Sonntag, 28. Februar 2016

Unser Wochenende in Bildern 27./28. Februar 2016

Schon ewig gab es von uns kein Wochenende in Bildern mehr. Das letzte #wib war kurz vor Weihnachten. Durch die ständigen wechselnden Krankheiten, das miese Wetter, den Tod meines Schwiegervaters und die wenigen Erlebnisse fühlten sich die letzten Wochen wie eine Winterdepression an. Hoffentlich geht es jetzt endlich aufwärts. An diesem Wochenende waren beide Kinder fit und beide Eltern immer noch angeschlagen. Aber es gab endlich wieder mehr Action.

Am Samstag packten wir nach dem Frühstück die Geschenke für einen Zwillingskindergeburtstag ein, auf den der Große am Nachmittag eingeladen war. Wir schenkten das Ritterburg aktiv-Heft und dieses Stickerbuch Ritter und Burgen sowie 2x Drachensprudelbad und je ein Ritterlesezeichen.


Die Kinder entdeckten in einer Spielzeugkiste dieses Auto von Ravensburger ministeps, das der Große mit einem Jahr geschenkt bekam, vor dem er aber immer Angst hatte, weil es sehr laut ist und überraschende Drehungen macht, und spielten begeistert eine Weile damit. Manchmal ist es doch nützlich, das Babyspielzeug noch aufzuheben :-)


Am späten Vormittag ging mein Mann mit den Kindern noch ein Stündchen raus, Fahrrad- und Laufrad fahren. Er versuchte, sich mit beiden Kindern gemeinsam zum Mittagsschlaf hinzulegen, allerdings schliefen sie leider nicht ein, was mir etwas Bauchschmerzen in Hinblick auf das weitere Programm bereitete. Wenn das mal zuverlässig klappen würde (zumindest was die Kleine angeht, der Große schläft nur noch unregelmäßig), würde das bedeuten, dass ich auch mal über Mittag weggehen kann. Das klappte bisher nur, wenn die Kinder im Auto schliefen.

Am Nachmittag ging der Große auf den Kindergeburtstag und wir fuhren mit der Kleinen in einen Baumarkt und in unseren Garten. Da unser neuer Nachbar sämtliche Sichtschutz-Pflanzen entfernt hat, müssen wir schnell und billig für einen neuen Sichtschutz sorgen. Wir werden erstmal diese Bambusmatten anbringen und dann in Ruhe überlegen, ob und welche neuen Pflanzen wir setzen werden.


Der Große war in der Zwischenzeit auf dem Geburtstag und wurde erst nach dem Abendbrot wieder abgeholt. Er brachte der Kleinen extra eine Prinzessinnenmaske mit, die er ausgesucht und bemalt hatte. Herzig!


Am Sonntag strahlte die Sonne wieder vom Himmel und ich verdonnerte die Familie vormittags zu einem Ausflug an einen kleinen See, nachdem wir wochenlang nicht richtig raus konnten. Leider hatten 3 von 4 dann aus nicht nachvollziehbaren Gründen schlechte Laune und ich gab mir erfolglos Mühe, alle zu motivieren. Dabei war es so schön, bei Sonne am See...




Nach dem Mittagsschlaf besuchten wir zusammen mit Freunden das Kindermusical Daniel - Verschleppt nach Babylon in der Kirche, in der mein Patenkind getauft wurde. Es war schön poppig und mitreißend, wenn auch mit 1,5 h etwas zu lang. Die Kleine und mein Patenkind rockten zur Musik, die beiden knapp 5-Jährigen saßen gelangweilt herum :-)



Insgesamt fühlte sich das Wochenende doch schon recht frühlingshaft an und ich freue mich auf viele Outdoor-Aktivitäten in den kommenden Monaten. Muss nur noch die Familie überzeugt werden...

Morgen fahren wir an die Ostsee und bleiben für eine Nacht, weil am Dienstag Vormittag die Beerdigung meines Schwiegervaters stattfindet. Mal sehen, wie das mit den Kindern klappt. Ich werde berichten.

Mehr Wochenenden in Bildern gibt es unter #wib und bei Geborgen Wachsen.

