nicht da bzw. klein war. Sie kam nun in die bestehenden Strukturen hinein, profitierte einerseits davon, brauchte andererseits länger, um selbst diese Schritte gehen zu können. Aber jetzt kommt ihre Zeit.

Viele kleine Schritte, Herausforderungen und Veränderungen für sie, alles in ihrem Tempo und sanft vorbereitet sowie begleitet, führen nun hin zu ihrem baldigen 3. Geburtstag. Mein kleines Mädchen wird groß und ich finde es toll, wie sie sich weiterentwickelt.


Sonntag, 17. April 2016

Unser Wochenende in Bildern 16./ 17. April 2016

Nachdem der Freitag mit der emotionalen U9 des Großen sehr anstrengend war, wachte ich am Samstag mit Mega-Kopfschmerzen auf. Nach dem Frühstück fuhr mein Mann mit den Kindern ins Spectrum des Technikmuseums, wo man viele lustige und spannende Experimente machen kann. Die Kinder fanden es klasse.


Ich hatte am Vormittag vielerlei Kleinkram zu tun, wie immer, wenn man mal kurz allein zuhause ist. Der Große schubbert ja wirklich jede Hose durch...


Am Nachmittag war das Wetter sehr unberechenbar und der Große blieb mit dem Papa zuhause, spielte und bohrte Flötenlöcher in einen gefundenen hohlen Ast. Wir wollen ihm ja immer wieder ermöglichen, dass er mal seine Ruhe zuhause hat.


Die Kleine und ich spazierten in einer Sonnenpause zum Drogeriemarkt, denn ich musste Fotos ausdrucken. Der Große braucht für die Kita sowohl ein Bild von der Arbeitsstelle seiner Eltern, da die Kinder erzählen sollen, was die Eltern arbeiten, als auch ein Babybild von sich selbst. Nächste Woche kommt eine Mama, die Hebamme ist, und berichtet von ihrem Beruf.


Am Sonntag hatte mein Mann fürchterliche Kopfschmerzen und es regnete vormittags. Also blieben wir zuhause und kneteten.


Da wir seit mehreren Tagen wegen eines Defekts kein warmes Wasser haben, durften mir die Kinder zum Haarewaschen aufgewärmtes Wasser aus dem Wasserkocher über den Kopf schütten. Daran hatten sie natürlich Spaß. Zum Mittagsschlaf ließ es die Kleine erstmals zu, trotz meiner Anwesenheit mit dem Papa schlafen zu gehen. Das lässt auf das abendliche Zubettbringen hoffen.

Am Nachmittag wurde das Wetter besser und wir fuhren zu einem Mittelalterfest. Da wir erst um 16 Uhr ankamen, mussten wir nur noch einen symbolischen Betrag bezahlen. Es war sehr abwechslungsreich und in einem schönen Park gelegen.


Der Große machte Bogen- und Armbrustschießen,


fuhr mit einem Wikingerboot


und sah zwei Rittershows. Als die Ritter zum Schluss spaßeshalber auf die Zuschauer zu rannten und einer, der echt furchterregend aussah, direkt vor dem Großen und mir haltmachte und ihn sogar berührte, fing er an zu weinen. Ich glaube, dass viele ihn einfach älter schätzen, weil er so groß ist. Die meisten Leute denken immer, er wäre schon ein Schulkind und überfordern ihn deshalb manchmal.



Zum Schluss gab es noch eine Zaubershow und wir fuhren für unsere Verhältnisse recht spät nach Hause. Eigentlich gibt es bei uns spätestens gegen 18:30 Uhr Abendbrot und man merkt den Kindern sofort an, wenn es später wird.


Die Kleine hatte abends leider Bauchschmerzen und ich hoffe, dass mich morgen nichts Unangenehmes erwartet. Morgen hat die Kita einen Schließtag und ich bin mit den Kindern zuhause.

Da die Apfelbäume im Park wunderschön blühten, hoffe ich, dass nun endlich mal richtig gutes Wetter kommt, damit wir unseren Garten nutzen können. Bisher war das im Vergleich zu den Vorjahren recht wenig.


Mehr Wochenenden in Bildern findet ihr wie immer unter #wib und bei Geborgen Wachsen.

Samstag, 16. April 2016

Die U9 des Großen am 15. April 2016

Die U's der Kinder lagen diesmal sehr nahe beieinander. Erst letzte Woche hatte die Kleine ihre U7a und gestern ging ich nun, wieder morgens vor Kita und Arbeit, mit dem Großen zu seiner U9. Sie ist die letzte große Untersuchung im Kleinkindalter und sollte eine Stunde dauern. Ich ärgerte mich hinterher, dass ich nicht meinen eigenen Bericht zu seiner U8 im letzten Jahr noch einmal gelesen hatte. Da hatten wir ein ähnliches Problem wie diesmal und ich wäre besser vorbereitet gewesen. Grundsätzlich sind wir mit unserer Kinderarztpraxis, vor allem im Vergleich zu den beiden früher besuchten, zufrieden. Es gibt aber einige Dinge, die nicht nur überflüssig, sondern in meinen Augen pädagogisch fahrlässig sind. Das war bei der U8 so und diesmal wieder. In jedem Fall war es sehr aufwühlend und emotional anstrengend für mich und ich war den ganzen Tag noch total ausgelaugt und erschöpft. Aber der Reihe nach.


Wir kamen rein, meldeten uns an und sollten sofort in eines der Sprechzimmer gehen. Wir? Nein, der Große sollte allein gehen. Natürlich wollte er wie bei der U8 nicht allein mit und ich hatte ihm vorher gesagt, dass ich bei allem mit dabei sein werde. Auf diese Aussage verlässt er sich und nun sollte ich ihn mit wildfremden Menschen, in einer fremden Umgebung allein mitgehen lassen? Sicherlich gibt es Kinder, die dies ohne Probleme machen. Aber Kinder sind unterschiedlich und wenn ein Kind nicht möchte, dann sollte man dies akzeptieren und nicht noch die Mama angreifen. Genau das geschah aber. Wir setzten uns ins Sprechzimmer, eine Arzthelferin kam herein, die noch nicht lange dort tätig ist und versuchte auf eine herablassende, unangenehme Art und Weise mich zu zwingen, den Großen allein zu lassen. Er war so verunsichert, dass er nur auf meinem Schoß sitzen wollte. Ich wehrte mich vehement gegen die übergriffige Art und wurde unfreundlich. Ich sagte, ich würde ihn doch auch nicht auf der Straße mit einer wildfremden Person mitgehen lassen. Die Arzthelferin versuchte mir weiszumachen, dass ALLE 5-jährigen Kinder allein bleiben würden. Beim besten Willen, das kann ich nicht glauben. Sie behauptete, dass die Kinder sonst gehemmt seien und die Tests nicht ordentlich mitmachen würden. (Es war mir ein Triumph, als sich diese Behauptung im Laufe der Untersuchung als null und nichtig herausstellte.) Jedenfalls gab es ein kurzes heftiges Wortgefecht und ich blieb. Die Schwester rauschte ab und eine andere, nette, bekannte Arzthelferin kümmerte sich um uns.

