Sonntag, 27. März 2016

Gedanken über die intuitive Verbindung

In meinem Text Liebe fühlt sich sehr verschieden an habe ich über den unterschiedlichen Zugang zu meinen Kindern geschrieben und darüber, dass es zwischen der Kleinen und mir gefühlsmäßig "fließt", wir uns intuitiv verstehen und sie mir unheimliche Kraft gibt, während die Beziehung zu meinem Großen anstrengend, herausfordernd und oft schmerzhaft, aber sehr lehrreich und tiefgründig ist. Ich habe auch erwähnt, dass es schwierig ist, über dieses Thema zu schreiben, weil die Äußerung solch unterschiedlicher Gefühle leicht missverstanden werden kann. Aber es hat mir damals unheimlich gut getan, die Gedanken niederzuschreiben und ich konnte dadurch selbst einiges sortieren, was mir vorher nicht so klar war.

Vor kurzem habe ich ein Heftchen aus der Schriftenreihe von Familylab, der nach den Grundsätzen von Jesper Juul arbeitenden Familienwerkstatt, entdeckt, was mein Interesse und eine tiefe Ahnung in mir weckte. Es heißt Die intuitive Verbindung: Wenn ein Elternteil besondere Bedeutung für das Kind hat und behandelt ein heikles Thema, von dem Juul selbst sagt: "Viele Jahre lang habe ich mich gescheut, über dieses Thema zu schreiben - vor allem, weil ich befürchtet habe, dass Eltern in Trennung das beschriebene Phänomen gegeneinander und gegen ihre Kinder benutzen könnten." (S. 7). Ich denke, man muss gar nicht so weit gehen, um das gesellschaftliche Tabu zu spüren, das vorherrscht, wenn man von einer besonders intensiven, existenziellen Verbindung zu einem seiner Kinder berichtet. Weil diese Verbindung oft mit Liebe verwechselt und deshalb von außen unterstellt oder gar selbst befürchtet wird, man liebe das eine Kind mehr, stärker oder tiefer als das andere. Beides weckt in Eltern, die eine besondere Verbindung zu einem ihrer Kinder spüren, Schuldgefühle, was dazu führen kann, dass sie sie verleugnen und damit sich selbst und ihrem Kind die Möglichkeit nehmen, das Potential dieser Verbindung auszuschöpfen.

Juul betont: "Das Wichtigste ist, dass wir verstehen, dass die intuitive Verbindung nichts mit Liebe zu tun hat. Diese Art der Verbindung gehört zu keiner emotionalen Kategorie. Sie bedeutet nicht, dass dieser oder jener Vater sein Kind mehr liebt als die Mutter oder als seine anderen Kinder, und sie bedeutet auch nicht, dass das Kind seinen Vater mehr liebt als die Mutter." (S. 15). Das sollte man immer im Hinterkopf behalten. Sie ist auch unabhängig von einer erfolgreich aufgebauten Bindung in den ersten Lebensjahren eines Kindes, sondern kann auch bei Abwesenheit eines Elternteils durch räumliche Trennung, Tod oder Unengagement deutlich gespürt werden.

Was bedeutet nun die intuitive Verbindung zwischen einem Kind und einem seiner Elternteile? Aus Elternsicht ist es das Spüren einer besonderen, existenziellen Verbundenheit mit einem Kind. Aus kindlicher Perspektive heraus formuliert Juul es so: "Die intuitive Verbindung ist eine existenzielle Verbundenheit, über die das Kind lernt, wie das entsprechende Elternteil mit den Herausforderungen und den Segnungen des Lebens umgeht, und über die das Kind diese Kompetenzen und Muster in sein eigenes Sein integriert." (S. 16). Das können positive, aber auch negative Impulse sein. Wenn das intuitiv verbundene Elternteil beispielsweise selbstzerstörerische Verhaltensweisen an den Tag legt, so wird es sehr wahrscheinlich sein, dass das Kind dies wiederholt, egal, wie sehr es solche Impulse ablehnt oder kritisiert. Wenn das Elternteil allerdings die Verantwortung, die ihm obliegt, anerkennt und das intuitiv verbundene Kind in seinem Lebensweg angemessen unterstützt, dann kann solch eine Verbindung ein ungeheures Potential entwickeln. Dazu gehört übrigens auch, dass der andere Elternteil von einer eventuellen Eifersucht Abstand nimmt und die besondere Verbindung beider Familienmitglieder unterstützt, z. B. wenn das Kind zum Vater eine intuitive Bindung hat, obwohl dieser viel seltener anwesend ist als die Mutter und diese deshalb vielleicht gekränkt ist.

Juul bringt einige Fallgeschichten und Beispiele von Kindern mit kleineren oder größeren Problemen, wo die Anerkennung der intuitiven Verbindung zu einem Elternteil zu einer psychischen Heilung, zu einer Verhaltensänderung führte. Solche Kinder erleben Trennungen oder die Leugung der besonderen Verbindung durch das entsprechende Elternteil nicht nur emotional, sondern als extrem existenziell und kaum zu ertragen, so dass selbst das andere, gut für sie sorgende Elternteil es nicht schafft, sie aus ihrer Melancholie oder Depression herauszuholen. Erst das Bewusstmachen der besonderen Verbindung und damit auch Verantwortung durch die Juulsche Nachhilfe brachte eine deutliche Besserung. Man könnte also auch sagen: du kannst dich noch so gut um dein Kind kümmern und wirst trotzdem nie die tiefgreifende Bedeutung als Rollenvorbild erlangen wie das intuitiv verbundene Elternteil, auch wenn dieses weniger präsent ist. Juul sagt allerdings auch deutlich, dass das andere Elternteil trotzdem genauso wichtig ist - "als das Halt gebende Elternteil" (S. 13). Manchmal spürt auch zuerst das nicht intuitiv verbundene Elternteil die besondere Beziehung der beiden anderen Familienmitglieder und kann sie unterstützen, wenn sie sie selbst verleugnen oder nicht bemerken.

Was bedeuten diese Ausführungen nun für mich und meine Beziehung zu meinen Kindern? Ich kann gleich vorab sagen, dass ich zu keinem abschließenden Urteil gekommen bin. Ich werde über das Thema immer wieder nachdenken und vielleicht bekomme ich auch von euch einige Anregungen. Vom Gefühl her würde ich, wenn wir das Juulsche Konstrukt, was lediglich auf seiner langjährigen Erfahrung und nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, als Grundlage nehmen, eine intuitive Verbindung zu meiner Kleinen sehen. Ich schrieb ja auch schon in dem oben genannten Text: "Meine Beziehung zur Kleinen ist ganz anders. Für mich ist es eine intuitive Beziehung." So fühlte ich es von Anfang an und bis heute. Ich sehe in ihre Augen und spüre tiefes Verstehen. Ich verstehe ihre Gedanken, ihre Handlungen, ihre Probleme. Wir fühlen beide unsere gegenseitige, bedingungslose und schwankungsfreie Zuneigung. Sie gibt mir Kraft und bringt mich oft melancholischen Menschen zum Lachen und Freuen. Ich weiß meist intuitiv, was sie bewegt und wie ich ihr helfen kann. Ob sie mich umgekehrt als Rollenvorbild sieht, weiß ich natürlich nicht. Ich sehe nur, was ich von ihr zurückbekomme, und das ist unheimlich viel. Ohne ihre Zuneigung, ja ohne ihre Existenz würde ich eingehen, das ist ein Kennzeichen einer intuitiven Verbindung. Sie hat ein ganz anderes Temperament als ich, ist mir aber in ihren Denkstrukturen sehr ähnlich. Sie hat mich, die mit ihrer Mutterrolle so oft und lange haderte, mit einer Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit als Mama in Beschlag genommen, die ich bewundere und die mich immer wieder rührt. Ich spüre eine tiefe Bindung zu ihr und bin gespannt, wie wir uns gemeinsam weiterentwickeln.

