Sonntag, 28. Dezember 2014

Schönes und Anstrengendes am Mehrfach-Elterndasein

"Großer, warum hast Du denn als Baby immer so schrecklich viel geschrien?"
 "Na, weil es mir da so langweilig war ohne ... (hier Namen der Kleinen einsetzen)!"

"Großer, wo war denn die Kleine, als Du in Mamas Bauch warst?"
"Na, auch in Mamas Bauch! Nur ich bin zuerst rausgekommen!" 

Und während der Große sich bei uns Eltern mit Liebesbekundungen sehr zurückhält, ist die Kleine diejenige, die ganz oft von ihm ein "Ich hab dich lieb!" hören darf.
Das sind Momente, wo mir das Herz überläuft vor Freude darüber, zwei Kinder zu haben.

Aufgrund eines Blogposts von Mutter & Söhnchen, der auf Twitter eine rege Diskussion über die Vor- und Nachteile von mehreren Kindern auslöste und vor allem die zahlreichen Schwangeren abwechselnd in Vorfreude und Bangen stürzte, starteten Mama on the Rocks und Mama Schulze eine Blogparade zu diesem Thema. Da die bisherigen Beiträge schon die wichtigsten generellen Aspekte wie mehr Erfahrung, dadurch mehr Gelassenheit, vorhandene Kleidungs- und Spielzeugvorräte, gegenseitige Bespaßung der Kinder etc. genannt haben, möchte ich nur noch ein paar persönliche Erfahrungen ergänzen.

Meine Kinder sind jetzt 3 Jahre 10 Monate (Sohn) sowie 1 Jahr 8 Monate (Tochter) alt. Der Altersabstand beträgt somit 26 Monate (2 Jahre 2 Monate). In unserem Freundes- und Bekanntenkreis sind wir die Ersten gewesen, die ein zweites Kind bekamen. Unser Großer war noch sehr bedürftig zum Zeitpunkt der Geburt der Kleinen. Er trug Windeln, schlief nicht zuverlässig durch, brauchte viel Aufmerksamkeit, wollte noch oft getragen bzw. gefahren werden und fing gerade erst an zu sprechen. Das war schon eine große Herausforderung für uns, zu diesem Zeitpunkt ein zweites Kind zu bekommen, und natürlich nicht immer einfach. Glücklicherweise war die Kleine  (im  Gegensatz zu ihrem Bruder) in ihrem ersten halben Jahr ein wirklich pflegeleichtes, ruhiges Baby, was uns die Zeit gab, uns an das neue Leben zu viert zu gewöhnen. Für den Großen war die Kleine uninteressant, bis sie mobil wurde. Ab dann nahm er sie sukzessive immer mehr wahr. Seit kurzem hat er sie, glaube ich, richtig als ebenbürtige Spielpartnerin akzeptiert und macht jede Menge (sehr sehr lauten) Quatsch mit ihr. Das hat sie sich aber durch ihre forsche Art auch hart erkämpft;)

Der für mich schönste Aspekt am Elternsein von mehreren Kindern ist die Unterschiedlichkeit der Kinder bei nahezu identischen Voraussetzungen und Input. An meinen Kindern sehe ich jeden Tag, wie verschieden sie sind. Schon als Babys konnte man ihre Charaktere erkennen und jeden Tag lernt man neue Wesensaspekte dazu. An Geschwisterkindern sieht man auch, wie wenig die Grundcharakterzüge eigentlich beeinflussbar sind und dass man als Eltern vor allem die Aufgabe hat, die Kinder in ihrer jeweiligen individuellen Disposition zu begleiten und zu unterstützen. Mein Sohn hat beispielsweise einen rosa Puppenbuggy geliebt und lange genutzt. Die Tochter verschmähte diesen bisher konsequent. Dem Großen haben wir viel mehr vorgesungen als der Kleinen. Die Kleine kristallisiert sich aber schon jetzt als die eindeutig Musikalischere heraus. Solche Vorlieben sind ja in keinster Weise von den Eltern beeinflussbar. Für mich ist das total spannend zu beobachten, welches Kind welche Stärken/Schwächen/Vorlieben/Abneigungen entwickelt, ohne dass man grundlegende Dinge anders gemacht hätte.

Ein unerwarteter positiver Aspekt ist für mich gewesen, dass ich die früher als langweilig-anstrengend empfundenen Spielplatznachmittage allein mit dem Großen nun mit zwei kleinen Kindern als sportliche Herausforderung empfinde. Ja, es ist anstrengend, zwei Kinder zu koordinieren, die auf verschiedene Klettergerüste/Rutschen wollen und dies im Falle der Kleinen noch nicht alleine schaffen. Aber es ist fordernd anstrengend im positiven Sinne. Es ruft geheime Kräfte in mir hervor, von denen ich früher nie dachte, dass ich sie hätte. Außerdem konzentriert man sich nicht nur auf ein Kind, was sehr nervig sein kann, wenn es einen schlechten (Nachmit)Tag hat, sondern hat durch das Zweite immer Ablenkung.

Nun ein paar praktische Tipps an alle derzeit Schwangeren, wie wir persönlich die erste Zeit mit beiden Kindern gemanaged haben:

1. Stellt euch darauf ein, dass die Geburtssituation nicht so verläuft wie geplant. Mein Mann hat mich im Morgengrauen in die Klinik gefahren und wollte nachkommen, wenn er den Großen in die Kita gebracht hat. Da war die Kleine aber schon geboren. Das Wichtigste war für mich, dass mein Sohn versorgt ist, nicht dass mein Mann bei der Geburt dabei ist.

2. Behaltet für das erste Kind möglichst den gewohnten Ablauf und die gewohnten Bezugspersonen bei. Das gibt diesem Sicherheit und Stabilität und euch die nötige Ruhe, um das neue Baby kennenzulernen und zu versorgen. Wir haben unseren Großen weiterhin wie gewohnt in seine Kita gegeben, mit Freunden verabredet und bekannte Aktivitäten gemacht.

3. Die gleiche Devise galt bei uns beim Thema Tragen/Fahren. Wie gesagt, der Große war knapp über 2 und zwar ein früher, aber nie ein ausdauernder Läufer. Er durfte deshalb auch weiterhin wie gewohnt im  Buggy sitzen, während die Kleine getragen wurde. Nach und nach hat das Laufradfahren gesiegt und die Kleine ist in den Kinderwagen/Buggy gewechselt. Ein Buggyboard haben wir bis heute am KiWa. Auch getragen haben wir ihn noch viel. Das geht natürlich nur, wenn zwei Erwachsene zur Verfügung stehen. Wichtig war für uns immer, dass er so wenig wie möglich von seinem gewohnten Leben aufgeben muss. Und das hat für uns und ihn gut funktioniert.

4. Holt euch Hilfe, bevor es zuviel wird. Haushaltshilfe/Putzfrau, Babysitter, Großeltern, Freunde. Alles ist erlaubt und kein Eingeständnis von Versagen. Zwei Kinder, noch dazu in geringem Altersabstand, sind einfach anstrengend. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

5. Erwartet nicht, dass das zweite Kind genauso wie das erste wird. Freunde von uns hatten zuerst ein pflegeleichtes und jetzt ein anstrengenderes Kind. Bei uns war es (zum Glück?) anders herum. Wenn man ein Kind hat, das nur herumgetragen werden will, wochenlang Clusterfeeding betreibt und nur im fahrenden Kinderwagen schläft, kann man sich nicht adäquat um ein größeres Geschwisterkind kümmern. Macht einen Notfallplan für diesen Fall.

Was ich im Moment als die schwierigsten und anstrengendsten Aspekte vom Leben mit zwei Kindern empfinde, ist einerseits der Lärm-/ Unruhepegel und andererseits, dass man sie selten gleichzeitig abgeben kann. In der Zeit, in der unsere beiden Kinder in der Kita sind, gehen wir arbeiten. In der übrigen Zeit ist mindestens ein Kind da. Aber das wird sich mit zunehmendem Alter auch ändern. Und ich bin mal gespannt, wann sie sich zum ersten Mal gegen uns Eltern verbünden...