Sie nahm Kontakt mit dem Großen auf, so wie man es auch macht, bevor man eine Untersuchung anfängt, und begann, viele standardisierte Tests aus einer Mappe mit ihm durchzunehmen, während ich die gleichen Fragebögen wie bei der U8 ausfüllte (siehe Beitrag zur U8). Zuerst wurde gemalt, Punkte gerade verbunden und Formen benannt. Dann legte sie ihm viele Bilderreihen vor, wo er die nicht dazu passenden Formen oder Muster erkennen, den Plural verschiedenster Wörter bilden oder das Gegenteil sagen musste. Danach sollte er Sätze ergänzen und wiederholen, Vergangenheitsformen bilden, die männliche und weibliche Form benennen sowie schwierig auszusprechende Wörter (Zischlaute) nachsprechen. Bei der weiblichen Form von "König" sagte er "Prinzessin", die Arzthelferin lachte und meinte, das würden alle Kinder sagen:-). Er hat wirklich fast alles perfekt gelöst, schnell reagiert und super mitgemacht. Er antwortete allerdings nur, wenn er sich absolut sicher war. Bei Zweifeln sagte er lieber nichts, auch wenn man ihm anmerkte, dass seine Tendenz korrekt war. So kennen wir ihn ja auch. Er hat viel gelächelt, war freundlich und aufgeschlossen und die Arzthelferin total begeistert von ihm.

Dann kam die Kinderärztin, er wurde gewogen und gemessen und körperlich untersucht. Er wiegt jetzt 21,2 kg bei einer Größe von 118,5 cm. Bei der U8 waren es 17,1 kg auf 107,5 cm. Sie untersuchte ihn ausführlich und zum ersten Mal überhaupt hat er nicht geweint, als er sich hinlegen sollte. Wie schon bei der U7a vor 2 Jahren hörte sie wieder leichte Herzgeräusche, las sich noch einmal den damaligen Bericht des Kinderkardiologen durch, der bestätigte, dass organisch alles in Ordnung sei, und gab dann Entwarnung. Es gibt diese Herzgeräusche wohl bei vielen Kindern bis zur Pubertät. Dann hüpfte sie mit ihm auf einem Bein, warf ihm einen Ball zum Fangen zu und ließ ihn auf Hacken und Zehenspitzen laufen. Alles super. Dann sollte er mit der netten Arzthelferin, die er nun schon kannte, allein nach nebenan zum Seh- und Hörtest gehen. Nach kurzem Zögern ging er mit, man sieht also, dass es entscheidend ist, ob und wie vor einer Trennung mit dem Kind interagiert wird. Auch diese Tests verliefen perfekt. In der Zwischenzeit war etwas Gelegenheit, um einige kleinere Probleme mit der Ärztin zu besprechen. Seinen minimalen Aussprachefehlern bei aufeinanderfolgenden Konsonanten lassen wir noch etwas Zeit, um sich von selbst zu bessern, schließlich beginnt die Schule erst in 1 1/4 Jahren. Was seine Schwierigkeiten und Schmerzen beim Anziehen betrifft, so konnte sie wieder (zum Glück, da erblich belastet) keinerlei Anzeichen für Hautprobleme/ Neurodermitis feststellen. Sie hält es für ein Problem von zuviel Aufmerksamkeit unsererseits, wofür ihrer Meinung nach spricht, dass es in der Kita nicht auftritt. Dagegen spricht aber, dass es bei den Großeltern und meinem Mann, die dem eher verständnislos gegenüberstehen, auch auftritt. Da war sie bei der U8 schonmal näher dran. Ich finde nur immer merkwürdig, dass das als etwas so Ungewöhnliches dargestellt wird, wo das Netz voll ist von Berichten über Kinder, für die die Schilder aus Klamotten herausgeschnitten werden, wo die Reißverschlüsse pieken und die nur bestimmte Stoffe vertragen. Eine Kinderärztin sollte da etwas umfänglicher informiert sein.

Danach fing sie doch tatsächlich an, mir eine Predigt zu halten, dass ich meinen Sohn zu wenig loslassen würde. Die Arzthelferin hätte ihr von der Auseinandersetzung erzählt und gesagt, dass mein Großer sogar allein mitgehen wollte. Das war definitiv nicht der Fall gewesen. Ich stellte meine Perspektive dar, dass ich nicht mein 5-jähriges Kind mit einer fremden Person mitgehen lassen würde, wenn es nicht will. Damit würde ich ja seinen gut ausgeprägten Selbstschutz untergraben. Sie meinte, das Beispiel mit der Straße wäre ja etwas völlig anderes. Ist es für mich aber nicht. Wir fanden keinen gemeinsamen Nenner, aber ich denke, Fremde müssen auch mal akzeptieren, dass eine Mama immer noch ihr Kind am besten kennt. Wie ich nachträglich im U-Heft sah, hatte sie "Overprotection" bei sonstigen Bemerkungen reingeschrieben. Eine Mama, die ihr Kind darin unterstützt, nicht einfach mit Fremden mitzugehen, wird also nach einer halben Stunde Kommunikation als Overprotection-Mama eingeschätzt. Besser als das Gegenteil, würde ich mal sagen:-)