Nun sagt aber Juul eindeutig, dass eine intuitive Beziehung keine konfliktlose Beziehung sein muss, im Gegenteil, dass sie voller Reibungspunkte sein und sogar aus Enttäuschung bis hin zum Kontaktabbruch führen kann. "Ein intuitiv verbundenes Elternteil wird, wenn es sich seiner Bedeutung im Leben des Kindes nicht bewusst ist, oft sehr destruktive Konfrontationen mit dem Kind erleben. Das passiert, weil das Kind sich danach sehnt, dass das entsprechende Elternteil die besondere Verbindung erkennt und wertschätzt, und weil es frustriert und verzweifelt wird, wenn das nicht geschieht." (S. 59). Und weiter: "Diese Eltern sind oft genauso frustriert, und sie zweifeln an ihrem eigenen Wert als Eltern." (S. 60). Diese Gefühle kenne ich in Hinblick auf meine Beziehung zu meinem Großen nur zu gut, wie beispielsweise in Zweifel am richtigen Weg beschrieben. Ich weiß oft nicht, was der richtige Weg ist, mit ihm umzugehen, das war in der Babyzeit so und setzt sich bis heute fort. Wenn ich in seine Augen schaue, sehe ich viele Fragezeichen und viel Unsicherheit, bei mir und bei ihm. Wir hatten tatsächlich sehr viele destruktive Konfrontationen in unseren bisherigen gemeinsamen Jahren und geraten immer wieder aneinander, weil ich seine Denk- und Handlungsweisen oft überhaupt nicht nachvollziehen kann. Seinen Gemütszustand dagegen schon, seine seelischen Schwankungen, seine hochsensiblen Wesenszüge und sein Bedürfnis nach äußerer Stabilisierung. Darin sind wir uns sehr ähnlich, das erkenne ich sehr wohl. Auch bin ich diejenige, die sein Wesen "übersetzt" für andere Menschen und die er deshalb, das denke ich schon, sehr nötig braucht. Aber vielleicht interpretiere ich dies auch nur hinein, denn gezeigt bekomme ich dies von ihm nicht oder selten. Ich selbst habe eine sehr emotionale Beziehung zu ihm, sein Leid betrifft mich unmittelbar und es lässt mich oft verzweifeln, dass ich ihm so wenig helfen kann. Ich fühle das dringende Bedürfnis und die Verantwortung, gerade ihn bei der Bewältigung seines Lebensweges mit seinen ganz individuellen, nicht einfachen Voraussetzungen zu unterstützen, vor allem beim Umgang mit seinen hochsensiblen Komponenten. Diese Verantwortung fühle ich für ihn viel stärker als für die Kleine. Aber eine intuitive Beziehung spüre ich nicht zu ihm.

Aber was ist, wenn er sie beispielsweise zu einem von uns fühlt und das Gefühl hat, dass ich (oder sein Papa) sie nicht anerkenne? Und es deshalb immer wieder zu Konflikten und Missverständnissen kommt bzw. er Kontakt einfordert? "Für das Kind ist das ein grundlegendes existenzielles Bedürfnis, das das Potential hat, für das intuitiv mit ihm verbundene Elternteil zu einer existenziellen Herausforderung zu werden." (S. 59f.). Und als eine für mich existenzielle Herausforderung habe ich meinen Großen schon immer empfunden, wie ich auch in dem Text Liebe fühlt sich sehr verschieden an schon schrieb. Es ist unheimlich schwierig, da die "richtigen" Beweggründe zu erkennen und ich hätte mir gewünscht, dass Juul noch mehr Anzeichen, an denen man eine intuitive Verbindung erkennt, beschreibt. Da ich selbst keine intuitive Verbindung zu einem meiner eigenen Elternteile spüre, ist es für mich auch Neuland, obwohl ich die Existenz solcher Beziehungen durchaus für wahrscheinlich halte. Vielleicht fühlt er auch eine intuitive Verbindung zu seinem Opa, meinem Vater, zu dem er wirklich eine ganz besonders enge Beziehung hat und den er unter Umständen als Rollenvorbild sieht. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass so etwas auch eine Generation überspringen kann. Aber das ist alles Spekulation. Letztendlich gilt, was Juul betont: "Kein Außenstehender - sei es ein Familienmitglied, ein Freund oder eine Therapeutin - kann feststellen, ob die intuitive Verbindung in einer bestehenden Eltern-Kind-Konstellation wirklich existiert. Sie kann von anderen als Möglichkeit formuliert werden, doch bestätigt werden kann sie nur von dem betreffenden Erwachsenen und dem betreffenden Kind." (S. 18). Und dazu müssen sicherlich noch einige Jahre ins Land gehen.

Das kleine Heft von 75 Seiten über Die intuitive Verbindung ist wahnsinnig interessant zu lesen und rührt an einem sehr emotional besetzten Thema, weshalb Juul selbst sich bis dahin nur mündlich darüber äußerte. Er möchte aber vor allem "die Leser dazu anregen, sich und ihre Kinder in einem anderen Licht zu sehen" (S. 8), und er hat durch die Lektüre auf jeden Fall bei mir noch mehr die Sensibilität für dieses Thema gesteigert. Zu einem endgültigen Ergebnis bin ich nicht gekommen und ich bin gespannt, was ihr dazu sagt. Spürt ihr zu einem Kind eine besondere, intuitive Verbindung? Habt ihr vielleicht sogar zu einem eurer Eltern eine solche Beziehung? Wie geht ihr damit um? Was meint ihr zu den Juulschen Gedanken? Wie gesagt, die Vorstellung der intuitiven Verbindung beruht auf der Juulschen Erfahrungswelt und nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wer schon einmal an anderer Stelle über dieses Thema gelesen hat, kann mir gern Tipps und Links hier lassen.

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Freitag, 25. März 2016

Chronik eines Backvormittages mit Hindernissen

Karfreitag. Ich wache mit migräneartigen Kopfschmerzen auf. Zum Glück die Variante ohne Übelkeit und Erbrechen. Ich werfe als erstes eine Schmerztablette ein. Der Mann kontert mit einer pünktlich zu den Feiertagen beginnenden Erkältung. Die Kleine hatte 24 Stunden vorher Magen-Darm (ohne Darm), war aber am Vorabend wieder fit gewesen. Nun lief ihr plötzlich grüner Rotz aus der Nase. Wie so etwas über Nacht immer kommt...? Eigentlich hatte der Große angekündigt, dass er am Morgen allein beim Backshop an der Ecke frische Brötchen holt (der Mann wäre natürlich heimlich hinterhergelaufen). Da man sich dafür aber anziehen muss, was der Große bekanntlich überhaupt nicht mag, gingen dann doch der Mann und die Kleine Brötchen kaufen. Der Große motzte standesgemäß erstmal eine Weile herum.

Beim Frühstück kündigte ich an, dass ich den Vormittag mit den Kindern allein übernehme, damit der Mann sich ausruhen kann, und schlug vor, Osternester nach Berlinmittemom zu backen, was ich noch nie gemacht hatte. Die Kinder schienen begeistert zu sein. Ich bereitete einiges vor, damit wir gleich loslegen konnten, denn jede noch so kleine Pause bedeutet, dass die Kinder anfangen, Unfug zu machen:-). Wir legten los. Die Kinder schütteten abwechselnd die Zutaten in die Schüssel, doch selbst das strikte und gerechte abwechselnde Schütten führte zu kleineren Unmutsäußerungen. Geschwister halt. Dann kam das Rührgerät zum Einsatz, vor dem die Kleine immer noch Angst hat. Ich rührte erst auf kleiner Stufe, die Kinder durften natürlich auch, doch irgendwann muss man ja dann auch mal richtig rühren. Da beide Kinder sich keinen Zentimeter zur Seite bewegten und schauen wollten, verrenkte ich mich fast. Daneben muss ich immer noch aufpassen, dass die Kleine nicht vom Stuhl fällt (alles schon passiert). Als das Rührgerät lauter wurde, haute die Kleine ab und suchte den Papa. Rührgerät aus, Predigt an die Kinder, den Papa doch bitte in Ruhe zu lassen, wenn er sich ausruht und ich mit ihnen backe. Die Kleine fängt an zu weinen und will nicht mehr mitmachen. Ich tröste und rühre dann mit dem Großen den Teig weiter. Die Kleine weint wieder, gähnt und jammert. Ich pausiere, sie wirkt warm, ich messe Temperatur, 38.2°C. Mist, ein neuer Infekt! Es ist erst 9:30 Uhr, ich mache mir Sorgen, ob sie bis zum Mittag durchhält.

Als der Teig fertig ist, muss er für mindestens eine halbe Stunde aufgehen. Mit Kindern ist so eine Wartezeit immer doof. Da ich vorausschauend denke (Achtung: Eigenlob), hatte ich schon vorbereitet, dass wir noch Osterplätzchen backen würden. Also stellten wir den Hefeteig warm und machten direkt mit dem Plätzchenteig weiter. Gleiches Prozedere wie vorher, gleiche Auseinandersetzungen wie vorher. Beim Rühren nahm ich die Kleine auf den Arm, was mir meine Orthopädin nur noch für Ausnahmefälle erlaubt hat. Naja, mit kleinen Kindern gibt's viele Ausnahmefälle. Als wir fertig waren, musste der Plätzchenteig für 1 Stunde in den Kühlschrank. Wieder eine doofe Wartezeit, wieder erklären, beschwichtigen, hinauszögern. Mittlerweile sollte der Hefeteig fertig sein und ich hoffte, direkt mit den Osternestern weitermachen zu können. Doch oh Schreck, der Teig war total matschig und klebrig und man konnte überhaupt nichts mit ihm anfangen! Ich knetete nochmal, aber es wurde nicht besser. Mist! Die Kinder wurden unruhig, meine Migräne verschlimmerte sich wieder, die Tablette ließ nach. Der Hefeteig war unbrauchbar, der Plätzchenteig müsste mindestens noch eine halbe Stunde kühlen. Was machen?!