Die anderen Beiträge sind hier zu finden:

Freitag, 26. Dezember 2014

Weihnachtskoller

In diesem Leben werde ich kein Freund mehr von Weihnachten mit kleinen Kindern. Der Weihnachtskoller hat voll zugeschlagen. Die Kita hat 2 Wochen geschlossen und wir hocken 24 Stunden am Tag aufeinander. Natürlich versuchen wir viel zu unternehmen, aber das ist erstens wetterabhängig und zweitens bedeutet das nur Abwechslung, nicht Freiraum. Da wir in Anbetracht der Kinder seit Jahren jegliche turbulenten Besuchsorgien vermeiden, sämtliche Freunde aber verständlicherweise mit ihren jeweiligen Familien feiern, sind wir über die Weihnachtstage jedes Jahr komplett auf uns zurückgeworfen. Das bedeutet: Einsatz nonstop, keine Pause, das Haushalts-Hamsterrad dreht sich permanent und die Kinder werden immer lauter und wilder aufgrund des Mangels an externem Kinderentertainment (Kita, Freunde). Ein fataler Kreislauf. Unsere Nerven liegen blank und man wünscht sich insgeheim einen Job, wo man an Feiertagen arbeiten muss...

Rückblick:

Unsere Weihnachten, seit wir Kinder haben, sind eigentlich nie so verlaufen, wie wir es uns gewünscht und vorgestellt hatten. Das 1. Weihnachten (2011) mit dem Großen, damals knapp 10 Monate alt, stand durch die Schwierigkeiten mit ihm sowieso unter keinem guten Stern. Er schlief zu dem Zeitpunkt nur im fahrenden Kinderwagen ausreichend lange, so dass am Vormittag des 24. Dezember mein Mann mit ihm 2 Stunden spazieren lief, während ich haushaltete und kochte, und am Nachmittag ich. Dass dies kein schöner Heiligabend war, liegt auf der Hand. Allein mit dem Kinderwagen durch den Nieselregen und die Kälte laufend, sah ich überall selige Menschen aus der Kirche kommen, fröhliche Kinder in Wohnungen unterm Weihnachtsbaum sitzen oder Paare mit Geschenken auf Besuch gehen. Ich glaube, ich habe die Hälfte der Strecke nur geweint. Zuhause machten wir dann die kleine Bescherung und das weitere übliche Programm....
Am nächsten Tag fuhren wir zu dritt zu meinen Eltern, wo es viel zu trubelig für den Großen war, was sich in einer mehrstündigen Wach- und Schreiphase in der Nacht äußerte. In einer fremden Umgebung ist das nochmal schlimmer als daheim. Am 2. Weihnachtsfeiertag hatte ich dann Migräne. Das war unser unglückliches erstes Weihnachten mit dem langersehnten Baby. Danach entschieden wir, dass wir bis auf Weiteres nicht mehr zu meinen Eltern zum Übernachten fahren. Bis heute hat sich daran nichts geändert.

Das 2. Weihnachten (2012) war insgesamt nicht ganz so durchwachsen. Der Große freute sich über seine Geschenke, aber das erhoffte stundenlange Spielen blieb aus. Am 2. Feiertag kamen meine Eltern zu Besuch und blieben 3 Tage. Am letzten Tag übernahmen sie den Großen ganztags und wir gingen in eine Ausstellung, schön essen und danach ins Kino. In meiner Erinnerung ist das der erste ganze Tag (8h), den ich wirklich "frei" von meinem Großen hatte. Er war da knapp 22 Monate alt! Er ging zwar täglich 6h in die Kita, aber die Verantwortung mal komplett abzugeben, war schon eine andere Dimension von Freiheit. Danach war ich so traurig, dass ich zuhause einen Zusammenbruch hatte. Das konnte natürlich keiner verstehen, wo ich doch gerade Zeit für mich/uns gehabt hatte. Durch das Unverständnis der Familie, die mir noch Undankbarkeit vorwarf, schaukelte sich die ganze Situation extrem hoch und gipfelte in meinem verzweifelten Ausruf: "Ich will mein altes Leben zurück!" Genauso habe ich das oft genug empfunden, aber bis man so etwas ausspricht, muss schon eine enorme Portion Verzweiflung aufgestaut sein. Meine Eltern reisten verstört ab. Ich war zu dem Zeitpunkt schon schwanger mit der Kleinen. Nach Neujahr flogen wir auf die Kanaren, was dann wiederum zwei wundervolle Wochen waren.

Das 3. Weihnachten (2013) war von der schwierigen Koordination eines Mittagsschläfers (Großer) und einer Vor- und Nachmittagsschläferin (Kleine, damals knapp 8 Monate) geprägt. Die Bescherung ging im Prinzip so vonstatten, dass jedes Elternteil sich einem Kind widmete und mit diesem zusammen die Geschenke in Augenschein nahm und bespielte. Am 2. Feiertag fuhren wir für ein paar Tage in einen kleinen Ferienpark. Das war zwar eine nette Abwechslung, wegen der ausgeprägten und kräftezehrenden Trotzanfälle des Großen aber sehr anstrengend. Ein schönes Erlebnis an diesem 3. Weihnachten war der Besuch des Roncalli Weihnachtszirkus, den ich allein mit dem Großen absolvierte. Am 2. Januar startete dann schon meine Arbeit wieder, auf die ich mich wirklich freute. Nach diesen Weihnachtstagen fiel der Einstieg nochmal leichter.

Und dieses Jahr? Bis Heiligabend hatte ich viele Verabredungen organisiert, damit die Zeit nicht zu lang wird. Seitdem sind wir nun allein. Mein Mann sollte bei einer befreundeten Familie Weihnachtsmann spielen, und als er zurückkam, machten wir unsere Bescherung. Die Kinder freuten sich zwar über ihre Geschenke, aber die große Spielwut setzte leider nicht ein. Im Gegenteil: gegen Abend waren die neuen Sachen schon uninteressant und wurden mit Füßen getreten. Wir waren ziemlich frustiert. Bedenkt man, wieviel Freizeit, Mühe und Herzblut man ins Ausdenken, Aussuchen und Besorgen der Geschenke steckt, ist das auch verständlich. Dank oder Wertschätzung kann man vielleicht noch nicht erwarten, aber zumindest erhofft man sich Lust und Freude am Beschäftigen mit den neuen Dingen. Wir hatten die Menge auch extra übersichtlich gehalten, damit es nicht zu einer Reizüberflutung kommt. Ebenso wie wir die Tage ruhig und übersichtlich gestaltet hatten. Mit jeweils einem Highlight und ansonsten viel Zeit zum Spielen. Aber die Laune der Kinder war besonders am 1. Feiertag unterirdisch. Keine Lust auf irgendwas, nichts war recht, sie terrorisierten abwechselnd sich gegenseitig und uns. Zwar beschäftigen sie sich zeitweise miteinander, aber dies bedeutete meist Piesacken und Ärgern, verbunden mit dem entsprechenden Lärm- und Stresspegel. Da sie zur Zeit nur sich selbst haben, müssen sie wohl all das ausleben, was sie sonst in der Kita geboten kriegen. Die schönen Geschenke jedoch liegen unbeachtet im Wohnzimmer.

Für meinen Mann sind der Lärm und die Unruhe das Schlimmste in diesen Tagen. Für mich sind es die fehlenden bzw. viel zu kurzen Auszeiten, die ich eigentlich bräuchte, um zu mir zu kommen und Energie zu tanken. Dies kompensiere ich, indem ich zur Zeit viel zu spät ins Bett gehe, was natürlich zu Lasten eines ausreichenden Schlafes geht. Aber der Abend ist die einzige Zeit, wo ich mal ungestört für mich bin. Ich fühle mich wiedermal extrem fremdbestimmt und freiheitsberaubt. Das macht mich innerhalb kurzer Zeit aggressiv und depressiv zugleich. Ich versuche, die meisten dieser Emotionen vor den Kindern zu unterdrücken. Aber sie werden dadurch nicht weniger. Ich weiß auch, dass es ein begrenzter Zeitraum ist. Aber wenn man unvoreingenommen bedenkt, dass mir manchmal schon ein normales Wochenende zuviel ist, dann kann man sich vielleicht vorstellen, was 16 Tage fast ohne Entlastung für mich bedeuten.

Morgen fahren wir nun für ein paar Tage weg. Ich bin froh drum. Ein Ortswechsel wird hoffentlich allen gut tun.