Als der Große wieder da war, erfolgte die Auswertung. Er ist super toll entwickelt, intellektuell und kognitiv sehr weit und hat alle Aufgaben bestens erfüllt. Von Seiten der Kinderärztin gibt es keinerlei Schwachstellen und sie sagte zu ihm, er sei ein "Spitzenreiter". Er war sehr stolz und glücklich und da kullerten mir dann doch die Tränen. Alles brach über mich herein und wir kamen nochmal ins Gespräch. Ich schilderte die krasse Diskrepanz zwischen den äußerst schwierigen und harten ersten Jahren mit ihm und der jetzigen Einschätzung, erinnerte sie an einige Situationen, die wir mit ihm in dieser Praxis erlebt hatten und dass die Kombination dieser ganzen Erinnerungen und der jetzigen absolut positiven Einschätzung für mich kaum zu verarbeiten war. Ich sagte, dass es für mich schwer nachvollziehbar ist, eine auf allen Ebenen absolut perfekte Einschätzung dieses Kindes und gleichzeitig "Kritik" an einem Erziehungsstil zu bekommen, der es mit geprägt hat. Es ist unglaublich, was alles mit ihm jetzt möglich ist, darauf hätten wir lange Jahre nicht mal zu hoffen gewagt. Hinter jedem Verhalten stecken eine Geschichte und Gründe und die sollte man nicht leichtfertig beurteilen. Auf diese emotionale Sichtweise ließ sie sich dann ein und bestärkte uns letzten Endes in unserem Weg, der ein tolles Kind hervorgebracht hat. Die ganze Aufregung wäre nicht nötig gewesen, wenn man einfach mal individuell statt schematisch auf ein Kind eingegangen wäre und Vertrauen in seine engsten Bezugspersonen gezeigt hätte. Passend dazu hat die Grummelmama ein Plädoyer für Letzteres und gegen das Einmischen geschrieben. Das hat gerade wunderbar gepasst.

Der Große saß neben mir und fragte, "Mama, warum weinst Du?" Er wirkte aber nicht verwirrt, sondern hatte soviel Zuspruch erhalten und war, glaube ich, auch selbst mit sich zufrieden. Wir verließen die Praxis nach 1 h 20 min und fuhren zur Kita. Leider war es schon recht spät, sonst hätte ich gern noch mit ihm einen Kakao getrunken. Ich finde es ja immer wieder schön, mit ihm allein unterwegs zu sein. Stattdessen ging es in die Kita und ich fuhr weiter zur Arbeit, wo ich noch lange brauchte, um meine Aufwühlung zu bewältigen. Mit dem Großen ist immer alles emotional, selbst wenn er mal nicht der Auslöser ist. Den ganzen Tag herrschte in mir eine wilde Mischung aus Erleichterung, Stolz und Glück über seine schöne Entwicklung und die Wut über diesen Umgang und solche Ansprüche an kleine Kinder (wie ich in meinem U8-Bericht nachlas, sollte er sich damals auch direkt nach Eintreffen von mir trennen), die Empörung über Schubladisierungen anhand einer Situation sowie die emotionale Verwirrung aus dem erst kritischen, später verständnisvollen und einvernehmlichen Gespräch mit der Ärztin. Ich hatte echt dran zu knabbern und war den ganzen Tag erschöpft. Die nächste spannende Untersuchung mit dem Großen wird nun die Schuleingangsuntersuchung sein.


Und hier noch ein zweiter Text, der auch zu dem angesprochenen Thema passt:
http://www.2kindchaos.com/gesellschaft/entry/gesellschaft/2016/04/16/kinder-sind-individuen

Dienstag, 12. April 2016

Die Wandlung meiner Erziehungsvorstellungen

Ich glaube, ich war früher eine Erziehungs-Hardlinerin. Wenn ein Kind unruhig, rücksichtslos, frech, unhöflich, vorlaut, respektlos, unselbstständig, ängstlich, faul, quengelig usw. war, sah ich die Schuld bei den Eltern. Dann waren diese einfach nicht konsequent genug oder uneins gewesen, hatten zuviel durchgehen lassen oder nicht genug ermutigt, das Kind vernachlässigt oder zu sehr verwöhnt, insgesamt also sich nicht genug Mühe bei der Erziehung gegeben. Traf ich auf sogenannte altkluge, besserwisserische Kinder, dachte ich immer, das würde es bei mir aber nicht geben. Ich war zum Beispiel auch davon überzeugt, dass jedes Kind irgendwelche Interessen hat und wenn nicht, sind sie nicht genügend gefördert worden. Dabei hätte ich selbst an meinem Bruder und mir sehen können, welch verschiedene Menschen bei identischen Genen und gleicher Erziehung entstehen und sich entwickeln. Ich sah bei vielen Eltern große Defizite in ihren Erziehungseinstellungen, ohne eigene Erfahrung zu haben und vor allem auch ohne viel Literatur gelesen zu haben.

Als ich selbst Kinder bekam, merkte ich, dass vieles nicht funktionierte, was ich mir vorher ausgemalt und so einfach vorgestellt hatte. Der Papa müsse doch auch mal füttern können! Was aber, wenn das Kind keinerlei Flaschennahrung akzeptierte? Die Großeltern sollten mal die Betreuung übernehmen! Das Kind lässt sich aber von keinem anderen trösten! Man muss nur lange und oft genug Autofahren, dann gewöhnt es sich daran und schreit nicht mehr! Bis kurz vor seinem 2. Geburtstag hat der Große im Auto geschrien. Wenn das Kind bockt und man weggeht und hinter einer Ecke wartet, dann wird es über kurz oder lang nachkommen! Da hätte ich die ganze Nacht warten können! Wenn man das Kind musikalisch fördert, dann wird es ein Interesse/eine Leidenschaft für Musik entwickeln! Das musikbegeisterte meiner Kinder ist aber lustigerweise das nicht geförderte Kind, die Kleine. Und so weiter. Ich musste also ziemlich schnell feststellen, dass erstens viele herkömmliche Erziehungsansätze (vor allem bei meinem ersten Kind) gar nicht funktionierten und zweitens keine direkte Kausalität zwischen Erziehungsüberzeugungen und -methoden und den Auswirkungen beim Kind vorhanden war/ist. Vor allem bei meinem Großen nicht, der z.B. jegliche Bestechung/ Manipulation von jeher ablehnte und überhaupt nicht darauf reagierte. Sogenannte Drohungen oder Strafen waren bei ihm, abgesehen davon, dass ich solche Erziehungsmethoden ablehne, völlig wirkungslos, es tangierte ihn einfach nicht, er stellte keinen Zusammenhang zu einem "Fehlverhalten" her und ließ sich absolut nicht in eine bestimmte Richtung beeinflussen. Ebensowenig ließ er sich locken, zu Kompromissen überreden oder bestechen. Handeln konnte man mit ihm nicht. Deshalb ließen wir das ganz schnell bleiben.