Quelle: Pixabay

Ich legte Obst auf den Tisch und wir fingen an, für einen Obstsalat zu schnippeln. Die dritte Baustelle also, zwischendurch immer Saubermachen, Klamotten abklopfen, Hände waschen (sehr ungeliebt!) und motivieren. Der Geschirrspüler lief gerade, man konnte also nichts hineinräumen und alles stapelte sich auf den Arbeitsflächen. Das Obst-Schnippeln machten sie echt toll und hingebungsvoll, aßen aber später nichts davon (gemischtes Zeug essen sie nicht). Zwischendurch ließ ich den Hefeteig noch weiter gehen, in der Hoffnung, dass er sich hin zu einer Verwertbarkeit entwickeln würde. Dann war endlich der Plätzchenteig fertig. Yeah! Wir bemehlten den Tisch, rollten den Teig aus und los ging die muntere Ausstecherei. Komischerweise macht das Ausstechen (meinen) Kindern viel weniger Spaß, als ich früher immer dachte. Wenigstens endet es mittlerweile nicht mehr so in einem Mehlmassaker wie früher, als sie kleiner waren. Die Kleine gähnte und jammerte, der Große stach aus und ich versuchte, mir schon Gedanken über das Mittagessen zu machen. Dann wurden die Plätzchen gebacken, ich beseitigte das Chaos und die Kinder gingen nach nebenan. Ich bat den Großen, die Kleine ein bisschen zu bespaßen, da sie schon wieder zum Papa wollte, was er nach einigen Anfangsschwierigkeiten auch machte.

Für mich ging es direkt weiter mit Mittagessen machen. Nochmal eine halbe Stunde Küche, noch mehr herumstehendes Zeug. Die Kleine rief immer wieder "Mama, ich bin schon so müde!" (einfach auf dem Sofa einschlafen geht bei meinen Kindern nicht). Ich warf noch schnell den misslungenen Hefeteig als kleine Häufchen in den Backofen. Hab ich den Kindern später als Milchbrötchen verkauft. In dem Moment, wo das Essen fertig war, hatte auch der Geschirrspüler endlich sein Programm beendet. Egal. Erstmal essen und dann schnell ins Bett. Die Kleine aß null. Ich komplimentierte sie mit Papa ins Bett. Dann wartete wieder die Küche auf mich, bevor ich auf dem Sofa zusammensank. Das war ein Vormittag von 4 freien, zu gestaltenden Tagen. Arbeiten ist dagegen ein Klacks. Uff!


Montag, 21. März 2016

Ins Kino mit der Kita?

Ich hatte in der vergangenen Woche sehr spontan eine Entscheidung für meinen Großen zu treffen, deren Für und Wider abzuwägen mir nicht leicht fiel. Wer mir auf Twitter folgt, hat es schon mitbekommen: es ging um einen Kinobesuch des Großen mit seiner Kitagruppe. Am Mittwoch Nachmittag las ich beim Abholen der Kinder einen kleinen Aushang, dass am Donnerstag alle 4-5-Jährigen vormittags mit der Kita ins Kino gehen würden. Diese Info hatte am Vortag noch nicht da gestanden. Da weitere Details fehlten, kehrte ich mit den Kindern noch einmal in den Kita-Garten zurück und befragte eine Erzieherin des großen Elementarbereichs dazu. Viel wusste sie nicht, nur, dass ein 45-minütiger Kinderfilm gezeigt wird in einem großen kommerziellen Kino, ca. eine halbe Stunde von der Kita entfernt. Die Bezugserzieherin des Großen, die dies organisiert hat, war noch im Urlaub und keiner wusste Näheres. Da mittlere Panik in mir aufstieg, fragte ich gleich, ob es möglich wäre, dass der Große dann in der Kita bleibt, was bejaht wurde. Ich verblieb so, dass wir es zuhause beraten und dann entscheiden würden.

Den Nachmittag über grübelte ich, soweit möglich, darüber nach und hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl dabei. Der erste Impuls war ganz deutlich, ihn davon auszunehmen und in der Kita zu lassen. Er war noch nie zuvor im Kino gewesen. Wir schauen kein Fernsehen zuhause mit den Kindern, er ist also keine großen Bildschirme/ Leinwände gewöhnt. Er ist äußerst lärmempfindlich und dieses Kino ist ein "lautes" Kino. Die Dunkelheit wird ihm Angst einjagen. Es wäre niemand mit dabei, der ihn beobachten und ggf. auffangen könnte. Und der Kitatag würde danach noch weitergehen (die Vorstellung war um 10 Uhr), d.h. ein eventuelles seelisches Durcheinander des Großen bliebe bis zum Nachmittag bestehen. Mir spukte deutlich ein vor längerer Zeit gelesener Text des Blogs Familiewitz im Kopf herum, in dem es um das Scheitern des ersten Kinobesuchs des gleichaltrigen, ebenfalls hochsensiblen Sohnes der Familie trotz optimaler Voraussetzungen geht. Schon damals beim Lesen sah ich die große Wahrscheinlichkeit, dass es mit unserem Großen genauso ablaufen könnte. Unter anderem deshalb hatte ich bisher einen Kinobesuch noch erfolgreich hinausgezögert und wollte dies eigentlich noch eine Weile aufrechterhalten. Und irgendwann, wenn ich ihn für weit genug in seiner Entwicklung hielt, sollten wir, die Eltern, ihn selbstverständlich beim ersten Besuch begleiten und auffangen.

Quelle: Pixabay

Und nun befand ich mich in der Zwangslage, eine schnelle Entscheidung bis zum nächsten Tag treffen zu müssen. Ich weiß, dass die Gruppendynamik noch einmal andere Impulse setzt als die Eltern. Ich möchte ihn auch weder von der Gruppe separieren, als Außenseiter dastehen lassen noch ihn übermäßig in Watte packen und Sonderbehandlungen einfordern. Ich bin der festen Überzeugung, dass gesunde Herausforderungen für solche Charaktere wie meinen Großen sehr wichtig sind. Allerdings begleitet von vertrauten Personen und den jeweiligen Fähigkeiten und Voraussetzungen angemessen. Beides sah ich hierbei nicht. Ich war also hin- und hergerissen zwischen einerseits meinen großen Bauchschmerzen bezüglich seines ersten Kinobesuchs überhaupt, und dann noch mit der Kita, und andererseits dem Wunsch, ihm diese Gruppenerfahrung nicht vorenthalten zu wollen und ihn nicht ins Abseits zu stellen. Man hofft ja auch oft, dass die Gemeinschaft in der Gruppe viele individuell vielleicht unangenehmen Gefühle nivelliert. Allerdings weiß ich aus Erfahrung, dass dies bei mir selbst nicht bis sehr selten der Fall war bzw. die Anstrengung, die das Mithalten in der Gruppe erfordert, so kräftezehrend ist, dass es danach zu einem Zusammenbruch in der vertrauten Umgebung kommt. Wir haben dies ja auch schon mehrfach bei ihm erlebt, dass Erfahrungen, die andere Kinder als durchgehend positiv und anregend empfinden, ihn komplett durcheinander brachten und sogar zu Krankheit führten, wie z.B. die beiden Kita-Übernachtungen. Es kam also vieles an Gedanken und Gefühlen bei mir zusammen und ich zermarterte mir das Hirn.