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Samstag, 27. Februar 2016

Kurzzeitig vertauschte Rollen

In der letzten Woche war ich zum ersten Mal, seit beide Kinder in der Kita sind (Juni 2014), nicht für das tägliche Abholen zuständig, ohne selbst krank zu sein. Unsere normale Aufteilung im Alltag ist folgendermaßen: mein Mann bringt die Kinder täglich zur Kita und ich hole sie bis auf freitags immer ab und betreue sie bis zum Abendbrot. Freitags ist dafür mein Mann zuständig und ich kann etwas länger arbeiten. Ausnahmen gibt es nur ganz selten, z.B. bei schwerer Krankheit eines Elternteils oder wenn wir die Kinder im Sommer manchmal zusammen abholen, um nachmittags noch in unseren Garten zu fahren. Da wir keine Großeltern in der Stadt haben, gibt es auch sonst niemanden, mit dem man sich mal abwechseln könnte. Und wenn ein Kind krank oder der Große verreist ist oder mit zu einem Freund geht, haben wir trotzdem den gleichen Rhythmus wie sonst, da das andere Kind ja auch in die Kita gebracht und abgeholt werden muss.

Deshalb war es eine ganz und gar ungewohnte Situation, eine Pause von der täglichen Abholerei zu bekommen, ohne schwerkrank im Bett zu liegen. Mein Mann hat täglich die Kinder zur Kita gebracht und außer am Freitag auch abgeholt. Er war letzte Woche krankgeschrieben, noch angeschlagen, aber nicht bettlägerig und sah sich in der Lage, das Abholen sowie einen kurzen Spielplatz- und Cafèbesuch zu schaffen. Außerdem wollte er mich etwas entlasten, weil ich die Kinder in der letzten Zeit, selbst oft ziemlich krank, noch mehr allein als ohnehin schon hatte, wegen zweimaliger Krankheit meines Mannes an Wochenenden und der Fahrten wegen des Ablebens meines Schwiegervaters. Ich habe an 2 Tagen länger gearbeitet und am Donnerstag einen größeren Einkauf erledigt und hatte somit jeden Tag ca. 1,5 - 2 h Freizeit bis zum Eintreffen der Kinder. Zu einer Uhrzeit, wo ich sonst immer mit den Kindern auf Spielplätzen, im Cafè, im Park oder bei Freunden bin, saß ich auf dem heimischen Sofa. Das war sehr skurril.

Quelle: Pixabay

Folgende Erkenntnisse habe ich aus der Woche gewonnen:

1. Es ist schön, mal eine Abwechslung zu haben, und erschreckend, dass es die erste mehrtägige dieser Art seit fast 1 3/4 Jahren war. Es war herrlich, am späten Nachmittag mal zuhause die Füße hochzulegen. Erleichternd kam natürlich dazu, dass kaum Haushaltstätigkeiten anfielen, weil mein Mann diese im Laufe des Tages schon erledigt hatte, so dass es sich wirklich wie Freizeit anfühlte, was sonst oft nicht der Fall ist, wenn ich mal 2 h frei habe. Um den Tausch beim Abholen vielleicht von Zeit zu Zeit zu wiederholen, müsste ich die Kinder morgens ab und zu wegbringen, damit mein Mann früher mit der Arbeit starten kann. Andererseits ist es gerade der feste Rhythmus, den die Kinder brauchen und auf den sie sich verlassen können.

2. Als die Kinder gegen 17 Uhr eintrafen, war ich gerade im Entspannungsmodus angekommen und sehr müde, so dass es mir schwer fiel, wieder aktiv zu werden und umzuschalten. Anscheinend fehlte mir auch die tägliche Portion frischer Luft und Bewegung, die ich ja sonst gewöhnt bin. Dazu kommt, dass auch die Kinder beim Nachhausekommen müde und geschafft sind sowie abschalten, runterkommen und nicht bespielt werden wollen. Die Kleine ist dann auch sehr anhänglich, wenn sie mich am Nachmittag nicht hatte.

3. Mir fällt es aktuell schwerer, mich auf die Kinder einzustellen, wenn ich weniger Zeit mit ihnen verbringe. Ich bin dann mehr in meiner Welt und deutlich ungeduldiger und genervter als sonst, wenn ich viel mit ihnen zusammen bin, was in letzter Zeit wegen der häufigen Krankheiten der Fall war. Das ist merkwürdig, weil ich früher immer ganz schnell genervt war, wenn ich keine Pause von ihnen bekam (also das Gegenteil). Die Erfahrung, dass durch weniger gemeinsam verbrachte Zeit das Verständnis für die Kinder nachlässt, zeigte mir, wie es Vätern manchmal gehen mag, die ihre Kinder noch weniger, vielleicht nur 1 h täglich sehen. Man ist dann einfach so in der selbstbestimmten, logischen Erwachsenenwelt drin, dass man sich an umgeschmissene Becher, sinnlos erscheinende Bockanfälle und die vielen kleinen Scharmützel erst wieder gewöhnen muss. In manchen Fällen kann das auch die Gelassenheit des geringer in die Kinderbetreuung involvierten Elternteils steigern. Bei mir ist es im Moment so, dass ich umso gelassener bin, je mehr ich in der "Kinderwelt" drin bin. Das war nicht immer so.