Ich beschritt also, als ich Mutter wurde und merkte, das Erziehungsding funktioniert nicht so wie erwartet, völlig neue Wege, die zum Teil vorher für mich ein rotes Tuch gewesen wären. Ich mutierte von der imaginär vorgestellten strengen, konsequenten, regeltreuen Mutter zu einer tief empathischen, unkonventionellen und sehr freilassenden Mama, der die Gleichwürdigkeit ihrer Kinder wichtiger wurde als starre Regeln und Vorstellungen. Auch merkte ich, dass das, was ich mir früher unter Erziehung vorgestellt hatte, so gar nicht meinem Wesen entsprach. Darüber bin ich selber immer noch erstaunt. Wie sehr ich jegliche Art von Reglementierung hasse, merkte ich erst, als ich meine Kinder reglementieren sollte und wie mir das widerstrebt(e). Die verbreitete Auffassung, dass Kinder die Grenzen austesten, die wir Erwachsenen ihnen setzen, wir uns also in einem permanenten Machtkampf mit ihnen befinden, ist mir zutiefst zuwider. Herkömmliche Methoden wie die Dressur von Kindern ("wie heißt das Zauberwort"?) oder als Kind selbst immer wieder gehörte Sprüche jagen mir Grausen ein. Das führte dazu, dass mein Mann und ich plötzlich nicht mehr so tolle übereinstimmende Erziehungsideale wie vor der Elternschaft hatten, sondern ich mich nun, vor allem online, in ganz anderen "Szenen" bewegte und durch die Lektüre vieler verschiedener Bücher, Blogs, Foren etc. auch einen ganz anderen Wissenshorizont bekommen habe. Die für mich einschneidendste wiederkehrende Erfahrung ist immer noch mein enormes Mitfühlen mit den Kindern. Ich fühle ihre Erfahrungen manchmal, als wäre ich sie selbst, es rüttelt vieles aus meiner eigenen Kindheit auf und ich spüre genau, worunter ich selbst als Kind gelitten habe. Dann ergreife ich Partei für sie, auch gegen den Papa oder die Großeltern. Ich möchte, dass sie andere, selbstwirksamere Erfahrungen als ich und viele meiner Generation machen, dass sie einbezogen werden und mitwirken können.

Ich bin mir mittlerweile bewusst, dass man als Eltern tatsächlich weniger erziehen als vielmehr begleiten kann. Jedes Kind bringt unterschiedliche Voraussetzungen mit und was bei dem einen funktioniert, stößt bei dem anderen auf Widerstand oder auf gar nichts. Mir selbst sind z. B. Höflichkeitsregeln ziemlich wichtig und ich habe von Anfang an meine Kinder mit einem fröhlichen "Guten Morgen" begrüßt, egal wie es mir ging. Ich war der festen Überzeugung, so etwas färbt ab und das Kind übernimmt das Vorbild. Manche Kinder vielleicht, mein Großer lange Zeit nicht. Ich bin oft verzweifelt und dachte, du lebst ihm Dinge Tag für Tag vor und er übernimmt nichts davon. Liegt das an mir, an ihm oder woran denn? Ich glaube mittlerweile, dass der Charakter eines Kindes schon sehr viel fester und starrer von Geburt an vorhanden ist, als wir alle glauben. Aus einem ängstlichen Kind wird kein Draufgänger werden, auch wenn das Kind nur von Draufgängern umgeben ist und so erzogen wird. Man kann das ängstliche Kind aber darin unterstützen, seine Ängste zu akzeptieren, zu integrieren und letztendlich selbst über den eigenen Schatten zu springen. Und vielleicht schafft man es auch als Eltern, das Positive darin zu erkennen, nämlich dass solche Kinder sich selten Risikos aussetzen und in gefährliche Abenteuer stürzen werden. Das ist ein gemeinsamer Wachstumsprozess, weniger ein einseitiges Erziehen.

Insofern sollte Erziehung weniger der Versuch der Eltern sein, das Kind nach ihren Vorstellungen zu formen und eine starre Strategie durchzuziehen, die je nach Charakter des Kindes auf mehr oder weniger Widerstand stößt, sondern vielmehr das Erkennen der Individualität des Kindes und das angemessene Eingehen darauf beinhalten. Erziehung sollte ein Lernprozess der Eltern sein, um herauszufinden, was mit dem einzelnen Kind funktioniert und was nicht. Warum sollte ich es mir und den Kindern schwerer als nötig machen und ein starres Regelwerk anwenden, wo ich doch ziemlich schnell gemerkt habe, dass gerade bei meinem Großen keine der herkömmlichen Erziehungsmethoden funktioniert hat? Mir ist es auch wesentlich wichtiger, dass sie sich von mir geliebt, verstanden und aufgefangen fühlen und dadurch hoffentlich genug Selbstsicherheit für ihr Leben bekommen, als dass sie irgendwelchen sinnentleerten Normen entsprechen müssen. Ich möchte nicht gegen sie ankämpfen, sondern sie anleiten, ihnen Strategien für ihr Leben vermitteln, ihnen Vorbild sein. Was davon auf fruchtbaren Boden fällt, ist individuell sehr verschieden und kaum von uns Eltern beeinflussbar. Wie gesagt, das musikbegeisterte Kind bei uns ist das weniger geförderte Kind.

Viele Überzeugungen, die mir mittlerweile sehr wichtig sind, habe ich durch die Lektüre von "Erziehungsratgebern", Blogs und Webseiten gewonnen sowie durch den Austausch mit anderen Menschen, die über das Thema reflektieren und es nicht nur "so machen, wie es die Eltern gemacht haben" und das dann als Bauchgefühl proklamieren. Ich habe schon einmal gegen das sogenannte Bauchgefühl angeschrieben und halte es, so wie es oft verstanden wird, definitiv für keinen guten Ratgeber in Erziehungsfragen. Ich plädiere für Information, für Austausch, für Reflexion. Da tritt dann allerdings das Problem auf, dass meistens nicht beide Elternteile gleich belesen und informiert sind und es zu Missverständnissen oder Auseinandersetzungen kommt. Entweder der aus Mangel an Zeit oder Interesse weniger informierte Elternteil verlässt sich dann auf die Kompetenz des anderen und hängt sich an dessen Weg ran oder er/sie proklamiert das eigene "Bauchgefühl" und es entstehen Differenzen, die wegen fehlender Zeit und Gelegenheit oft nicht gelöst werden können. Sicherlich können Kinder mit verschiedenen Elterncharakteren umgehen, aber eher schlecht damit, wenn ein Elternteil einen bindungsorientierten Weg geht (z.B. tröstet statt "ausbocken" lässt) und der/die andere nicht, weil er/sie es selbst als Kind nicht erfahren hat und genauso unreflektiert weitergibt. Das sind schwierige Situationen, wo man selbst oft überrascht ist, wie diametral entgegengesetzt man an Fragestellungen herangeht. Dabei sind gerade in diesen Punkten übereinstimmende Vorstellungen und Herangehensweisen wichtig.