Zuhause erzählte ich meinem Mann davon und erwartungsgemäß sah er es nicht als großes Problem. Für ihn stand im Vordergrund, den Großen nicht aus der Gruppe herauszureißen. Die individuellen Folgen einer schlechten Erfahrung bedachte er, glaube ich, nicht in dieser Tragweite. Er recherchierte aber, um welche Filme es sich denn überhaupt handelte. Es ging um 2 sehr harmlose Osterfilme, das ganze Angebot nennt sich Spatzenkino. Die Gesamtlänge betrug 45 Minuten. Ich möchte noch einmal betonen, dass unsere Kinder in keinster Weise medienlos aufwachsen oder Ähnliches. Sie benutzen das Handy, spielen am Tablet und schauen kürzere Filmchen am PC und Tablet. Sie sind beide sehr versiert in der Benutzung dieser Geräte und mögen das sehr. Ich hatte auch gar kein Problem mit der Gesamtlänge, das kommt hier auch manchmal vor, vor allem beim Großen zu frühmorgendlicher Stunde, in der Mittagspause oder bei Krankheit der Eltern. Ich halte es für durchaus notwendig, dass Kinder sich sowohl technisch als auch figurenmäßig damit auskennen. Wovon ich allerdings gar nichts halte, ist eine durchgehende oder stundenlange TV-Berieselung, zumal der Bildschirm um ein Vielfaches größer ist und die Eindrücke dementsprechend direkter und überfrachtender wirken. Da hochsensible Kinder nicht gut filtern können, prasselt alles in voller Wucht in ihre Köpfe rein und überfordert sie. Deshalb möchten wir den TV so lange wie möglich unbeachtet lassen und haben dies bisher 5 Jahre lang tatsächlich geschafft. Das ist unser persönlicher Weg, ich möchte damit in keinster Weise andere Wege anprangern, aber auch unseren nicht diskutieren müssen.

Ich rief eine Freundin an, die eine Erzieherausbildung macht. Abgesehen davon, dass sie es (wie ich selbst auch) für zu früh hielt, mit 4-5jährigen Kitakindern ins Kino zu gehen, berichtete sie davon, dass selbst im Kindertheater einige Kinder zu weinen anfangen, wenn es dunkel wird. Sie konnte alle meine Pro-und Contra-Beweggründe nachvollziehen und plädierte dafür, ihn nur mitgehen zu lassen, wenn gewährleistet ist, dass sich eine vertraute Bezugsperson, die ihn gut kennt, in seiner direkten Nähe befindet. Also mailte ich seiner langjährigen Bezugserzieherin, die noch im Urlaub war. Zum Glück schrieb sie schnell und vor allem sehr respektvoll und voller Akzeptanz zurück: zwar wäre sie am nächsten Tag wieder in der Kita, würde aber nicht mit ins Kino gehen, sondern mit einigen der älteren Kinder Kuchen backen. Wir könnten den Großen gern in der Kita lassen, sie würde ihn auffangen, wenn er traurig wäre, weil seine Freunde ins Kino gehen. Ich war so erleichtert, dass ich anfing zu weinen. Nicht nur konnte ich nun eine Entscheidung treffen, die ich für richtig hielt, sondern sie fiel mir sogar leicht, weil sie abgefedert war. Und meine Bedenken nicht etwa lächerlich gemacht wurden oder versucht wurde, mich umzustimmen, sondern einfach respektiert wurde, dass eine Mutter ihr Kind am besten kennt und eine gute Erzieherin dies unterstützen sollte, egal ob sie die Beweggründe der Mutter für richtig oder falsch hält. Mit dieser Mail merkte ich wieder einmal, was für eine tolle Bezugserzieherin es ist, die der Große seit mittlerweile 3 1/2 Jahren hat. Da habe ich schon anderes erlebt.

Beim Frühstück am nächsten Tag bereiteten wir den Großen darauf vor, dass er in der Kita bleibt, während seine Gruppe ins Kino geht. Er akzeptierte das problemlos. Ich fragte ihn, was er erwidern würde, wenn seine Freunde ihn fragen, warum er nicht mitkommt. Er sagte: "Weil meine Eltern das nicht erlauben." Ich habe das sanft korrigiert und ihm gesagt, dass wir selbst gern das erste Mal mit ihm ins Kino gehen wollen, weil wir auf ihn aufpassen wollen, falls er sich unwohl fühlt oder es ihm nicht gefällt. Ich sagte, Kino kann toll sein, aber wenn man es nicht kennt, kann es einem auch zuviel werden. Am Nachmittag beim Abholen wirkte er total ausgeglichen und seine Erzieherin bestätigte mir, dass das Dableiben kein Problem gewesen sei. Auch für ihn selbst war es auf Nachfrage okay. Ich hörte dann nachträglich, dass zwar 3 Erzieher mit im Kino gewesen sind, aber zu keinem der 3 hat er eine enge Bindung und keinem von ihnen traue ich zu, den Großen angemessen aufzufangen, falls es ihn überfordert hätte. Ein Mädchen hat wohl tatsächlich auch geweint. Ich war sehr im Einklang mit unserer Entscheidung, beruhigt und überzeugt, dass es so richtig war.

Am nächsten Tag (Freitag) war ich dann selbst nachmittags nach der Arbeit wiedermal im Kino (weil ich abends ja nicht weg kann) und stellte wie jedes Mal fest, wie laut und vereinnahmend die Atmosphäre in einem Kinosaal ist. Die Leinwand ist riesig, der Sound ist ohrenbetäubend und die Bilder schnell und verwirrend. Für jemanden, der das nicht kennt, muss es eine beängstigende Erfahrung sein. Erst recht für ein 5-jähriges, hochsensibles, lärmempfindliches Kind. Und ich erinnere mich noch gut daran, wie ich beim ersten "Herr der Ringe"-Film tatsächlich wegen akuter Reizüberflutung in den Vorraum des Kinos kotzte. Mir war nicht übel und ich fand den Film megatoll, aber die Bilder stifteten solch ein Durcheinander im Kopf und Körper an, dass ich erbrechen musste. Sicherlich eine Extremerfahrung, aber schon allein die Vorstellung, dass dem Großen das eventuell ähnlich ergehen mag, weil er wie ich vieles ungefiltert in sich aufnimmt, verursacht mir Bauchschmerzen. Insofern denke ich, haben wir aus unserer Perspektive, mit unseren Voraussetzungen alles richtig gemacht und ich bin sehr froh über die Unterstützung der Kita gewesen.

Im April wird das gleiche Problem noch einmal auf der Tagesordnung stehen und wir werden sehen, wie wir uns dann entscheiden. Dann geht nämlich wahrscheinlich seine Bezugserzieherin mit ins Kino.

Nachtrag vom 20.4.16:
Morgen wäre der Termin, wo die Großen aus der Kita, die beim ersten Mal nicht mit waren, ins Kino gehen würden. Das erzählte mir die Bezugserzieherin heute. Sie geht mit. Seine Freunde waren ja alle schon und bleiben in der Kita. Ohne zu zögern habe ich beschlossen, dass er auch in der Kita bleibt. Bei seinen Freunden.

Donnerstag, 17. März 2016

Rollen und Verwandlungen

So, wie wir Erwachsene im Kontakt mit anderen Menschen verschiedene Rollen einnehmen, so erlebe ich das bei meinen Kindern, vor allem meinem Sohn, auch schon. Es gibt die Freunde, mit denen herumgeblödelt wird. Es gibt einige, mit denen über die körperliche Ebene kommuniziert wird. Es gibt die Freundin, mit der nicht gespielt, sondern herumgestanden und erzählt wird. Wir sagen immer, sie führen wieder ihre strategischen Gespräche. Es gibt den Freund, mit dem er sich wie blind versteht und sich nach der Phase des Platzhirsch-Gehabes super zusammengerauft hat. Mit dem er erzählen und spielen kann, von dessen Spielfreude und Aktivität er Anregungen erhält und mit dem es kaum noch Konflikte gibt. Es gibt den geliebten Opa, mit dem er sich ganz langsam und ernsthaft unterhält und dem er völlig unkritisch begegnet. Es gibt weiterhin die Bezugserzieherin, deren Vorzeigekind er ist. Es gibt den Papa, an dem er sich oft reibt, es aber gleichzeitig genießt, wenn dieser sich intensiv beim Lego-Bauen oder anderen Spielen auf ihn einlässt. Und es gibt die Mama, die er immer noch als letzte Tröst- und Regulationsinstanz braucht und von der er eine sicherlich manchmal verstörende Mischung aus tiefem Verständnis und gleichzeitiger Ungeduld spürt.

Quelle: Pixabay

Verhaltet ihr euch bei allen Menschen gleich? Ich nicht. Es gibt Menschen, mit denen man herumalbern und Späße machen kann. Es gibt die, die Ironie und Sarkasmus verstehen und benutzen, ohne zu verletzen. Es gibt Leute, mit denen das Gespräch immer wieder stockt und nicht ins Fließen kommt, egal was man macht. Es gibt Menschen, mit denen könnte man jeden Tag über die gleichen Probleme erzählen, ohne dass es langweilig wird. Es gibt Menschen, bei denen man innerlich mit den Augen rollt, wenn sie den Mund aufmachen. Bei manchen gibt es nur Missverständnisse, egal was man sagt. Manch eine Beziehung ist von Erfahrungen aus der Vergangenheit geprägt, was man immer noch spürt. Bei einigen wenigen fließt es einfach. Da sind Menschen, die einem selbst ähnlich sind, aber trotzdem fremd, weil sie so anders mit ihren Anlagen umgehen als man selbst. Und Menschen, die anders ticken, mit denen man sich aber trotzdem ausführlich und respektvoll austauschen kann. Bei einigen nimmt man die Rolle eines Grüblers ein, bei anderen ist man fröhlich und lustig, bei wieder anderen kann man reden wie ein Buch. Das sind die verschiedenen Rollen, die wir ausfüllen.