Sonntag, 21. Dezember 2014

Ode an die Kleine

Dieser Blog ist ja bekanntlich nicht ins Leben gerufen worden, um eine Friede-Freude-Eierkuchen-Welt mit Kindern zu beschreiben. Dazu gibt es genügend andere... Aber heute muss ich mal eine Liebeserklärung an meine Kleine loswerden, die mir trotz aller anstrengenden und aufreibenden Momente immer wieder zeigt, wie schön und einfach das Leben mit einem insgesamt gut händelbaren Kind sein könnte.

Die Kleine ist, ehrlich gesagt, so wie ich mir mein Kind vorgestellt habe, und ich komme mit ihr im Großen und Ganzen gut klar. Viele Erlebnisse mit ihr heilten und heilen weiterhin die schwierigen Erfahrungen mit meinem Großen. Ihre Geburt war wunderschön, das Wochenbett entspannend, die ersten 6 Monate traumhaft. Genauso hatte ich es mir mit einem Baby vorgestellt. Ich war also beim 1. Mal  nicht komplett naiv gewesen, wie ich nach der Geburt des Großen dachte, sondern es gab wirklich solche pflegeleichten Babys. Auch als sie älter und etwas anstrengender wurde, hatte ich eigentlich nie wie beim Großen das Gefühl, ich wüsste nicht mehr weiter, sie entgleitet mir, ich komme nicht mit ihr zurecht. Sie brauchte schon immer und bis heute eine große Portion Mama, dann ist ihre Welt in Ordnung und sie ist tief innerlich zufrieden. Dass das oft mit meinem Freiheits-, Ruhe- und Unabhängigkeitsbedürfnis kollidiert, liegt am wenigsten an ihr.

Im Moment macht sie riesige Fortschritte. Sie schläft ja seit 3 Monaten nachts zu 80% durch, ohne dass sich irgendetwas an den Voraussetzungen geändert hätte. Seit 4 Wochen schläft sie mittags und abends alleine ein. Damit wurde das Einschlafstillen überflüssig. Ich liege neben ihr und erzähle ihrer Puppe leise noch etwas vom Tag. Dann schläft sie nahe an mir ein. Diese Situation ist so schön für mich. Sie akzeptiert seit neuestem ein paar Übergangsobjekte, die immer beim Einschlafen mit dabei sein müssen. Auch nimmt sie sich jetzt immer eine beliebige Sache mit, wenn sie eine Situation wechseln muss (zur Kita geht, ins Bett geht etc.). Da ist sie (noch?) nicht festgelegt, aber ich unterstütze das, weil sie bis vor Kurzem, ähnlich wie der Große, kaum Übergangsobjekte akzeptiert hat.

Sie ist gerade dabei, ein Bewusstsein für ihre Ausscheidungen zu entwickeln. Geht mit Ansage auf ihre Kindertoilette und es kommt tatsächlich zu 80% etwas. Die Windel ist ganz oft leer. Wir werden sie darin unterstützen und es in Kürze mal windelfrei probieren. Ich finde das ganz beachtlich mit 19,5 Monaten. Vor allem, dass sie es nicht als einen aus der Kita gelernten Automatismus betreibt (wie es beim Großen war), sondern das aus ihr selbst heraus kommt. Geplant bzw. als realistisch angesehen hatte ich das "Projekt Windelfrei" für den nächsten Sommer. Dass sie nun jetzt schon soweit zu sein scheint, ist natürlich toll.

Ihre kognitiven Fähigkeiten sind immer wieder erstaunlich. Sie ist so unglaublich aufnahme- und lernfähig. Man kann ihr neue Dinge 2-3mal vormachen oder zeigen, schon hat sie sie intus. Sie imitiert nicht nur, sondern wandelt alles so um, dass es für sie passt. Sie singt Melodien von ca. 15 Liedern deutlich erkennbar, mit der richtigen Intonation und im richtigen Takt. Ich freue mich schon sehr darauf, bald mit ihr zum Musikgarten zu gehen. Sie hat viel Spaß an Musik und am Tanzen. Sie genießt Ausflüge und Unternehmungen und zeigt ihre Freude auch deutlich. Auf Karussells haben wir immer ein lachendes Kind (Kleine) neben einem skeptischen Kind (Großer) sitzen. Sie erkennt Zusammenhänge in Windeseile und verhält sich entsprechend. Ihr Reaktionsvermögen ist phänomenal. Oft gibt sie die Antwort auf eine Frage schon, bevor ich die Frage beendet habe. Beim Großen müssen wir oft mehrmals nachfragen, ehe er eine Antwort produziert. Sie ist unglaublich aktiv und forsch, sie ist nicht wehleidig, sie ist nicht statisch, sie ist neugierig, probierfreudig, abenteuerlustig. Sie hat einen starken Willen und äußert diesen auch. Sie lässt sich nicht von ihrem Bruder die Butter vom Brot nehmen, und obwohl das unseren Alltag sehr laut und unruhig macht, finde ich diese Charakterstärke wunderbar. Sie hat keine Scheu vor anderen, größeren Kindern, sie leidet nicht an Überreizung in Menschenmengen. Sie kann sich dann selbst schützen, indem sie sich an mich kuschelt. Sie ist eine Macherin, schnell, effektiv und charmant, hat immer neue Ideen und setzt diese auch um. Sie vergöttert ihren Bruder und ist trotz ihrer Offenheit sehr anhänglich an uns. Für mich hat sie genau die richtige Mischung zwischen Extrovertiertheit und Skepsis gegenüber Fremden.

Sie kann jetzt auch endlich mit Löffel und Gabel essen und selbstständig aus einem Becher trinken. Das sind Dinge, die der Große schon früher konnte. Am Essen findet sie aber leider weiterhin keinen Gefallen, zumindest an den gemeinsamen Mahlzeiten nicht. Da wird herumgehampelt, mit dem Bruder Quatsch gemacht und Essen ausgespuckt. Nunja. Beide Kinder sind halt keine Viel- und keine Genussesser. Nur an der frischen Luft wird geknabbert, was das Zeug hält.

Sprachlich ist sie dem Großen im gleichen Alter ca. ein Vierteljahr voraus. Sie versteht alles und spricht schon sehr viele Wörter. Sie kann alles im korrekten Zusammenhang anwenden. Ihre erste (und bisher einzige) Zwei-Wort-Kombination war "meine Mama". Das war herzschmelzend süß. Da ihr ganzes Denken insgesamt viel schneller als das des Großen ist, sie also wesentlich schneller im Formulieren ihrer Gedanken sein wird, vermute ich, dass sie ihn und uns später "totquatschen" wird;).

Im Moment habe ich keine Anhaltspunkte für eine eventuelle Hochsensibilität der Kleinen. In unserer schwierigen Konstellation hochsensible Mama - hochsensibler Sohn ist sie für mich der Anker der "Normalität". Weil sie mir eben in alltagspraktischen Dingen so viel näher ist als der Große, der mir wiederum in Problemen wie schneller Überreizung, Ruhebedürfnis, schmaler Komfortzone zwischen An- und Aufregung etc. ähnlicher ist. Das Einzige, was bei ihr offensichtlich ähnlich ausgeprägt ist wie beim Großen, ist ihre Kritikempfindlichkeit. Das kann ein Merkmal von Hochsensibilität sein, muss es aber nicht. Wir werden sehen, wie sie sich weiter entwickelt.

Sie schäkert gern, kuschelt viel und ist sehr anlehnungsbedürftig. Sie zeigt ihre Liebe und macht es einem leicht, sie  zurück zu lieben. Ich bin so froh, dass sie da ist und so ist, wie sie ist. Ihre Existenz und ihr Wesen entlasten meine Mamazweifel jeden Tag.

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Langzeitstillen

Vorgestern hat Emmas Wunderwelt den Beitrag Langzeitstillen. Ein Geständnis veröffentlicht, der auf Twitter auf rege Resonanz stieß. Dabei wurde deutlich, dass Langzeitstillen zwar sehr verbreitet ist, kaum eine Mama jedoch in ihrem persönlichen Umfeld eine andere Langzeitstillende kennt oder Verständnis, Anerkennung und Wertschätzung dafür erfährt. Das deckt sich zum Teil (glücklicherweise nicht komplett) mit meinen eigenen Erfahrungen, die ich heute mal zusammenfassen möchte.