Ich für mein Teil versuche immer wieder, mich zu hinterfragen und auf verschiedensten Ebenen auszutauschen. Ich merke auch, dass bei meinen beiden Kindern ganz verschiedene Ansätze funktionieren und Erziehung mit der Erwartung bestimmter, folgerichtig eintretender Ergebnisse unwirksam ist. Das ist eine ganz wichtige Erkenntnis, die man deutlich sehen kann, wenn man mehr als ein Kind hat. Sie ernüchtert, weil sie den relativ geringen Einfluss auf unsere Kinder zeigt, nimmt aber auch eine riesige Last und Verantwortung von den Eltern-Schultern. Wir haben das Glück, dass unsere Kinder im äußeren Leben sehr angepasst und regelkonform agieren. Schreibe ich das unserer Erziehung auf die Fahnen? Nein, denn ihr Charakter ist einfach so. Ich hoffe, dass sie durch unsere Unterstützung das Selbstbewusstsein erlangen, zu einem Menschen, der gerade in seine Hand geniest hat und von ihnen einen Handschlag zur Begrüßung erwartet, zu sagen: "Nein, das möchte ich nicht, das ist unhygienisch." Gleichzeitig möchte ich, dass sie sich halbwegs regelkonform in der Gesellschaft verhalten. Es ist ein Balanceakt, den auch jeder Erwachsene für sich verschieden löst. Und meine Kinder mit ihren verschiedenen Charakteren werden mit absoluter Sicherheit ganz unterschiedliche Wege gehen, trotz einer ähnlichen Erziehung und Begleitung.

Damit das nicht missverstanden wird: ich glaube nicht, dass wir Eltern gar keinen Einfluss auf die Entwicklung unserer Kinder haben. Ich glaube aber, dass der Einfluss geringer ist, als viele wahrhaben wollen und dass es keine direkten Kausalitäten in der Erziehung gibt. Es ist eben nicht so, dass ein bedürfnisorientiert behandeltes Baby automatisch ein zufriedenes Baby wird. Oder ein gefördertes Kleinkind automatisch Interesse und Leidenschaft für die geförderten Themengebiete entwickelt. Und ich fürchte, es wird auch nicht automatisch so sein, dass ein respektvoll erzogenes Kind automatisch ein respektvoller Teenager sein wird. Der Charakter des Kindes spielt eine sehr große Rolle. Deshalb sollte jeder einen individuellen, auf das Kind bezogenen Weg gehen und dabei immer wieder hinterfragen, sich austauschen und informieren. Mein Weg ist ein bindungsorientierter, empathischer, gleichwürdiger Weg, der sich tatsächlich erst mit der eigenen Elternschaft entwickelt hat und täglich festigt. Das heißt nicht, dass nie Zweifel daran vorhanden sind oder dass ich das perfekt hinkriege. Weiß Gott nicht. Aber es ist das tiefe Bestreben, meine Kinder so zu behandeln, wie ich selbst gern als Kind behandelt worden wäre. Und genau das ist meine Art von Erziehung.

Dieser Text ist ein Beitrag für die Verflixte Linkparty im April des Blogs Verflixter Alltag.

Freitag, 8. April 2016

Wenn der Ausnahmezustand zum Dauerzustand wird

Im Moment weiß ich oft nicht, wo mir der Kopf steht, und komme erst abends etwas zur Ruhe. Dann ist soviel aufzuarbeiten und die Regenerationszeit reicht in keinster Weise aus, um wieder mit neuer Kraft in den nächsten Tag zu starten. Immer kommt irgendetwas anders als geplant und ich hasse hasse hasse Planänderungen und Unvorhergesehenes. Das kostet mich unglaubliche Energie. Vor allem die unzähligen Krankheiten werfen uns immer wieder zurück. Während unser Alltag im gesunden Zustand gut zu händeln ist, wir sowohl unsere beiden Jobs, die Kinderbetreuung ohne jegliche Unterstützung außerhalb der Kita als auch den Haushalt gut im Griff haben und im Normalzustand jeder auch mal ab und zu 1-2 Stündchen frei hat, sieht es im Ausnahmezustand natürlich ganz anders aus. Und wenn der Ausnahmezustand zum Dauerzustand wird, sind die Kraftreserven ganz schnell aufgebraucht. Das sei mal an der vergangenen Woche veranschaulicht.

Montag (mein freier Tag):
Morgens erfolgte die U7a der Kleinen und ich war erst um 10 Uhr wieder zuhause (statt wie sonst ab 8 Uhr Ruhe). Dann Haushalt, Wäsche, Aufräumen, Bürokram und Mittagessen kochen. Am Sonntag waren der Mann und ich krank gewesen und es war nur das Nötigste gemacht worden. Nach dem Mittagessen saß ich zum ersten Mal auf dem Sofa und schrieb den Blogpost zur U7a. Dann ging es schon wieder zur Kita. Mit der Kindern wollte ich mir ein kostenloses Puppentheaterstück "Pippi Langstrumpf" in unserem hiesigen Center anschauen. Das dauerte bis 17:30 Uhr, wir waren also erst um 18 Uhr zuhause. Die Kinder waren gut drauf. Abends kam mir die Kleine heiß vor, ich maß Temperatur, knapp 39°C. Nein, bitte nicht!!! Ich hatte für Dienstag extra einen Überstundentag eingereicht, um mich mal etwas zu regenerieren, da ich in der Woche davor selbst Magen-Darm hatte (und davor die Kleine über Ostern) und völlig fertig war.

Dienstag:
Morgens hatte die Kleine wieder 39°C Fieber. Das war's dann mit meinem freien Tag. Eine Verabredung musste ich deshalb leider absagen. Der Mann war schon so früh wie möglich auf Arbeit gefahren und ich brachte den Großen mit der kranken Kleinen in die Kita. Da die Kleine sehr schlapp war, ging ich dann am Vormittag 2 h mit ihr spazieren. Sie hätte eh' nicht spielen können. Mittagessen, 1 h Mittagsschlaf und danach ein wenig malen. Der Mann kam wie vereinbart um 15:30 Uhr und übernahm die Kleine. Ich eilte in die Kita, holte den Großen und schaute mir mit ihm noch das Theaterstück an, das die Gruppe der Kleinen heute aufführen sollte. Das verpasste sie nun leider. Danach fuhr ich mit ihm noch zum Optiker, was ich mit beiden Kindern im Schlepptau nie machen kann, und ließ mich wegen einer Sonnenbrille beraten. Dauerte leider lange, so dass wir erst um 18:20 Uhr zuhause waren. Die Kleine hatte weiterhin erhöhte Temperatur.