Ich finde es spannend, dass man dies auch schon bei Kindern bemerkt. Mein Großer nimmt eindeutig verschiedene Rollen ein, je nachdem, mit wem er zu tun hat, und es ist spannend, ihn dabei zu beobachten. Manchmal kommen ganz neue Aspekte und Wesenzüge hervor, die das Bild von ihm ergänzen oder komplettieren. Ab und zu bin ich überrascht, wie locker-flockig er sich geben kann. Auf den rauen körperbetonten Umgangston einiger Kitafreunde kann er durchaus streckenweise eingehen, auch wenn ihm das eigentlich nicht liegt, wie man deutlich merkt. Auch das unter Kindern weit verbreitete gegenseitige Übertrumpfen kann er teilweise mitmachen, obwohl es nicht seinem Naturell entspricht. Bände gestaunt habe ich, als er sich bei einer Rittershow auf die Bühne getraut und bei Spielen mitgemacht hat. Und als er bei der Eingewöhnung in seiner ersten Kita wie erstarrt am Fleck gestanden und sich keinen Millimeter bewegt hat, das Kind, das zuhause zu diesem Zeitpunkt nicht eine Sekunde still saß oder stand, da kannte ich mein eigenes Kind nicht mehr. Sind wir allein im Garten, wird um das Planschbecken ein großer Bogen gemacht. Ist sein Freund dabei, sieht das schon ganz anders aus. Verschiedene Kinder, Erwachsene und Situationen rufen unterschiedliche Eigenschaften und Verhaltenweisen in ihm hervor. Und man selbst ist ja auch überrascht davon, was in einem schlummert, weil man sich in einer bestimmten Art und Weise wahrnimmt. Aber manche Menschen schaffen es, noch mehr oder andere Seiten hervorzukitzeln.

Bei der Kleinen ist es ähnlich. Sie kann ein Clown sein und setzt viel lustige Mimik ein. Sie kann schäkern und ihren Charme spielen lassen. Manchmal ist sie eine Dramaqueen und man sieht, wie sie die Tränen bewusst rausdrückt (ich tröste sie natürlich dann trotzdem). Im Indoorspielplatz zusammen mit ihrem Bruder ist sie die Forschere, Abenteuerlustigere, Mutigere unserer beiden Kinder. Sobald der Große aber nicht dabei ist, traut sie sich nicht allein hinein. Sie kann schüchtern und zurückhaltend sein, aber auch durchsetzungsstark und vehement. Gegenüber ihrer besten Freundin wirkt sie wie ein Energiebündel (was sie auch ist). Bei wieder anderen Kindern steht sie scheu da und staunt, was diese für Ideen entwickeln. Sie ist grundsätzlich kontaktfreudiger und offener als der Große, aber bei Oma und Opa fällt es ihr schwerer als ihm, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Zuhause ist sie ein lustiges, fröhliches, sehr bewusstes Mädchen, was positive Energie verbreitet und alle für sich einnimmt. In ihrer Kitagruppe gehört sie immer noch zu den zurückhaltenderen Kindern. Sicherlich sehr spannend auch für sie selber, sich in diesen verschiedenen Rollen zu erleben. So lernen die Kinder sich selbst, wir die Kinder, die Kinder uns und wir uns selbst in ganz verschiedenen Qualitäten und Ausprägungen kennen, durch das Zusammenspiel mit anderen Menschen.

Wie ist das bei euch und euren Kindern, kennt ihr das auch? Seid ihr auch erstaunt, wenn ihr neue Seiten an euren Kindern entdeckt, die erst durch den Kontakt zu anderen Kindern/Menschen zum Vorschein kommen?

Sonntag, 13. März 2016

Ein Reise-Experiment mit den Kindern

Ich habe mich getraut und ein Experiment gewagt, das lange Zeit sowohl logistisch, aber vor allem nervlich und kräftemäßig meinerseits nicht möglich gewesen wäre: ich habe mit den Kindern und meinen Eltern einen Kurzurlaub in unserem Lieblingsferienpark, den die Kinder kennen und mögen, verbracht. Bisher war ich erst ein Mal, im September letzten Jahres, mit beiden Kindern bei meinen Eltern gewesen, da die Fahrtstrecke einfach zu lang ist. Das war für mich schon eine recht aufregende Herausforderung gewesen und ein Stein fiel mir vom Herzen, als wir wohlbehalten und ohne Katastrophen wieder zuhause waren. Nun wollte ich mir gern einen weiteren Schritt zutrauen und einen Kurzurlaub zusammen verbringen. Ganz allein mit den Kindern würde ich definitiv noch nicht und erst recht nicht im Moment, wo wir gesundheitlich alle so instabil waren/sind, verreisen. Deshalb holte ich meine Eltern ins Boot. Da ich noch Resturlaub hatte, schlug ich unseren bekannten Ferienpark vor und wir buchten zwei Appartments für 3 Nächte. Zusätzlich musste ich die An- und Abfahrt organisieren, da ich trotz Führerscheins leider seit Jahren nicht mehr Auto fahre, was meine Flexibilität zumindest außerhalb Berlins ziemlich einschränkt.

Was hinzukam, waren die Überlegungen, ob sich Aufwand und Nutzen die Waage halten würden. Aus Erfahrung weiß ich mittlerweile, dass ich erstens immer zuviel Entlastung von solchen Aktionen erwarte und zweitens die potentiell entlastenden Personen oft sogar noch eine zusätzliche BElastung sein können, weil sie Unruhe, Unkenntnis der Kinder, ungeliebte Erziehungsvorstellungen und -praktiken und ihrerseits eine Erwartungshaltung, die ich nicht zu erfüllen gewillt bin, mitbringen, was sich schon oft zu einer explosiven Mischung hochschaukelte. Insofern ist eine solche Unternehmung ein Risiko und mit viel Aufregung und Nervosität verbunden. Da ich immer alle Möglichkeiten vorher durchdenke, wäre das schwierigste Problem gewesen, wenn ich akut ausgefallen wäre, z.B. durch Magen-Darm, und meine Eltern allein verantwortlich für die Kinder gewesen wären. In der vertrauten Umgebung hätte dies aber sicherlich auch funktioniert.


Wir fuhren am Mittwoch, 9. März, mittags mit dem Fernbus ab, nachdem uns mein Mann zum Abfahrtsort gebracht hatte, da dies mit Koffer, Buggy, Autokindersitz (den die Kleine im Bus noch braucht), Rucksäcken und 2 Kindern für mich allein schlicht nicht möglich gewesen wäre. Das ist auch ein Faktor, der solche Aktionen sehr umständlich macht. Mit dem Zug fahren möchte ich aber nicht, da die Kleine zur Zeit gern und oft wegläuft und keine Scheu hätte, durch den gesamten Zug zu entwischen. Das wäre definitiv zu stressig. Die Fahrt verlief bis auf ein fast durchgehend quengelndes Baby gut, meine Eltern holten uns ab und wir fuhren zusammen in den Ferienpark, bezogen unsere Appartments und machten danach noch einen sonnigen Spaziergang inkl. Spielplatzbesuch. Ich hatte vorher klar kommuniziert, dass ich mich nicht um Nahrung und Essenmachen kümmern und an den Vormittagen gern Freizeit haben möchte. Meine Eltern verbrachten also die Vormittage mit den Kindern im Kinderhaus bzw. auf dem Spielplatz und meine Mutter kümmerte sich um jede Mahlzeit, so dass ich gar nichts im Kühlschrank unseres Appartments hatte. An den Nachmittagen unternahmen wir etwas gemeinsam. Das finde ich erstmal grundsätzlich einen fairen Deal und er wurde auch eingehalten, auch wenn ich morgens Druck machen musste, damit die Meute tatsächlich verschwindet.