Vorweg: ich glaube, kaum eine Frau (mich eingeschlossen) plant, Langzeitstillende zu werden. Meist ergibt sich das aus der Situation, dass das Kind entweder keinen Brei essen möchte, sich am einfachsten durch die Brust trösten lässt, nicht anders einschläft oder Mama und Kind viel Zeit zusammen zuhause verbringen. Wenn beide Seiten damit glücklich und zufrieden sind, wird es eben so lange praktiziert, bis das Kind sich entweder selbst abstillt oder eine Seite (meist die Mama) nicht mehr will.

Bildquelle: Pixabay

Ich habe meinen Großen 20 Monate gestillt, und die Kleine (jetzt 19 Monate) stille ich noch morgens und nachmittags/am frühen Abend nach ihrem anstrengenden Kitatag. Das hätte ich mir in der ersten Schwangerschaft nie vorstellen können. Ich ging davon aus, dass sich das Stillen im Zuge der Breieinführung langsam ausschleicht. Das heißt, dass ich es tatsächlich vorher nur als Form der Nahrungsaufnahme angesehen habe, nicht als Trost, Beruhigung, Wärme, Nähe, zur-Ruhe-kommen. Glücklicherweise hatte ich nie Bedenken, dass das Stillen nicht klappen könnte, und es funktionierte ja auch wunderbar.

Der Start war allerdings holprig. Nach der Geburt des Großen litt ich unter entsetzlichen Rücken- und Kopfschmerzen, möglicherweise als Nachwirkung der PDA, und musste in den ersten Tagen zahlreiche Untersuchungen über mich ergehen lassen. Beim Röntgen wurde mir ein Kontrastmittel gespritzt, von dem sich im Nachhinein herausstellte, dass es nicht stillkompatibel war, so dass ich drei Tage lang abpumpen und mein Baby mit einer Spritze füttern musste. Ich war völlig verzweifelt und beklagte mich bitter in der Klinik, zumal ich vor dem Röntgen extra wegen der Stillfreundlichkeit des Kontrastmittels nachgefragt hatte. Nach diesen drei Tagen war das entwürdigende Abpumpen (verbunden mit dem Wegschütten der Muttermilch) für mich nie wieder ein Thema. Da mein Großer von Geburt an sehr unruhig war und viel geschrien hat, wäre das Nuckeln sicherlich das einzig Gute in seinen ersten Lebenstagen gewesen. Dies blieb ihm nun leider verwehrt. Da das Stillen aber in den ersten beiden Tagen gut geklappt hatte, hoffte ich, daran anschließen zu können. Es hat dann allerdings bei unserem 2. Stillstart fast 24 Stunden gedauert, bis mein Baby sich wieder ans Stillen gewöhnt hatte. Das war für mich wirklich eine emotionale Zitterpartie. Ich war so froh, als er es wieder "konnte".

Bis auf die üblichen Stillprobleme (viele Milchstaus, schmerzende Brustwarzen, wochenlanges Clusterfeeding etc.) spielten wir uns ganz gut ein und es tat dem Großen sichtlich gut. Ich empfand es als sehr freiheitsberaubend und einschränkend, aber ich habe nie daran gezweifelt, trotzdem weiterzustillen. Da mein Sohn aus keiner der vielen von uns ausprobierten Flaschen trank, blieb mir auch keine andere Wahl. Die Beikosteinführung mit 6 Monaten schritt langsam voran und wir stillten tatsächlich immer weniger. Als dann das abendliche Einschlafstillen nicht mehr funktionierte, sondern er danach immer noch getragen werden wollte, beendete ich es mit 13 Monaten und fortan brachte der Papa ihn ins Bett. Das morgendliche Stillen hatte ich kurze Zeit vorher weggelassen. Und als er mit 15 Monaten seinen umwälzendsten Schub hatte, der den Nachtschlaf betraf, wurde auch das nächtliche Stillen überflüssig. Wenn er noch nachts wach wurde, haben wir ihn durch Tragen/ Schaukeln wieder in den Schlaf geleitet. Die charakteristischen "letzten" Stillmahlzeiten waren also alle verschwunden.

Aber eine neue war hinzugekommen, die sich auch als längste und letzte Stillmahlzeit halten sollte: das nachmittägliche "Kita-Verarbeitungs-Stillen". Der Große hatte mit 13 Monaten seinen Kitastart, der alles andere als optimal verlief. Darüber ein andermal mehr. Er fühlte sich furchtbar unglücklich, hatte extremen Trennungsschmerz und akzeptierte die neue Situation nicht. Es begann dann relativ schnell, dass er nach der Kita unbedingt stillen wollte. Erst verstand ich gar nicht, was er wollte, hatten wir doch das Tagstillen schon längst abgeschafft. Dann wehrte ich mich, weil ich unser fast schon gelungenes Abstillen nicht gefährden wollte. Aber es gab keine Chance. Er wollte und brauchte es so sehr, dass ich nachgab und ihn täglich nach der Kita stillen ließ. Es hat ihm und mir so gutgetan. Man muss dazu sagen, dass er weder Schnuller noch irgendwelche Übergangsobjekte als Tröster akzeptierte. Wenn er seine "Bu" bekam, war er glücklich und konnte die für ihn sehr schwierige Kitasituation hinter sich lassen. Und ich habe das Stillen eigentlich erst dann so richtig genossen, als es offensichtlich nicht mehr zur Nahrungsaufnahme diente, sondern Trost, Nähe und Kuschelei war.

Zu dem Zeitpunkt war ich schon mit der Kleinen schwanger und machte mir viele Gedanken, wie das mit dem Stillen und der Schwangerschaft gehen würde und vor allem, wie lange noch. Auf keinen Fall wollte ich ihn zwingen, aufzuhören. Doch manche Probleme lösen sich von ganz allein. Im 4. Schwangerschaftsmonat, er war 20 Monate und 1 Tag alt, hatte mittlerweile die Kita gewechselt und fühlte sich dort viel wohler, stillte er zum letzten Mal nachmittags. Er verlangte nie mehr danach und ich hatte auch keine Schwierigkeiten, weil plötzlich keine Nachfrage mehr war. Es war für alle Beteiligten ein optimales, wunderschönes Stillende.

Natürlich sah man sich hin und wieder verständnislosen oder kritischen Nachfragen ausgesetzt. Dies aber meiner Erinnerung nach eher vor dem 1. Geburtstag des Großen. Danach fragte einfach kaum noch jemand, ob ich noch stille, weil es anscheinend für viele so ungewöhnlich ist. Ich bin damit auch nicht hausieren gegangen, habe aber Nachfragen ehrlich beantwortet. Kritische Bewertungen habe ich selten direkt gehört, am ehesten kam "durch die Blume" etwas zurück. Zum Glück gab es eine Freundin, die mit ihrer gleichaltrigen Tochter noch zuhause war und die auch noch bzw. länger als ich stillte. Die beiden stillten z.B. auch mit 2 Jahren nachts noch alle 2 Stunden, als unser ehemaliger Schlechtschläfer schon zu 80% durchschlief. Auch mein Mann stand zu jeder Zeit hinter mir, machte nie eine negative Bemerkung und vertraute ganz auf mich und den Großen. Diese Unterstützung war unglaublich wertvoll für mich.

Bei der Kleinen war ich wesentlich entspannter, was die voraussichtliche Stilldauer angeht. Die Stillsituation mit ihr war von Anfang an sehr schön. Kräftezehrende Clusterfeeding-Phasen fehlten völlig, sie stillte weniger und kürzer und ich habe es genossen. Bei ihr waren wir vor das Problem gestellt, dass sie überhaupt keinen Brei essen wollte und wir sie deshalb nach dem Beikoststart mit 6 Monaten mit kleinen Häppchen fütterten, von denen naturgemäß nicht viel im Magen landete. Das Stillen war also viel länger als beim Großen ihre Hauptnahrungsquelle. Da ich wieder tageweise arbeiten ging, als sie 8 Monate alt war, und dafür 6 Stunden außer Haus war, hatte ich schon Sorge, ob sie das gut übersteht. Aber sie trank Wasser mit dem Papa, kaute auf Häppchen herum und holte sich nach meiner Rückkehr einfach ihre Ration. Als sie mit 12 Monaten in die Kita kam, wurde sie tagsüber noch mehrfach gestillt. Kita und Stillen war für mich nie ein Widerspruch, und es ist schlichtweg Quatsch, dass man vor dem Kitastart abstillen sollte.