Mittwoch:
Bei mir stand eine Schulung auf dem Plan und ich hatte deshalb explizit vorher angekündigt, dass ich an diesen 2 Tagen nicht mit kranken Kindern zuhause bleiben könne. Der Mann hatte sich also schon darauf eingestellt, als die Kleine Fieber hatte. Leider ging es ihm selbst seit Dienstag auch schlecht und am Mittwoch war er ebenfalls krank. So musste er krank die kranke Kleine hüten und zudem noch nachmittags zur Kita, weil meine Schulung länger ging. Ich war sehr kaputt, als ich nach Hause kam, weil die vielen neuen Informationen doch Tribut forderten. Gern hätte ich alles etwas Revue passieren lassen. Kurz danach kam die Familie. Die Kleine hatte den ganzen Tag keine erhöhte Temperatur mehr und wir hegten die Hoffnung, dass sie am Donnerstag wieder in die Kita könnte.

Donnerstag:
Morgens hatte die Kleine wieder 39°C Fieber. Der Mann fiel fast um vor Enttäuschung, hätte er doch dringend Genesungszeit gebraucht. So musste sie wieder mit ihm zuhause bleiben. Er brachte den Großen in die Kita. Ich ging von 9 - 16 Uhr zu meiner Schulung, kam nach Hause, stellte eine Maschine Wäsche an, deckte den Abendbrottisch, erledigte 2 Überweisungen und dann hörte ich schon die Kinder im Hausflur. Der Mann ruhte sich etwas aus und ich spielte mit den Kindern. Kurz vor 18 Uhr musste ich schon wieder los, zum ärztlich verordneten Sport, den ich letzte Woche wegen Magen-Darm ausfallen lassen musste. Ich wollte also unbedingt hin, obwohl ich sehr kaputt war. Als ich wiederkam, begrüßten mich die Kinder mit Geheul, weil der Große der Kleinen die Tür an den Kopf geknallt hatte. Ich heulte mit vor Erschöpfung. Dann mussten die Kinder ins Bett gebracht werden. Abendbrot gab es für mich erst danach.

Freitag:
Es wäre schön gewesen, wenn die Kleine wenigstens am Vormittag in die Kita hätte gehen können, weil der Mann einen Zahnarzttermin hatte. Leider hatte sie immer noch 38°C und so blieb sie wieder zuhause. Der Große weinte, als ich ihn in die Kita brachte, weil er angeblich die Kleine vermissen würde. In Wahrheit würde er selbst gern lieber zuhause bleiben:-). Ich fuhr zur Arbeit und der kranke Mann betreute die kranke Kleine. Sie hatte konstant 38°C, war sonst aber fit. Der Mann holte die Kinder ab und ich hatte tatsächlich endlich mal anderthalb Stunden Zeit. Puh!

Das klingt sicherlich nicht besonders dramatisch zu lesen und es handelt sich zum Glück weder um schwere Krankheiten noch um Unfälle, Brüche oder sonstige schlimme Dinge. Es gibt immer noch viel Schlimmeres als das, was man selbst erlebt, klar. Das macht die eigenen kleinen Dramen aber nicht weniger erträglich. Zumal das lediglich ein kleiner Ausschnitt von Problemen und Belastungen ist. Leider ist das aber nicht nur eine momentane Phase, also der Ausnahmezustand, sondern unser Dauerzustand seit mehreren Wochen, nein Monaten. Eigentlich haben wir seit Oktober kein Land mehr gesehen, es gab kaum einen Tag, an dem wir alle vier gleichzeitig mal gesund, ausgeruht und energiegeladen waren. Das zerrt an den Nerven und strapaziert die wenigen übriggebliebenen Kräfte enorm. Die Wochenenden stemmen wir komplett allein, egal wie es uns geht. Wir können uns weder zu den Großeltern zum Mittag oder Kaffee einladen noch die Kinder irgendwohin abgeben. Sehr oft hat in letzter Zeit ein Elternteil krank im Bett gelegen, während der andere unter Aufbietung seiner letzten Kräfte die Kinder bespaßt und danach selbst zusammenbricht. Aus dem Krankenbett heraus bestelle ich Lebensmittel online, damit was im Hause ist. Man schleppt sich mit Fieber, Schüttelfrost und Magenkrämpfen zur Kita, damit die Kinder nicht länger bleiben müssen. Die Nächte sind schlecht, wenn ein Kind krank ist. Man geht einfach so oft über die eigenen Grenzen, dass man sich selbst gar nicht mehr spürt. Die Erschöpfung ist grenzenlos, die schlechten Phasen überwiegen seit längerem deutlich und das sollte eigentlich nicht so sein. Das Leben macht wirklich keinen Spaß so.

Liebes Schicksal, ich würde mich sehr freuen, wenn nun wieder etwas Normalität einziehen würde. In den letzten Wochen war immer irgendwas und wir kamen nicht zur Ruhe. Wir können so einen Ausnahmezustand allein, ohne Unterstützung, auf Dauer nicht bewältigen. Ständig selbst krank zu sein und dann noch kranke oder gesunde Kinder zu betreuen, geht an die Substanz. Es ist unmöglich, richtig zu genesen und Kraft zu schöpfen. Es ist unmöglich, sich gegenseitig Auszeiten zu ermöglichen. Jeder geht auf dem Zahnfleisch und funktioniert nur noch. Es könnte so schön sein: wir haben eine preiswerte Wohnung, einen schönen Garten, zwei gut zu vereinbarende Jobs und eine Kinderbetreuung durch die Kita. Wir haben KEINERLEI sonstige Entlastung, bei Krankheit und sonstigen unvorhersehbaren Dingen. Niemanden, der die Kinder mal aus der Kita abholt. Niemanden, der uns mal ein leckeres Essen kocht. Niemanden, der uns mal aufbaut oder seine Anerkennung äußert. Wir sind gesundheitlich sehr angeschlagen, was sicherlich zum großen Teil der Dauerbelastung der letzten 5 Jahre zuzuschreiben ist. Ich werde keine Mutter-Kind-Kur beantragen, was immer gern als erstes vorgeschlagen wird, da ich dort im Dauereinsatz mit den Kindern wäre. Ich könnte nach unserer erfolglosen Babysittersuche noch einmal versuchen, eine Babysitterin zu finden, was aber das Krankheitsproblem nicht lösen wird. Ehrlich gesagt, habe ich gar keine Kraft dazu. Ich wünsche mir einfach nur Normalität. Und Gesundheit. Bitte!!