Ausflug in den Wildpark

Was ich mir insgeheim versprochen hatte, war, dass der Große sich komplett bei meinen Eltern im Appartment einquartiert und ich mich somit generell nur um ein Kind zu kümmern hätte. Das wollten meine Eltern aus Ansteckungsgründen nicht (sie waren erkältet, wir aber auch). So hatte ich täglich beide Kinder allein morgens und abends fertigzumachen und zum Mittagsschlaf sowie abends ins Bett zu bringen, was zwar kein Problem ist, was ich aber zuhause zum Glück nicht oft habe. Tatsächlich war es das erste Mal, dass ich drei Tage am Stück beide Kinder allein ins Bett gebracht habe. Das war also "Mehrarbeit" für mich. Ebenso war mein Feierabend kürzer als zuhause, weil ich vorsorglich früher ins Bett gegangen bin. Man weiß ja nie, wann die Kinder wach werden; zuhause beschäftigen sie sich meist morgens noch allein im Kinderzimmer, aber im Urlaub ist das was anderes. Dafür hatte ich etwas früher als zuhause Feierabend, weil ich das Programm gestrafft habe und die Kinder wegen ausgefallenem bzw. kurzem Mittagsschlaf müde waren. Rechnet man nun die mit den Kindern verbrachten Stunden gegeneinander, so ergibt sich ein Verhältnis von 21 h bei mir vs 9-10 h pro Tag bei meinen Eltern. Also irgendwie nicht so befriedigend. Klar hatte ich in der gemeinsamen Zeit Entlastung und die Kinder liefen gern hinüber ins Appartment, aber generell habe ich, wenn ich anwesend bin, ja schon die Verantwortung für die Kinder. Außerdem blieben damit die "unangenehmen" Aufgaben an mir allein hängen. Das hatte ich mir ein wenig anders vorgestellt, auch wenn es natürlich funktionierte. Ich hoffte, dass wenigstens der Große ganztags und auch nachts in ihre Verantwortung übergeht. Dafür war keine Bereitschaft da und das finde ich traurig, wenn man schon zum ersten Mal mit den Enkeln Urlaub macht. Ebenso werden die Kinder nicht aus eigenem Antrieb mal auf einen Ganztagesausflug mitgenommen, um mich etwas länger zu entlasten.

Fußball mit Opa

Die Kinder verhielten sich in der ganzen Zeit sehr verträglich, es gab kaum Streit, Zickereien, Querelen und Kämpfe. Es wurde so gut wie gar nicht gebockt, gemotzt, gequengelt und sabotiert, sie waren so pflegeleicht, wie wir sie zuhause nie erleben. Der Große hatte fast durchgehend gute Laune, eine erstaunliche Leistung im Vergleich zu sonst. Er genoss die volle Aufmerksamkeit des Opas und musste sich nicht an seiner Schwester oder mir abarbeiten. Auch auf Bitten und Anweisungen reagierten sie schneller und kooperativer als zuhause. Schon lustig. Davon profitierte ich natürlich auch. Im Laufe der Tage ließ diese Wirkung allerdings nach und sie wurden wieder "normaler". Das war interessant zu sehen. Sie krochen dann wieder während der Mahlzeiten unter den Tisch, mussten beim Essen dringend auf die Toilette, meckerten beim Anziehen und wurden fordernder, was am Anfang nicht der Fall war. Ich denke also, würden sie mehr Zeit als alle paar Monate mal mit den Großeltern verbringen, würden sie sich fast wie zuhause verhalten. Leider hatte die Kleine ab dem 3. Tag erhöhte Temperatur und auch ich war ja etwas erkältet. An den Nachmittagen machten wir kleinere Ausflüge zu fünft. Ansonsten blieb der Rhythmus so wie zuhause. Das Wetter war außer am ersten Sonnenscheintag neblig und kalt, aber trocken.

Neblig und rau war es

Am Samstag, 12. März, fuhren wir mittags mit dem Fernbus wieder nach Hause. Das war wieder total entspannend und bequem. Mein Mann holte uns ab und die Kinder fremdelten weniger als beim letzten Mal. Am Nachmittag wurde gespielt, der Große hatte sich sehr auf seine erst frischen Geburtstagsgeschenke gefreut und ich war am Abend ziemlich müde und kaputt. Die Anspannung fiel ab...

Insgesamt würde ich sagen, war es zwar eine nette Abwechslung für mich, die ab und zu Ortsveränderungen mag und braucht, und auch nicht besonders stressig, aber der Nutzen, sprich Entlastungseffekt (2 x 2,5 h Freizeit + Essenszubereitung) wiegt den Aufwand bzw. die Aufregung irgendwie nicht auf. Das wäre erst der Fall, wenn ich ganze Tage entlastet oder auch vom Morgen- und Abendprogramm befreit wäre. Dann würde man sicherlich einen deutlicheren Entspannungseffekt merken. In 2,5 h MeTime schaffe ich es nicht annähernd, mich runterzufahren vom Dauerstress der letzten 5 Jahre. Das ist zuhause genauso.

Ich bin trotzdem stolz und zufrieden, dass alles so gut geklappt hat. Ich war die Ruhe in Person mit den Kindern, hatte alles gut im Griff und wir waren ein super Team. Die Kinder hatten Abwechslung durch die Großeltern und mich als sichere Bank im Hintergrund. Das ist für sie bestimmt schon beruhigender, als wenn sie ganz allein mit den Großeltern sind. Ich konnte auf vieles achten, was die Großeltern vernachlässigen, einerseits, weil sie die Kinder nicht so gut kennen, andererseits, weil sie es selbst anders gehandhabt haben. Das betrifft solche Dinge wie zu heißes Essen servieren, als auch das gleichberechtigte Einbeziehen und Befragen der Kinder. Da konnte ich einige Defizite auffangen. Der Große war beispielsweise auch danach viel ausgeglichener als sonst, wenn er ganz allein 3 Tage bei den Großeltern ist. Da merkt man dann nämlich zuhause schon, dass er einiges kompensieren muss.


Natürlich verspürte ich auch ein wenig Neid (vor allem im Vorfeld) auf meinen Mann, der nun die zweite Auszeit ohne uns genießen konnte. Zwar ist das, was er in 5 Jahren Papasein bisher an mehrtägigen Pausen (bzw. über Nacht) hatte, auch verschwindend gering, aber es ist eben trotzdem das Vielfache von dem, was ich habe. Und es ist genau das, was ich mir auch mal wünschen würde, was aber im Moment (bzw. seit 5 Jahren) einfach nicht machbar ist. Die einzige Zeitspanne, in der dies möglich gewesen wäre, habe ich nicht genutzt. Das waren die wenigen Monate vor der Geburt der Kleinen, als der Papa es schaffte, den Großen allein nachts zu betreuen. Ich habe ja nicht damit gerechnet, dass die Kleine sich jahrelang so vehement gegen jeden anderen Schlafpartner außer Mama wehrt. So lange sie selbst niemand anderes außer Mama im Buggy schieben darf, wird sie mich auch nachts einfordern:-). Aber auch dies wird kommen.

Die Zeit mit den Kindern war schön, ruhig und wir sind noch mehr, als ohnehin schon, zusammengewachsen. Ich war ausgeglichen und nicht gestresst, worüber ich mich selbst gewundert habe. Trotzdem hätte ich mir noch ein wenig mehr MeTime gewünscht. Aber dafür war die Zeit einfach auch zu kurz. Es war richtig, für dieses Experiment einen vertrauten Urlaubsort zu wählen, wo alle sich wohlfühlen. Wenn ich nun noch motorisiert wäre und die Ungewissheit von Gesund-/Krankheit weniger einschneidend wäre, würde ich das öfter machen. Schritt für Schritt realistische Herausforderungen annehmen halte ich für sehr wichtig. So etwas hätte ich mir noch vor einem Jahr nicht zugetraut. Jetzt klappt es problemlos. Das ist toll und macht Mut.

Montag, 7. März 2016

Der 5. Geburtstag des Großen

An einem Sonntag war der Große geboren worden und gestern, am Sonntag 6. März, feierte er seinen 5. Geburtstag. 5 Jahre, wie toll! Er hatte sich schon wochenlang darauf gefreut und immer wieder erwähnt, was er sich wünscht. Dazu gehörte das Piraten-Kampfschiff von Playmobil (das wir gebraucht in einer älteren Version kauften) und der Polizei-Überwachungs-Truck von Lego, den die entfernt wohnenden Großeltern stellvertretend schenkten. Dazu gab es noch den Soldatenturm mit Leuchtfeuer von Playmobil, das Buch Ein Rucksack voller Glück zum Thema schlechte Laune, Zufriedenheit und Glück sowie ein Bügelperlenset mit Piratenmotiven von Hama. Unschwer zu erkennen, dass sein Geburtstag unter dem Motto "Piraten" stand. Die Ritter- und Piratenfaszination konkurrieren im Moment sehr und er konnte sich lange nicht entscheiden, was für einen Mottogeburtstag er feiern möchte, bis wir ihn festnagelten.