Im Moment stillen wir noch morgens im Bett und nachmittags nach der Kita. Beides braucht sie zur Zeit noch. Das nächtliche Stillen wurde durch ihre große Nachtschlafverbesserung mit 16 1/2 Monaten unnötig. Das abendliche Einschlafstillen ist seit 4 Wochen weggefallen, als sie ihren schlimmen Magen-Darm-Virus hatte und ich sie abends wegen des massiven Erbrechens nicht mehr stillen wollte. Also in der umgekehrten Reihenfolge als beim Großen. Interessante Erfahrung. Das nachmittägliche "Kita-Verarbeitungs-Stillen" scheint dringend nötig zu sein; sie wird genau wie der Große damals sehr ungehalten, wenn man es ihr verwehren will. In letzter Zeit schaut sie mich öfter ein wenig ungläubig an, wechselt dann die Brust, schaut wieder und sagt manchmal "alle, alle". Ich vermute, dass die Milchproduktion langsam zur Neige geht. Wir werden sehen, wie lange unsere Stillbeziehung noch anhält. Ich genieße die letzten Augenblicke.

Über's Langzeitstillen schreiben u.a. auch immer wieder die Blogs Geborgen Wachsen, Herzmutter, Mamis BlogDie gute Kinderstube und Mama Winter. Auf dem Blog Geschichte der Säuglingspflege wurden vor kurzem Erfahrungsberichte zum Stillen nach dem 1. Geburtstag gesucht, was auf rege Resonanz und immense Beteiligung stieß. Es ist also doch verbreiteter als man denkt. Auch wenn man sich im privaten Umfeld damit oft ganz allein fühlt - in der virtuellen Filterblase ist man es beileibe nicht.

Nachtrag:
Auch meine Tochter habe ich sehr lange gestillt. Ihr könnt unter folgendem Link dazu nachlesen:
http://fruehlingskindermama.blogspot.de/2015/09/langzeitstill-ende.html

Sonntag, 14. Dezember 2014

Kratzen und Ziepen

Schon lange habe ich darauf gewartet, dass der Große anfängt, sein Unbehagen bezüglich seiner Klamotten deutlicher zu äußern. Das Anziehen war von Anfang an eines der schwierigsten und für uns schlimmsten Probleme mit ihm, und als ich begann, mich mit dem Thema Hochsensibilität auseinanderzusetzen, bekam ich auch eine Ahnung, warum. Hochsensible Kinder können bestimmte Stoffe schlecht ertragen, stören sich an Wäschezetteln in Klamotten, mögen keine enge, kratzende, nasse etc. Kleidung. Ich konnte ab dann etwas verständnisvoller damit umgehen, zumal ich mich erinnerte, dass auch ich in der Kindheit mit kratzenden, ziependen Stoffen und Kleidungsstücken meine Probleme hatte, wenn auch in eher leichter Form.

Bis vor kurzem konnte er, obwohl er sprachlich sehr fortgeschritten ist, nicht äußern, was genau ihn an dieser oder jener Klamotte störte. Er hat beim Anziehen immer nur geschrien, gejammert, gezetert und gezickt, was das Zeug hält. Es war ein ganz schrecklicher Kampf, der an den meisten Tagen eskalierte und in Geheule und Schreierei auf beiden Seiten ausartete. Das ist leider auch weiterhin oft der Fall. Aber er kann jetzt seit wenigen Wochen benennen, was ihn stört. Meist kratzt oder ziept etwas oder ist zu eng. Nicht immer Teile, die direkt am Körper anliegen wie Unterhemden oder Slips, sondern oftmals die Pullover. Socken sind ganz schlimm. Jetzt im Winter natürlich auch die Strumpfhosen. Das erinnert mich immer an mein getrübtes Verhältnis zu Strumpfhosen. Ich mag sie nicht. Ich finde sie unangenehm. Ich ziehe keine Röcke mit Strumpfhosen an. Nur, wenn es ganz kalt ist, überwinde ich mich notgedrungen und trage sie gezwungenermaßen. Sonst nicht. Sie sind eng, sie ziepen, sie schnüren den Bauch ein. Ich kann den Großen also gut verstehen, wenn er das unangenehm findet.

Als er vor kurzer Zeit begann, sein Unbehagen konkret zu äußern, fiel mir ein Stein vom Herzen. Endlich merkte er selbst und konnte ausdrücken, was genau ihn störte. Damit haben wir als Eltern auch etwas mehr die Chance, darauf einzugehen bzw. etwas zu verändern. Wenn ihn bestimmte Socken stören, lasse ich ihn andere anprobieren. Wenn ein Pullover kratzt, kann er im T-Shirt frühstücken und zieht ihn dann erst an, wenn wir rausgehen. Und vor allem sollte man vermeiden, ihn mit Aussagen wie "Stell dich nicht so an" oder "Du übertreibst maßlos" zu entwürdigen. Es scheint tatsächlich ein ganz anderes Empfinden von Stoff auf der Haut zu sein. Ähnlich wie das bei hochsensiblen Kindern veränderte Temperaturempfinden (dazu vielleicht ein andermal mehr).

Die Anziehsituation ist immer noch sehr konfliktbehaftet und eine der heikelsten Situationen im Tagesverlauf. Fast täglich verzweifeln wir wegen der immensen Kraftanstrengung, die es für alle Beteiligten bedeutet, und wünschen uns eine Wundermethode, die es zu dem einfachen Vorgang macht, der es sein könnte. Aber ich persönlich kann besser damit umgehen, wenn ich eine Begründung / Erklärung für sein schwieriges Verhalten habe. Am wichtigsten finde ich, dass er sich selbst dessen bewusst wird und benennen kann. Ich versuche ja immer, ihn zu "trainieren", seine Gefühle auszudrücken, anstatt sinnlos zu opponieren. Da liegt noch ein langer Weg vor uns. Aber einen kleinen Schritt nach vorn sind wir, was das Thema Anziehen betrifft, jetzt vorangekommen.

Montag, 8. Dezember 2014

Autonome Kinder

Ich bin letztens im Netz auf den Begriff "autonome Kinder" gestoßen, der von Jesper Juul geprägt wurde, und wurde sofort hellhörig. Schon immer erlebte ich meinen Großen als "extrem unabhängig, kompromisslos selbstbestimmt, nahezu allergisch gegen Erziehungsversuche", nicht manipulierbar, sehr auf seine Würde und Integrität bedacht. In dem Artikel wurde auf Juuls Buch Elterncoaching: Gelassen erziehen verwiesen, in dem er auf das Thema "autonome Kinder" eingeht. Obwohl der Titel und die Aufmachung mich überhaupt nicht ansprachen, besorgte ich es mir und begann zu lesen.

Anhand von konkreten Fallgeschichten coacht Juul Eltern mit schwierigen Kindern/ Babys. Schon im ersten Kapitel über ein Baby mit starkem Willen, immerzu wach, neugierig und aktiv, nicht kuschlig, aber sehr anhänglich, sehr weit entwickelt und "überhaupt nicht so, wie wir uns ein Baby so vorgestellt hatten" (S. 15), ein Baby, das die Eltern an den Rand eines Nervenzusammenbruchs und schlimmer Beziehungsprobleme brachte, habe ich die Parallelen zu der Babyzeit des Großen gesehen.

Im zweiten Kapitel ging es dann um die 3,5-jährige Ella, ein sehr schwieriges Mädchen, das Juul als "autonomes Kind" einordnet. Beim Lesen der Juulschen Aussagen über solche Kinder bin ich dann mehrfach in Weinen ausgebrochen, weil einfach soviel auf meinen Großen passte. Ich fasse mal einige der Charakteristika zusammen (ab S. 30):

"Ich nenne sie autonome Kinder. Wenn sie zur Welt kommen, haben sie oft schon so einen reifen Gesichtsausdruck." - Ich weiß noch, wie wir Freunde besuchten, als der Große gerade 3 Wochen alt war, und die Freundin als erstes sagte, dass er wie ein weiser alter Mann aussehen würde.