* Bildquelle: Pixabay

Mittwoch, 6. April 2016

Aufmerksamkeitstypen und Geschwisterrivalität

Manchmal tun mir meine Kinder leid. Wenn ich sie aus der Kita abhole und sie mich teilen müssen. Wenn der Papa mit ihnen spielt und sie ihn teilen müssen. Wenn sie mich einen ganzen Tag nicht gesehen haben und Mama tanken wollen. Dann bräuchte jeder von beiden ungeteilte Aufmerksamkeit und Zuwendung, statt geteilte Liebe und halbe Konzentration. Der Große war schon immer sehr aufmerksamkeitsbedürftig, das ist bis heute so geblieben. Er möchte am liebsten konzentriert allein mit einem Erwachsenen spielen oder beschäftigt werden. Er benötigt den Aufmerksamkeitstypus der "ungeteilten Zuwendung" (in Kombination mit dem "Hilfe-Typus"), wie in diesem Text des Blogs Gewünschtestes Wunschkind beschrieben. Die Kleine ist total liebesbedürftig und will kuscheln, vorlesen, tanzen oder singen. Sie benötigt den Körperkontakt als wichtigste Aufmerksamkeitsform, in Kombination mit der ungeteilten Zuwendung.

Die Aufmerksamkeitsbedürfnisse beider Kinder gleichzeitig zu erfüllen ist oft ein Ding der Unmöglichkeit. Manchmal, wenn ihre Speicher aufgefüllt sind, schafft es eines der Kinder, zurückzustecken und zu warten, bis ich oder der Papa wieder exklusiv für es da ist. Dann kann man sich ihnen abwechselnd oder sogar gleichzeitig zuwenden und eine gute Balance wahren. Das sind schöne, ruhige Situationen, wo beide rechts und links vom Elternteil einem vorgelesenen Buch zuhören. Meist jedoch herrscht große Konkurrenz um Aufmerksamkeit zwischen ihnen, besonders, wenn sie "ausgehungert" nach Zuwendung sind. Dann denke ich immer, sie wären als Einzel-, als Exklusivkinder besser dran, würden nicht soviel Frustration erfahren und könnten ihre Speicher deshalb auch besser füllen. In solchen Momenten sehe ich viele Nachteile des Daseins als Geschwisterkind und es tut mir in der Seele weh, wie sie dann leiden und sich zurückgesetzt fühlen.

Diese Situationen kommen im Alltag immer wieder vor und kosten viel Kraft. Besonders auffällig ist es immer, wenn sie mich (normalerweise nur 1x pro Woche) erst abends wiedersehen. Dann möchten mich beide (respektive den Papa an den anderen Abenden) ganz für sich haben und sind verständlicherweise frustriert, beleidigt, enttäuscht, wenn das nicht funktioniert, weil das Geschwisterkind dazwischenfunkt und auch Bedürfnisse anmeldet. Sie können dann auch beide nicht kurz in weiser Voraussicht warten, damit jeder abwechselnd die volle Zuwendung erhält, sondern fauchen und keifen sich an wie Löwen bei der Fütterung. Im schlimmsten Fall sieht das so aus, dass ich verzweifelt versuche, es beiden irgendwie recht zu machen, mich zu zerreißen und zu vermitteln, aber dennoch beide weinen, weil sie sich nicht genügend beachtet fühlen. Kümmere ich mich um eines der Kinder, ist das andere tödlich beleidigt. Versuche ich, mich gleichzeitig um beide zu kümmern, fühlen sich beide zurückgesetzt und protestieren lautstark. Sehr schwierig und nervenaufreibend.

Quelle: Pixabay

Letztens hatten wir die Situation, dass die Kinder mit dem Papa erst um 18 Uhr nach Hause kamen und, kaum hatten sie Kontakt mit mir, fürchterlich zu weinen anfingen. Beide wollten ihre jeweils benötigte Art der Aufmerksamkeit von mir nach der langen Trennung (10 h) und stattdessen mussten sie wieder einmal teilen. Als ich dann noch mit dem Großen schimpfte, weil er sich nicht ordentlich die Hände gewaschen hatte, brachen seine Dämme und er weinte untröstlich und aufgebracht. Dem Papa gelang es nicht, ihn zu trösten, und ich selbst brauchte bestimmt 20 Minuten und viel Kraft dafür, ihn wieder zu besänftigen. Nachdem er sich beruhigt hatte, war er wieder offen für das, was er brauchte: meine ungeteilte Zuwendung. Das hieß für mich, mich noch einmal ein wenig nur mit ihm zu beschäftigen. Danach war es für ihn okay und wir konnten endlich Abendbrot essen. Glücklicherweise hatte sich die Kleine in dieser Zeit mit meinem Handy als Mama-Ersatz vergnügt. Oft genug war aber auch schon der Fall eingetreten, dass sie parallel untröstlich weinte, weil sie Mama-Kuscheln wollte. Der Papa hat dann absolut keine Chance und fällt als Tröster weg. Ich weiß dann oft nicht, wo mir der Kopf steht und wie ich die beiden Kinder wieder beruhigen soll. Früher, als die Kleine noch stillte, konnte ich mich dann mit ihr auf's Sofa kuscheln und sie stillen, während ich dem Großen parallel vorgelesen habe. Oder ich habe sie nach der Kita einfach auf dem Arm herumgetragen, während ich dem Großen auf dem Spielplatz volle Aufmerksamkeit gab. Das reichte ihr früher. So konnte ich beiden ihre verschiedenen Aufmerksamkeitsbedürfnisse erfüllen. Jetzt ist das schwieriger. Natürlich sind sie auch älter und anspruchsvoller bzw. bewusster geworden.