Wie jedes Jahr buk ich einen passenden Kuchen, was mir wirklich Spaß macht. Für das Piratenschiff holte ich mir Inspiration aus dem Netz, und dem Großen gefiel es sehr, ebenso wie den Besuchskindern.


Ausnahmsweise schlief der Große mal länger als sonst (bis 6:45 Uhr) und spielte dann im Kinderzimmer, nachdem er bei seinem letzten Geburtstag schon um 5:30 Uhr anfing, die Geschenke auszupacken. Tatsächlich konnten wir diesmal gewaschen und angezogen um sage und schreibe 8 Uhr die Geschenke freigeben. Hach, wie freute er sich, als er das Piratenschiff und den Polizei-Truck entdeckte!


Am Vormittag wurde ausgiebig gespielt und trotzdem hatte er immer noch nicht genug, so dass er die Mittagspause zum Weiterspielen nutzte. Ausdauernd baute er mit dem Papa den Polizei-Truck zusammen und weihte das Piratenschiff und den Leuchtturm ein. Da wir die Kinder getrennt hatten, war genügend Ruhe und Zeit zum Ausprobieren da. Zu Weihnachten hatte es uns ja so geärgert, dass sie beide nicht mit ihren neuen Geschenken gespielt hatten.


Ich machte mit der Kleinen Mittagsschlaf und dann bereiteten wir die Geburtstagsparty vor. Ich hatte Piraten-Deko und einen schönen Piraten-Muffinständer bestellt. Wir hatten nur 3 Kinder eingeladen, da es an seinem 4. Geburtstag mit 4 eingeladenen Gästen schon viel zu trubelig war und der Große ziemlich durchdrehte. Auch diesmal war er vor Beginn wieder so angespannt, dass er viel motzte. Dann kamen die Gäste, sein längster Freund und seine beste Freundin aus der Kita. Das dritte eingeladene Kind traute sich leider nicht, allein dazubleiben, obwohl er schon allein bei uns gewesen war, und ging nach einer halben Stunde wieder unverrichteter Dinge nach Hause. Das war zwar schade, aber nun war es mit insgesamt 4 Kindern eine so schöne, ruhige und vertraute Runde, dass wir gar nicht viel machen mussten. Der Große fühlte sich total wohl, entspannte sich und war ein guter Gastgeber.


Die Kinder spielten viel frei und zwischendurch machten wir auch ein paar Spiele, hatten aber extra keine direkten Wettbewerbsspiele ausgesucht, weil der Große dabei immer noch sehr wütend reagiert, wenn er verliert/zurückliegt. Zum Beispiel haben wir den Kindern abwechselnd die Augen verbunden und sie mussten jeweils ein anderes Kind abtasten und erraten. Das sorgte für Erheiterung. Oder: mit einer Steinschleuder der Ritterburg haben wir Plastikbecher umgeworfen, was jedem Kind gelang. So etwas in der Art. Es kam kein Frust auf und das trug wesentlich zur durchgehend positiven Stimmung bei. Puh! Es war richtig angenehm, ruhig und lustig, kein Kind war überdreht, alle waren glücklich und zufrieden. Für den Großen ist so eine geringe Teilnehmerzahl wirklich ein Segen gewesen.

Es war der erste Geburtstag, an dem es fast durchgehend regnete. Bisher hatten wir immer Glück mit dem Wetter. Bei seiner Geburt hatte sogar die Sonne vom Himmel gestrahlt. Insofern hat es gepasst, dass wir keine Unternehmungen geplant hatten. Es war ein rundum schöner, unaufgeregter Tag. Heute, am Montag, wurde der Große in der Kita noch gefeiert. Jedes Geburtstagskind darf 3 Kinder benennen und mit ihnen einen Kuchen backen, den die Kinder dann bei der Vesper verzehren. Das finde ich ein sehr schönes Ritual, und die Eltern brauchen deshalb nichts mitzubringen. Der Große berichtete begeistert vom Schokokuchen. Er suchte sich 2 Jungen und 1 Mädchen als Helfer aus. Schön, oder? Seine Geburtstagskrone nahm er stolz mit nach Hause. Nun ist er 5. Hach!

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Samstag, 5. März 2016

Der Countdown bis zur Geburt des Großen

Jedes Jahr in den ersten Märztagen erinnere ich mich besonders intensiv an den Countdown bis zur Geburt des Großen und blättere gern in meinem Kalender. Die Tage vom 1. März, seinem errechneten Geburtstermin, bis zum 6. März, seinem Geburtstag, verursachen mir noch heute, 5 Jahre später, ein Gefühl der Aufregung und des Zwischen-Himmel-und-Erde-Seins. Ich weiß noch genau, wie ich mich damals fühlte, auf jede Regung im Bauch lauschte, alles als das vorerst letzte Mal ohne Baby bewusst wahrnahm. An manchen Tagen war ich euphorisch, stolz, dass ich noch so fit und agil war und alles, wirklich alles vorbereitet hatte, an anderen Tagen hatte ich Angst, Angst vor der Geburt und dem Zug, der da unstoppbar auf mich zugereist kam. Ich hatte nie Angst vor dem, was danach kommen könnte, ich fühlte mich gut präpariert und freute mich, in den Frühling mit meinem Baby gehen zu können.

Quelle: Pixabay

Ich habe bis zum 30. Dezember 2010 gearbeitet, hatte danach Resturlaub und mein Mutterschutz begann offiziell am 18. Januar 2011. Im Januar lag das Baby so ungünstig wahrscheinlich auf einem Nerv, dass ich oft starke Schmerzen hatte, besonders wenn ich länger saß und dann aufstand. Ansonsten fühlte ich mich relativ fit. Meine Eltern besuchten uns noch einmal, ich ging viel spazieren, telefonierte lange mit einer Co-schwangeren Freundin und absolvierte Arzt- und sonstige Termine. Im Februar hatte sich mein Baby gedreht und die starken Schmerzen waren weg. Ich schloss den Geburtsvorbereitungskurs ab, meldete mich zur Geburt im Krankenhaus an und wir besuchten 2 Wochen vor dem ET noch 2 Partnerkurse im Hebammenhaus. Unter den dort anwesenden Frauen war ich die erste, die entbinden sollte, und das verursachte mir schon ziemlich Muffensausen. Ansonsten war ich auch im Februar oft zweimal täglich spazieren und trotzdem zogen sich die Tage manchmal wie Kaugummi. Der Mutterschutz vor der Geburt des Großen war die erste und einzige Zeit meines Lebens, wo ich mich tatsächlich allein zuhause langweilte. Am Abend wartete ich auf den Mann und an den Wochenenden wollte ich noch viel unternehmen. Das war für meinen Mann sicherlich etwas anstrengend.

Ab Mitte Februar rechnete ich eigentlich täglich damit, dass das Baby sich auf den Weg macht. Er war bis zum Schluss sehr aktiv und wild im Bauch und ich dachte nicht, dass er über Termin geht. Das dachte ich allerdings bei der Kleinen noch viel weniger und sie war dann 9 Tage über Termin:-)
Der letzte Museums- und der letzte Kinobesuch fanden 10 Tage vor dem ET statt, der letzte mittelgroße Ausflug 3 Tage vor ET. Ich war also wirklich bis zum Schluss aktiv und alle staunten, dass ich das nicht nur schaffte, sondern sogar der treibende Part dabei war.

Am ET, dem 1. März 2011, war ich vormittags beim CTG und abends besuchten uns Freunde mit ihrer neugeborenen Tochter, die wir zum ersten Mal zu Gesicht bekamen. Das war sehr skurril, besonders an diesem Datum. Ich weiß noch genau, wie der frischgebackene Papa seine Tochter heftigst schuckelte, weil sie etwas unruhig war. Sie hat nicht geschrien oder so, aber er zog sich in eine dunkle Ecke zurück und schuckelte sie auf und ab. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich natürlich noch nicht, dass wir dies monatelang ebenfalls tun würden, um den Großen halbwegs zu beruhigen. Ich dachte überhaupt an nichts Unvorhersehbares, Dramatisches, Aus-der-Bahn-Werfendes. Ich dachte nur an die Geburt, die unberechenbare Situation. Alles andere würde sich schon fügen, weil ja alles gut vorbereitet war. (haha)

Zwei Tage später war ich wieder beim CTG. Keine Auffälligkeiten. Am nächsten Morgen, Freitag dem 4. März, verlor ich etwas Flüssigkeit und dachte, ich hätte einen Blasensprung. Da der Kopf des Babys noch nicht fest im Becken war, bestellten wir einen Krankentransport und ließen uns ins Krankenhaus fahren. Die Treppe musste ich allerdings allein hinunterlaufen und hatte furchtbare Angst, dass dies dem Baby schaden könnte. Ich wurde untersucht, der Blasensprung bestätigte sich nicht und ich sollte wieder nach Hause gehen. Ehrlich gesagt, wäre ich am liebsten dort geblieben, in der geschützten Atmosphäre der Klinik, und hätte einfach gern gewartet, bis die Geburt losgeht. Es ist merkwürdig, wenn man ins Krankenhaus fährt, weil man denkt, das Baby kommt, und fährt wieder mit dickem Bauch nach Hause.