"Dieses Kind lässt sich einfach nicht lieben." - Ich habe oft das Gefühl, dass der Große meine Liebe nicht will. Meinen Trost, mein Auffangnetz schon, aber Liebe mit lieben Worten, Körperkontakt etc. nicht. Auch haben wir schon, als er noch ein Baby war, immer gedacht, wir stecken soviel in ihn hinein und es kommt so wenig zurück.

"Kinder brauchen Nahrung: in Form von Fürsorge, Erziehung, Liebe. Den meisten Kindern kann man das einfach vorsetzen. Autonome Kinder dagegen benötigen diese Nahrung vom Buffet, damit sie sich davon nehmen können, wann immer sie wollen." - Man kann den Großen kaum zu etwas animieren, was er nicht will. Er muss es selbst wollen.

"Sie lassen sich nicht korrumpieren. Man kann ihnen auch nicht drohen oder sie bestechen. Sie besitzen eine außerordentlich stark ausgeprägte Integrität." - Von jeher deutlich zu erkennen beim Großen. Grundsätzlich ein sehr positiver Charakterzug. Aber im Zusammenleben mit einem solchen Kind ein ganz schwieriges Problem.

"Diese Kinder wollen selbst bestimmen. Sie lassen sich nicht manipulieren. Sie sind vollkommen bei sich, aber dadurch natürlich auch ab und zu sehr einsam." - Ich glaube, er fühlt sich dann einsam, wenn wir ihn nicht verstehen. Deshalb versuche ich immer, wenn ich die Kraft habe, zu ergründen, warum er etwas nicht möchte und wie ich ihn vielleicht zur Kooperation bewegen kann.

"Mit diesen Kindern muss man anders sprechen, nicht wie mit einer 3,5-jährigen, sondern wie mit einer 35-jährigen. Diese Kinder haben eine schreckliche Allergie gegen Pädagogik." - Unvergessen der Nachmittag bei Freunden, als der befreundete Papa etwas im Sinne von "Das macht man aber nicht!" zum Großen sagte und dieser in untröstliches Weinen ausbrach, so dass wir ihn aus der Situation nehmen mussten. Diesem Freund ist er auch lange danach noch mit Zurückhaltung begegnet. Er hasst es einfach, wenn er zurechtgewiesen wird.

"Die meisten autonomen Kinder kommen sehr gut im Kindergarten zurecht oder wenn sie mit anderen Kindern spielen. Aber sie reagieren allergisch auf pädagogisches Süßholzraspeln." - Paradebeispiel: Der Große ist in der Kita ein Vorzeigekind. Seine Erzieherin war von Anfang an begeistert von ihm. Auch das Spielen bei Freunden funktioniert hervorragend.

"Kinder wie Ella benötigen keine Strafen. Es geht vielmehr darum, dass man ihr sagt: "Ich bin dabei, zu lernen, wie ich mich verhalten muss, damit es dir gut geht." Dann muss sie nicht soviel Energie darauf verwenden, ihren Willen durchzusetzen." - Ich versuche immer wieder, seine Bedürfnisse zu verstehen und ihm entgegenzukommen bzw. die Konfliktpunkte schon im Ansatz zu vermeiden. Das klappt natürlich nur bedingt.

"Worauf man vorbereitet sein muss,..., ist, dass Kritik von außen kommt. Auf die kann man antworten: "Ja, so ist sie, so ist sie schon immer gewesen, seit ihrer Geburt. Unser Fehler war, dass wir versucht haben, sie zu ändern, wir haben alles versucht, damit sie so wird wie alle anderen." - Kritik bzw. implizite Schuldzuweisungen kamen bei uns auch. Niemand wollte verstehen, dass der Große schon so, wie er ist, zur Welt gekommen ist, und dass alles, was wir tun können, ist, ihn darin zu begleiten und zu akzeptieren.

Ich erlebe in meinem privaten Umfeld keine anderen "autonomen Kinder". In meiner virtuellen Blase dagegen schon, aus Erzählungen von Dritten, wo ich aber die Kinder nicht kenne, und aus solchen Büchern wie Elterncoaching: Gelassen erziehen. Ist es so schwer, darüber zu sprechen? Aber wir sprechen doch auch darüber. Wenn jemand ähnliches erleben würde, müsste man sich doch darüber austauschen können! Es macht wirklich traurig, dass man nicht nur kein Verständnis erlebt und keine Hilfe bekommt, sondern nicht einmal ein Austausch möglich ist. Dabei wäre gerade das so therapeutisch für alle Beteiligten.

Ich bin gespannt, was mich in dem Buch noch erwartet, und werde sicherlich weiter berichten. Lest in Teil 2 weiter!

Fortsetzung hier:
Autonome Kinder Teil 2
Autonome Kinder Teil 3 - Interview mit Jesper Juul
Autonome Kinder Teil 4 - Pubertät

Hier noch einige Links zum Erfahrungsaustausch in Foren:
https://www.rund-ums-baby.de/erziehung_elternforum/Autonome-Kinder-suche-Erfahrungsaustausch_81648.htm

http://forum.klugekinder.at/viewtopic.php?f=9&t=4044&p=30763

Facebook-Gruppe für Austausch und Information:
https://www.facebook.com/groups/735026373305539/?fref=ts


Wenn euch meine Artikel über "Autonome Kinder" weitergeholfen haben, würde ich mich sehr über ein kleines Dankeschön freuen. Über diesen Button könnt ihr mir einen Kaffee "spendieren":

Freitag, 5. Dezember 2014

Blogparade - Braucht jede Familie einen Babysitter?

Andrea vom Blog Runzelfuesschen hat anlässlich ihres ersten Konzertbesuchs nach der Geburt ihrer Tochter zur Blogparade zum Thema "Babysitter" aufgerufen. Dazu kann ich jede Menge skurrile Geschichten beitragen und habe mich deshalb entschlossen, zum ersten Mal bei einer Blogparade mitzumachen. Wir haben eine wahre Babysitter-Odyssee hinter uns und konnten es manchmal gar nicht glauben, mit welchen Menschen, Situationen oder Aussagen wir konfrontiert wurden.

Ein halbes Jahr vor dem Geburtstermin unserer Kleinen begannen wir mit der Suche nach einem geeigneten Babysitter, der uns ein wenig mit unserem anstrengenden Großen entlastet, da wir leider keinerlei Familie in unserer Stadt haben. Dabei dachten wir nicht an das schwierige Thema des Zu-Bett-Bringens, sondern an 2-3 Stunden am Wochenende oder nachmittags nach der Kita. Unser Großer war zu diesem Zeitpunkt etwas über 1,5 Jahre alt, ging 6 Stunden täglich in die Kita, ließ sich aber noch nicht von Fremden ins Bett bringen, geschweige denn trösten, wenn er abends/nachts aufgewacht wäre. Es ging uns also nicht um das abendliche Ausgehen (dazu waren wir viel zu müde), sondern um ein paar Stunden Ruhe am Wochenende oder Nachmittags. Für mich wäre es auch willkommen gewesen, eine Entlastung wegen der Schwangerschaft zu haben, die zwar nicht problematisch verlief, aber doch viel anstrengender als die erste Schwangerschaft war.

Gesagt, getan. Wir fragten erstmal im Freundes-, Bekannten- und Kitaelternkreis herum, aber die meisten hatten wegen des jungen Alters der Kinder auch noch keinen Babysitter oder nur Familienmitglieder. Auch bei Aushängen in unserer Umgebung war nicht der/die Richtige dabei. Deshalb startete ich die Suche bei Kinderfee und Betreut.de. Kinderfee war zu diesem Zeitpunkt (Oktober 2012) noch recht jung und die Webseite hatte mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Trotzdem fand ich das Konzept, Babysitter anhand von Profilen auszusuchen, online zu buchen und zu bezahlen sowie eine steuerlich absetzbare Rechnung zu bekommen, sehr ansprechend und bequem.