Es ist auffällig, dass der Große sich meist von einer ganz anderen Seite zeigt, wenn er mit einem von uns Eltern allein ist. Er also die von ihm benötigte ungeteilte Zuwendung erhält. Er wirkt dann richtig reif und erwachsen, ist viel zugänglicher und offener und genießt die Exklusivität. Wenn man ihn nachmittags nach der Kita allein abholt, wie gestern wegen Krankheit der Kleinen geschehen, läuft man mit einem großen, verständigen und umgänglichen Jungen neben sich durch die Straßen. Es ist selten, dass er dann so motzig ist wie sonst meist. Er ist auch sehr gern mit einem von uns allein zuhause. Er benötigt, glaube ich, den Familienverbund am wenigsten von uns allen, und wäre als Einzelkind sicherlich zufriedener. Er ist super glücklich, wenn er mit seinem Opa zusammen ist, da dieser ihm am meisten von allen Menschen das gibt, was er braucht. Die Kleine genießt auch mal gern ungeteilte Aufmerksamkeit, liebt allerdings auch den Familientrubel, vermisst ihren Bruder schnell und hat gern alle um sich herum. Umso mehr Kuschelpartner hat sie zur Verfügung :-)

Wir würden den Kindern ja gern mehr ungeteilte Zuwendung geben, aber das Problem ist, dass durch die fehlende Entlastung für uns oberste Priorität hat, dass wir Eltern uns gegenseitig entlasten, d.h. dass so oft wie möglich ein Elternteil beide Kinder nimmt und der andere mal ein Stündchen frei hat. Das kollidiert mit den Interessen und Bedürfnissen der Kinder, ist aber leider im Moment nicht zu ändern. Ich habe keine Ahnung, wie man dafür eine Lösung findet, die alle Bedürfnisse berücksichtigt. Die den Aufmerksamkeitstank der Kinder entsprechend ihrem Wunsch auffüllt und gleichzeitig die Regeneration der Eltern ermöglichkeit. Denn das ist mindestens genauso wichtig.

Was meint ihr? Welcher Aufmerksamkeitstypus ist euer Kind und könnt ihr das Bedürfnis immer erfüllen? Wie kommen Eltern noch zu MeTime, wenn beide Kinder so zuwendungsbedürftig sind?

Hier nochmal der entsprechende Text des Blogs Gewünschtestes Wunschkind allgemein zum Thema "Aufmerksamkeit":
Warum Kinder ständig unsere Aufmerksamkeit verlangen

Montag, 4. April 2016

Die U7a der Kleinen am 4. April 2016

Ich bin ja, was die jährlichen U's angeht, ein gebranntes Kind und erwarte immer ein apokalyptisches Szenario. Der Große hat uns dahingehend in seinen ersten Jahren durch infernalisches Geschrei leider geprägt und ich habe diese Erfahrungen bis heute nicht abschütteln können. Insofern bin ich immer leicht nervös vor einer U. Immerhin traue mich seit 2 Jahren alleine mit dem jeweiligen Kind hin, was früher nicht der Fall war. Der Mann würde natürlich auch gehen, aber ich möchte lieber selbst mit der Ärztin sprechen und meine eventuellen Sorgen und Baustellen schildern. Glücklicherweise werden U-Termine bei unserer Kinderärztin vor oder nach der Sprechstunde vereinbart, so dass die Kinder nicht in einem überfüllten Krankenwartezimmer stundenlang ausharren müssen. Ich lege unsere Termine immer gleich morgens, so dass ich das Kind dann noch in die Kita bringen kann.

Als erstes füllte ich die beiden obligatorischen Fragebögen aus und die Kleine versuchte sich gleich an einem Eis-Steckspiel. Die Schwester machte erste Tests mit ihr: ein Türmchen bauen, 3D-Figuren erkennen, und stellte ein paar Fragen. Die Kleine wurde gemessen und gewogen. Sie wiegt jetzt 13,8 kg bei einer Größe von 92 cm. Damit hat sie in einem Jahr 2,3 kg zugenommen und ist 8 cm gewachsen. Der Große hatte damals bei seiner U7a schon 16,1 kg Gewicht und 100 cm Größe. Als die Ärztin kam, stellte sie als erstes beim Blick in den PC fest, dass wir ja "gut durch den Winter gekommen" seien (ich glaube, ich war zweimal mit ihr bei der Ärztin). Haha, da konnte ich nur müde lächeln. Klar, ich renne nicht wegen jedem Virus zum Arzt und wir versuchen immer erstmal, Krankheiten der Kinder mit abwechselnder Betreuung, freien Tagen, Urlaub oder Überstundenabbau aufzufangen, aber von "gut durch den Winter" konnte ja nun wirklich keine Rede sein. Nur waren tatsächlich wir Eltern noch geplagter als die Kinder. Und insgesamt muss man sagen, hatten die Kinder zwar viele Infekte und auch ungewöhnlich oft erhöhte Temperatur, aber keine gravierenden und ernsten Kinderkrankheiten. Zum Glück.


Dann wurde die Kleine untersucht und durfte ein bisschen Ball spielen. Wir sprachen kurz über ihre kleinen Aussprache"fehler" (z.B. sagt sie L statt R), die aber noch bis zur U8 Zeit haben, sich zu bessern. Die Kleine war sehr scheu, wollte nichts sagen, ließ aber alles soweit über sich ergehen. Nur als sie sich kurz hinlegen sollte, weinte sie. Kein Vergleich jedoch mit dem Großen, der beim Hinlegen jedesmal in untröstliches, lautes, langanhaltendes Weinen ausbrach. Dann wurde noch ein Sehtest gemacht und wir waren fertig. Keine Probleme, keine Baustellen, keine Auffälligkeiten, ein rundum gut entwickeltes, normales Kind. Beim Großen ging ich damals aus der U7a mit mehreren Überweisungen raus, u.a. mussten wir zum Augen- und zum Ohrenarzt wegen des Verdachts auf Seh- bzw. Hörminderung und, noch schlimmer, zum Kinderkardiologen wegen Herzgeräuschen, aus heutiger Sicht völlig übertrieben und überflüssig und sich nicht bestätigend. Dass die Kleine eine empfindliche Haut hat, wissen wir, sie war schon als Baby oft wund. Aber bisher zeigt sie noch keins der Anzeichen für die enorme Hautsensitivität, unter der der Große extrem leidet.

Als wir fertig waren, kaufte ich ihr noch das versprochene Teilchen beim Bäcker und brachte sie zur Kita. Auch dies funktionierte ohne Probleme, sie ging anderthalb Stunden später als sonst in ihre Gruppe und ich konnte ohne Bauchschmerzen nach Hause gehen. Ich bin immer wieder erstaunt, wie entspannt und normal die U's mit ihr ablaufen. Sie hat mich als ihre Bindungsperson dabei und das reicht ihr, um die ungewohnte und fremde Situation zu bewältigen. Beim Großen haben lange Zeit nicht mal zwei seiner vertrauten Bezugspersonen ausgereicht, um ihm dort das Gefühl von Sicherheit zu geben. So unterschiedlich ist das. Schön in jedem Fall, dass sie so stabil und so toll entwickelt ist. Nun wird sie bald 3 Jahre alt und ist ein wunderbares, gesundes, spritziges und temperamentvolles kleines Persönchen.

Hier der Text zu ihrer U7 vor einem Jahr:
Die U7 der Kleinen am 13. April 2015