Am Samstag, 5. März, putzten wir wie verrückt, wuschen den Wäschekorb leer und machten alles bereit. Im Bauch war es ruhig. Letzte Fotos wurden geschossen. Am Nachmittag holten wir uns indisches Essen und verlebten einen geruhsamen Tag. Um 2:15 Uhr in der Nacht begannen die Wehen, durch menschenleere Straßen fuhren wir am Sonntag Morgen in die Klinik und um 15:40 Uhr am 6. März 2011 wurde der Große geboren. Und morgen wird er 5 Jahre alt.

Die Tage bis zur Geburt waren gefühlsmäßig ein merkwürdiger Schwebezustand zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Angst und Vorfreude, zwischen Euphorie und Muffensausen. Ich glaube, wenn Babys über Termin gehen, fühlt sich das Warten nochmal intensiver an als ohnehin schon. Und beim ersten Kind sowieso, wenn man keinerlei Ablenkung hat. War das bei euch auch so? Und die Tage bis zu seinem morgigen Geburtstag sind von Vorfreude und Aufregung geprägt, auf beiden Seiten. Von Wehmut dagegen überhaupt nicht.

Donnerstag, 3. März 2016

Eine Beerdigung mit zwei kleinen Kindern

Vor wenigen Tagen war der Große auf seiner zweiten Beerdigung in seinem jungen Leben, die Kleine auf ihrer ersten. Ihr Opa väterlicherseits war Mitte Februar verstorben und wurde am 1. März 2016 beigesetzt. Der 1. März ist und bleibt ein emotionales Datum für uns. Am 1. März 2004 verlor ich mein erstes Kind, und der 1. März 2011 war der errechnete Geburtstermin meines Großen. Diesmal markierte er das Ende einer Familienseite. Die Oma väterlicherseits war bereits im Jahr 2011, als der Große gerade mal 5 Monate alt war, verstorben.

Es gab keinerlei Zweifel, dass wir die Kinder zur Beerdigung des Opas mitnehmen würden. Schließlich handelte es sich nicht um eine klassische Friedhofsbeerdigung mit langer Trauerfeier, sondern um eine unprätentiöse Beisetzung in einem Ruheforst (Bestattungswald). Und da der Rest dieser Familienseite sehr überschaubar ist, sollten wenigstens die paar Menschen, die den Nachnamen weitertragen, sprich unsere Kinder, daran teilnehmen.

Da wir keinerlei Familie mehr in der Ostseestadt meiner Schwiegereltern haben, übernachteten wir von Montag zu Dienstag im Hotel. Am Montag Nachmittag bummelten wir durch die Innenstadt und den Hafenbereich und kehrten erst gegen 19 Uhr ins Hotel zurück. Hatten wir zwischenzeitlich die Hoffnung gehabt, doch vielleicht bald mal eine Städtereise mit den Kindern machen zu können, so zerschlug sich diese Hoffnung in dem knapp 3-stündigen Stadtbummel. Der Große läuft zwar mittlerweile ausdauernder als früher, aber irgendwann wird es ihm zuviel und dann wird nur noch gemotzt. Die Kleine sitzt wie angewurzelt im Buggy und skandiert solange "Ich will einen Kakao!", bis wir den nächsten Bäcker ansteuern. Danach heißt es dann nur noch "Ich will nach Hause!". Macht also richtig Spaß! In einem Einkaufszentrum werden wir mit Sicherheit nicht mehr Abendbrot essen, da die essensverschmähende Kleine kurzerhand losstiefelte und man durch das halbe Center hinterherlaufen musste, während das Essen kalt wurde. Dafür muss ich aber sagen, dass sich die Kinder super schnell ans Hotel akklimatisierten und das Einschlafen so wie zuhause klappte.

Am nächsten Morgen fand um 10 Uhr die Beerdigung statt. Wir hatten uns entschieden, die Kinder nur durch knappes Erzählen über den Ablauf darauf vorzubereiten, aber keine Bücher etc. zu lesen. Wenn Fragen kämen, könnten wir dies hinterher immer noch aufarbeiten. Wir wollten sie das Geschehen so ungeprägt und urteilsfrei wie möglich erleben lassen. Das war, denke ich, die richtige Entscheidung. Die Beisetzung in einem Ruheforst ist nicht mit einer Friedhofsbeerdigung zu vergleichen. Die Atmosphäre ist sehr natürlich und überhaupt nicht beklemmend. Die Urnen werden rings um Bäume, die man sich vor seinem Ableben selbst aussuchen kann, wenn man dies möchte, in die Erde gelassen. An den Bäumen hängen kleine Plaketten mit den Namen der Beigesetzten. Es gibt keinen Grabstein, keinen Grabschmuck, es ist auch keine Grabpflege nötig. Meine verstorbene Schwiegermutter hatte sich dereinst "ihren" Baum ausgesucht und dort wurde nun auch mein Schwiegervater beerdigt.


Die Kinder machten gut mit, waren still und nahmen die Atmosphäre in sich auf. Die Vögel zwitscherten, die Sonne schien durch die Bäume und der große Ameisenhügel war immer noch an seiner Stelle. Die Trauerrunde war klein und das Prozedere kurz (ca. 30 Minuten). Die Kinder stellten auch danach keine ausführlichen Fragen bzw. gaben sich mit unseren knappen, kindgerechten Antworten zufrieden. Ich bin auch bei diesem Thema kein Freund einer zu ausführlichen Schilderung. Natürlich wird jede Frage beantwortet, aber so, dass die Kinder die Antwort auch begreifen können und sich danach nicht zehn neue Fragen auftun, die sie vielleicht gar nicht verarbeiten können. Ich warte lieber, bis das Thema so fassbar für sie wird, dass man intensiver einsteigen kann. Bis dahin möchte ich es für sie lieber so belassen, wie sie es erlebt haben. Mit knapp 5 und 2 3/4 Jahren müssen sie auch einfach noch nicht alles wissen, sondern sollen noch Kind sein dürfen. Ich mag es generell nicht, Kinder zu früh mit "zuviel" Wissen zu bombardieren. Das gilt auch für dieses Thema.

Nach der Beisetzung hatten wir noch Zeit bis zur Heimfahrt, und da Karl's Erdbeerhof direkt auf dem Weg zur Autobahn lag, statteten wir dem Erlebnishof noch einen Besuch ab und die Kinder konnten sich noch ein wenig austoben. Ist das profan nach einer Beerdigung? Vielleicht, aber mit zwei kleinen Kindern, die den Vormittag toll durchgehalten haben und noch eine zweistündige Autofahrt vor sich hatten, sicher verständlich und nachvollziehbar. Insgesamt verliefen die zwei Tage recht ruhig, nicht gehetzt und wir versuchten, den Bedürfnissen aller Familienmitglieder Rechnung zu tragen. Wobei ich fürchte, dass mein Mann zu wenig Gelegenheit hatte, in Ruhe Abschied zu nehmen. So ist das eben mit kleinen Kindern. Dafür hat er sich bei seinem letzten Besuch beim Vater einen Tag vor dem Ableben zusammen mit dem Großen verabschiedet. Das ist nicht jedem vergönnt. In unserem nächsten Ostsee-Urlaub im Sommer werden wir nun nur noch den Baum der (Groß-)Eltern im Ruheforst besuchen können. Aber das ist ein schöner Ort.

Noch ein kleiner Nachsatz:
In den Tagen nach dem Tod meines Schwiegervaters ist mir aufgefallen, wie wenige Menschen heutzutage noch ihr Beileid aussprechen. Davon nehme ich Twitter ausdrücklich aus und meine besonders das reale Leben. Zum Teil war ich wirklich geschockt, wie über eine solche Information hinweggegangen wurde und nicht einmal einfachste Höflichkeitsregeln eingehalten wurden. Das kenne ich ganz anders. Selbst wenn es "nur" mein Schwiegervater war, der gegangen ist, so erwarte ich doch wenigstens eine kurze Beileidsbekundung. Ich weiß nicht, woran es liegt. Sind die Menschen unsicher, schlecht erzogen oder ist es eine Frage unserer Generation? Das stieß mir wirklich sehr negativ auf, aber vielleicht lege ich da einfach zuviel Wert auf Höflichkeitsfloskeln. Was meint ihr?