Wir suchten uns also online die erste Babysitterin aus und bestellten sie zu einer Probe(halbe)stunde. Die Dame arbeitete zu der Zeit notgedrungen abends in einer Bar und hatte schon oft als Babysitterin, Au Pair u.ä. gearbeitet. Sie war sehr nett und die Chemie zwischen unserem Großen und ihr stimmte sofort, was ungewöhnlich war. Der Große klammerte damals noch sehr und hatte extreme Trennungsangst. Sie wirkte erfahren und engagiert und wir waren ganz euphorisch, gleich beim ersten Casting die passende Person gefunden zu haben. Wir engagierten sie kurzerhand und buchten sie wieder. Beim nächsten Termin sagte sie kurzfristig wegen Krankheit ab. Beim übernächsten Termin kam sie ohne Abmeldung einfach gar nicht. Danach versuchten wir sie noch mehrfach über Handy und über Kinderfee zu kontaktieren, aber erfolglos. Wir schalteten Kinderfee ein, doch sie erreichten auch nichts. Nach etlichen Wochen meldete sie sich zähneknirschend und sagte, sie hätte einen familiären Problemfall gehabt und wäre verreist gewesen. Ob wir sie denn noch als Babysitterin wollten? Naja, Probleme kann jeder mal haben, und wir wollten sie gern. Sie schrieb uns Nachrichten, was für eine tolle Familie wir wären, wie gut der Große und sie miteinander klargekommen seien und wie gern sie für uns babysitten möchte. Ein Termin wurde vereinbart. Sie kam nicht. Ohne Absage. Danach eine schwammige Aussage, dass sie eventuell ab Januar einen Vollzeitjob hätte und nicht mehr babysitten könne. Irgendwann meldete sie sich gar nicht mehr. Ihr Profil bei Kinderfee war weiterhin vorhanden. Wir waren traurig.

Die zweite über Kinderfee gebuchte Babysitterin erschien uns ungeeignet und wir sagten ab. Dann kontaktierte ich zwei Damen, die sich auf Aushängen als Babysitter mit freien Kapazitäten angeboten hatten. Die erste Dame verschob ihre Probestunde kurzfristig auf einen anderen Termin und erschien dann zum zweiten Termin gar nicht. Hinterher bekamen wir eine Nachricht, dass sie keine Kapazitäten mehr hätte. Die zweite Dame war eine Kleinkunstdarstellerin aus unserem Kiez, die Puppentheater für Kinder anbot. Ideale Voraussetzungen also. Sie war auch sehr nett und erfahren, obwohl ihre Erziehungsvorstellungen (sie war kinderlos) nicht so ganz unseren Idealen und der Realität entsprachen. Auch wenn der Große und sie keinen Draht entwickelten, wollten wir es dennoch mit ihr versuchen. Nach einer längeren Pause bestellten wir sie noch einmal. Bei diesem Termin stellte sie fest, dass man sich "mit dem Großen ja die ganze Zeit beschäftigen muss". Tja, er ist leider kein Kind, das allein spielt, während ein Erwachsener auf dem Sofa Zeitung liest. "Oje, und das müssen Sie jeden Tag machen?" Äh, ja, müssen wir. Nach diesem Termin bekamen wir eine nette Mail von ihr, dass sich ihre Lebensplanung geändert hätte und sie sich neuen beruflichen Herausforderungen zuwenden wolle. (Sie ist bis heute als freiberufliche Puppenspielerin tätig). Obwohl das also eindeutig gelogen war, war sie wenigstens verlässlich und anständig.

Danach casteten wir ebenfalls über einen Aushang eine Studentin, die wir sehr angenehm fanden und die auch einen guten Draht zum Großen hatte. Wir waren die erste Familie, die sich bei ihr meldete und sie versprach uns hoch und heilig, anderen Familien abzusagen, wenn es ihre Kapazitäten übersteigen würde. Wie gesagt, wir wollten zu dem Zeitpunkt jemanden für 1-2mal pro Woche, je 2-3 Stunden haben. Also durchaus machbar. Die Studentin meldete sich ein paar Tage später und sagte, die Nachfrage hätte sie vollkommen überrannt und sie müsste leider allen Familien inklusive uns absagen, da sie sich doch lieber verstärkt ihrem Studium widmen wolle. Wir dachten jedesmal, warum machen diese Leute erst Aushänge, wenn sie doch nicht die Lust, Zeit, Nerven oder Kapazitäten haben, wenn es ernst wird. Es kam uns immer so ein bisschen vor wie: "Ach, ich schreibe mal eine Bewerbung, wenn eine Zusage kommt, kann ich ja immer noch absagen." Sehr enttäuschend.

Dann folgten zwei Castings, die wieder über Kinderfee gebucht waren. Ein junger Mann, der aber nicht geeignet war, und eine junge Frau mit viel Erfahrung und angenehmem Wesen. Sie buchten wir noch zweimal und zeigten ihr sogar unseren Park, den Kinderbauernhof und die ganze Umgebung. Bei 4. Termin kam sie nicht nicht mehr und sagte dann grundsätzlich aus undefinierbaren Gründen ab. Mittlerweile waren wir extrem enttäuscht, entnervt und ratlos. Viele gecastete Babysitter waren auch oft so inkompetent, hilflos, unsicher, lebensunpraktisch, überhaupt nicht kinderkompatibel. Es konnte doch nicht so schwer sein, einen Babysitter zu finden!

Es folgten drei weitere, über Kinderfee gebuchte Castings, die aber nur ungeeignete Leute zu uns brachten, und unzählige Buchungsanfragen über Kinderfee und Betreut.de, die schon vor der Probestunde von Seiten der potentiellen Babysitter abgesagt wurden. Mittlerweile war der Geburtstermin der Kleinen schon sehr nahe und ich hatte keine Nerven mehr, ständig fremde Leute auszufragen, ihnen immer das Gleiche von uns und dem Großen zu erzählen und falsche Erwartungen über leicht zu verdienendes Geld zu enttäuschen. Wir gaben die Suche auf und wuppten die letzten Wochen bis zur Geburt weiterhin allein bzw. mit sporadischer Hilfe einer befreundeten Familie, zu der unser Großer seit seinem 2. Geburtstag mittlerweile auch ohne uns ging. Den Besuchsaustausch mit seinem gleichaltrigen Freund hatte ich parallel zur Babysittersuche bewusst aufgebaut; er trug Früchte. So waren wir wenigstens ab und zu mal für zwei Stündchen entlastet. Natürlich hatten wir im Gegenzug seinen Freund auch oft bei uns.

Ich schaute mir zwar weiterhin sporadisch Aushänge an und fragte im Bekanntenkreis, aber irgendwie hatte uns diese ganze Odyssee sehr ernüchtert. Nach der Geburt der Kleinen waren wir beide zuhause und das Thema war nicht mehr akut. Erst als die Kleine mit einem Jahr in die Kita kam und das Arbeitsleben wieder anklopfte, kam der Wunsch nach einer stundenweisen Entlastung wieder hervor. Während ihrer Kita-Eingewöhnung hatte sich die Kleine nicht an ihre Bezugserzieherin, sondern an eine Praktikantin und eine Erzieherhelferin (in Ausbildung) gehängt und eine ziemlich innige Beziehung zu diesen beiden Damen aufgebaut. Sie erleichterten der Kleinen die Eingewöhnung sehr. Eine der beiden bot kurz vor Ende ihres Praktikums an, dass sie gern für uns babysitten würde. Die andere fragte ich selbst. Beide hatten wir für eine Probestunde zuhause und beide hatten auf Anhieb ein vertrautes Verhältnis zu den Kindern. Es ist von unschlagbarem Vorteil, wenn die Babysitter die Kinder, die Charaktere, die Gewohnheiten und auch die Eltern schon kennen. Die ganze zermürbende Vorstellungsrunde fällt weg. Man tauscht sich über Anekdoten aus der Kita aus und erzählt ein wenig von Erwartungen und Vorstellungen. Man wird sich über den Preis einig und verabredet sich neu.

Eine der beiden haben wir nun seit einem Vierteljahr regelmäßig am Samstag vormittag hier. Sie ist noch jung, hat aber selbst eine 2,5-jährige Tochter und kennt also sämtliche Aspekte des Kleinkindalters. Sie geht mit den Kindern in den Park, auf den Spielplatz oder in den Kinderbauernhof, damit wir zuhause etwas in Ruhe machen können. Das klappt gut. Lustig ist allerdings, dass sie den Großen in der Kita als pflegeleicht und die Kleine als etwas schwieriger (sie hat viel geweint in der Eingewöhnung) empfunden hat. Nun lernt sie es genau anders herum kennen. Der Große zeigt sich also bei ihr so, wie er ist. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen, ein Vertrauensbeweis. Die andere Erzieherhelferin war bisher erst zweimal bei uns, aber das Verhältnis ist auch unproblematisch und herzlich. Niemals wäre die Kleine mit ihren jetzt 1,5 Jahren mit einer völlig fremden Person mitgegangen. Auch sie leidet unter extremem Trennungsschmerz. Dass sie die beiden nicht nur kennt, sondern es auch ihre Trösterinnen während der Eingewöhnung waren, macht es für uns sehr einfach.

Im Moment haben wir also eine gewisse Stabilität. Natürlich sind zwei Stunden am Samstag vormittag (meist im Zwei-Wochen-Rhythmus) ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber besser als nichts. Und es ist beruhigend, überhaupt jemanden in der Hinterhand zu haben, wenn die Familie weit weg ist. Eines hab ich durch die Kinder mit Sicherheit gelernt: mir Hilfe zu holen, wenn es zuviel wird, und zwar bevor es zu spät ist. Dass es allerdings (siehe unsere Babysitter-Odyssee) so schwer sein würde, bezahlte Hilfe zu finden, hätte ich nicht erwartet. Die Idee von Andrea mit dem Eltern-Netz finde ich sehr gut. So etwas habe ich mir auch immer gewünscht. Mittlerweile ist es bei uns so, dass viele unserer befreundeten Familien nun auch zwei Kinder haben, wo es nicht mehr ganz so einfach ist, sich abends mal auszuklinken und woanders einzuspringen. Und gerade das  Einschlafen ist, finde ich, ein so sensibles Thema für Kinder, dass ich persönlich eine Abendbetreuung erst viel später probieren würde. Die Kleine ist zum Beispiel noch so klein, dass selbst der Papa sie meist nicht beruhigen kann, wenn sie abends mal aufwacht. Und eine Mama, die sagt, da muss sie halt durch, bin ich nicht. Ich habe aber aus Erschöpfung auch wenig Sehnsucht danach, abends wegzugehen. Wertvoller ist für mich eine kinderfreie Zeit am Wochenende. Deshalb ist unsere momentane Lösung sehr gut. Alles Weitere kommt mit der Zeit.

Nachtrag:
Das war nur eine kurze Zeit der Entlastung: Mitte Januar 2015 brach uns die eine Babysitterin weg. Sie war enttäuscht, dass der Große so schwierig war und nicht das machte, was sie sagte. Die andere Babysitterin hatten wir noch hin und wieder, allerdings verreiste sie oft am Wochenende. Im Frühjahr 2015 endete auch dies, nachdem der Große deutlich signalisiert hatte, dass er nicht mehr mit ihr mit rausgehen würde. Dann war es endgültig vorbei. Seitdem hatten wir keinen Babysitter mehr.

Mittwoch, 3. Dezember 2014

Verschiedenheit

Meine Kinder sind so unterschiedlich. In allen Bereichen. Die Grundcharakteristika hat man bei beiden schon von Babyzeiten an gesehen. Dass die Kleine ein komplett anderes Wesen als der Große hat, wurde schon in den ersten Wochen nach der Geburt deutlich. Grundlegende Babyaspekte wie Schlafverhalten, Beruhigungsverhalten, Essverhalten, Selbstregulation, Trennungsangst etc. waren bei der Kleinen so ganz anders ausgeprägt als beim Großen. Betrachtet man die Entwicklung beider Kinder bis jetzt, kann ich feststellen, dass der Große seinen schwierigen Grundzügen zwar "treu" geblieben ist, in vielen Teilbereichen (z.B. Trennungsangst) aber eine großartige Entwicklung gemacht hat. Die Kleine wiederum hat sich weniger in den vielen kleinen Aspekten verändert, die bei ihr sehr früh schon ausgereift waren, sondern ihre Wesensentwicklung ist von einem total pflegeleichten, viel schlafenden, leicht zu beruhigenden Baby hin zu einem hellwachen, energischen, vehementen, aufmerksamkeitsbedürftigen, sehr initiativen und aufnahmefähigen Kleinkind gegangen. Trotzdem scheint der Grundstock geblieben zu sein.

Dass die Wesensunterschiede von Kindern von Geburt an vorhanden sind und nicht "erziehungsbedingt" sind, davon war ich schon überzeugt, bevor ich selbst Kinder bekam. Meine Kinder bestätigen mich nun jeden Tag darin, dass sie einfach verschieden auf die Welt kommen und die Grundcharakteristika und -Verhaltensweisen nicht "anerzogen" sind. Das betrifft sowohl ihre Wesenszüge, ihre Fähigkeiten als auch Reaktionsmuster im Alltag. Man würde meinen, dass diese Erkenntnis auf der Hand liegt und von jedem Menschen geteilt wird. Gerade wir mit unserem schwierigen ersten Kind waren aber immer wieder mit Auffassungen konfrontiert, die uns implizit die Verantwortung für sein Verhalten gaben. Diese Menschen sind etwas stiller geworden, je mehr sie wahrnehmen, wie verschieden der Große und die Kleine sind.

Anhand eines banalen alltäglichen Beispiels, nämlich der Kitaabholsituation, möchte ich erzählen, wie unterschiedlich meine beiden Kinder sind bzw. sich in einer solchen Situation verhalten. Heute war es wieder einmal extrem kontrastreich. Ich kam zum Gruppenraum der Kleinen, sie sah mich und rannte freudestrahlend, sehnsüchtig und selig in meine Arme. In solchen Momenten hüpft das Mamaherz. Genauso hat man sich das ja mit Kindern gewünscht bzw. vorgestellt. Wir kuschelten erstmal, ich wickelte sie und zog sie mit vielen Knuddelunterbrechungen an. Dann gingen wir zum Gruppenraum des Großen. Ich öffnete die Tür und rief ihn. Er sah mich, zog eine Schnute, fing an zu grummeln und haute in den Nachbarraum ab. Da weint das Mamaherz erstmal. Das ist wohlgemerkt keine Ausnahme, sondern die Regel. Meist ignoriert er mich völlig, wenn ich komme, und reagiert erst, wenn Erzieher oder andere Eltern ihm sagen, er solle doch jetzt mal...

Auch diesmal musste die Erzieherin ihn quasi nötigen, doch mit seiner Mama mitzugehen. Er hat sich dann relativ schnell wieder eingekriegt, der weitere Nachmittag war nicht konfliktreich. Aber solch eine Reaktion, vor allem wenn man sie fast täglich auszuhalten hat, schlägt einem schon arg auf die Laune. Ich kenne es zwar kaum anders von ihm, aber es ist nichts, woran man sich mit der Zeit gewöhnt. Dass nun die Kleine so komplett anders reagiert, liebevoll, zugewandt und freudig, verstärkt einerseits die Traurigkeit darüber, dass der Große seine Freude darüber, abgeholt zu werden (dass er sich irgendwie freut, glaube ich trotzdem weiterhin ganz fest), nicht zeigen kann, sondern eher das Gegenteil zum Ausdruck bringt. Andererseits aber bestätigt das genau meine Überzeugung, dass solche Reaktionsweisen eben nicht "anerzogen" oder vom Elternhaus geprägt sein können. Und auch nicht von den Geschwistern abgeschaut sind, was immer noch das letzte Argument von Befürwortern der Sozialisationsthese ist. Die Kleine hat bisher niemals gesehen, dass der Große uns in die Arme gesprungen ist. Weder nach der Kita noch nach Übernachtungsaufenthalten bei den Großeltern. Trotzdem tut sie genau das. Ohne dass wir sie drängen. Einfach aus dem Bedürfnis und Herzgefühl heraus, was von Grund auf in ihr vorhanden ist. Kontrast pur.

Wenn ich den Großen übrigens manchmal später frage, warum er immer so abweisend ist, wenn ich ihn abhole, vermag er darauf nichts zu sagen. Und ich weiß, es wird sich daran nicht viel ändern, ich muss es so akzeptieren. Das ist schwer. Aber leichter zu ertragen mit einem zweiten, in meine Arme stürmenden Kind.