4. Wenn ich den Nachmittag mit den Kindern verbringe und nur für sie da bin, habe ich kein schlechtes Gewissen, wenn ich zuhause nicht mehr intensiv mit ihnen spiele, sondern Abendbrot mache oder andere Kleinigkeiten für mich selbst. Das klappt mittlerweile auch ziemlich gut. Wenn ich sie aber erst abends sehe, habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich mit anderen Dingen beschäftige, anstatt sie zu bespaßen (obwohl sie dies gar nicht wollen, weil sie auch erschöpft sind). Das ist irgendwie blöd. Ich bekomme auch wirklich ein ungutes Gefühl, wenn ich nur 2 h am Tag mit den Kindern verbringe, obwohl ich es mir manchmal auch wünsche. Das ist vielleicht so ein "Mütterproblem"...

5. Mein Mann hat gesehen, dass man sich jeden Nachmittag überlegen muss, was man mit den Kindern anstellt, je nach Wetter, nach Laune, nach Kraft etc. Dass man schauen muss, nicht zu früh nach Hause zu kommen, aber auch nicht zu spät, damit die Kinder noch Zeit zum Entspannen haben. Dass man nie vorher weiß, wie die Kinder drauf sind, was einen in der Kita erwartet und wie der Nachmittag verläuft. Das fühlt sich anders an, als einmal in der Woche die Kinder abzuholen.

Am Freitag habe ich die Kinder dann wieder abgeholt und es war komisch, nach so vielen (4...) Tagen Pause wieder in die Kita zu kommen. Es fand ein Kuchenbasar statt und wir kauften einige Kuchenstücke, die wir dann auf dem Spielplatz zusammen mit Freunden verspeisten. Zuhause angekommen konnte ich mich ohne schlechtes Gewissen anderen Dingen widmen und mein Mann hat übernommen. Also alles wie immer. Die Pause hat trotzdem mal gut getan. So etwas wird aber leider auch zukünftig nur äußerst selten vorkommen. Prinzipiell mag ich unsere gemeinsamen Nachmittage ja wirklich gern. Aber jeder Mensch braucht auch mal eine Abwechslung.

Wie ist das bei euch, habt ihr auch einen festen Rhythmus oder wechselt ihr euch öfter mal ab? 

Mittwoch, 24. Februar 2016

Sorgen im 1. Lebensjahr des Großen

Unser Großer hatte nicht nur einen langwierigen Entstehungsweg und einen schwierigen Start ins Leben, sondern auch in seinem ersten Lebensjahr immer wieder mit diversen Problemen, Leiden, Krankheiten und Herausforderungen zu kämpfen, die für sein labiles und stressanfälliges Naturell sicherlich nicht förderlich waren und uns noch mehr Sorgen, Unsicherheit und Überforderung als ohnehin schon bescherten. Neben seiner Unruhe, der Schreierei, dem Überstrecken, dem Nicht-Abschalten-Können und damit verbundenen Schlafdefizit gab es gerade im ersten halben Jahr einige Dinge, die die Situation noch verschärften. Sicherlich war nichts davon sehr dramatisch, manch andere Eltern haben mit viel schwierigeren Herausforderungen zu kämpfen (Krankenhausaufenthalte etc.) und große Ängste auszustehen. Aber in der Gesamtheit und in Kombination mit seinen Regulationsproblemen und unserer Überforderung war es einfach zuviel. Für ihn und für uns.

- Mit 1,5 Wochen bekam er Mundsoor und unsere grauenhafte erste Hebamme versuchte 10 Tage lang, diesen mit homöopathischen Mitteln zu beenden, bis wir dann endlich mehr oder weniger gegen ihren Rat zum Kinderarzt gingen und dank einer Salbe innerhalb von 2 Tagen Heilung eintrat. Jeder weiß, wie unangenehm und oft schmerzhaft Beschwerden im Mund sein können, und dass er zu lange sinnlos gelitten hat, war definitiv nicht gut.

- Mit 2,5 Wochen bekam er die weitverbreitete Babyakne, die ca. 5 Wochen dauerte, ihm aber wohl keine Beschwerden verursachte.

- Mit 4 Wochen wurde bei der U3 ein Nabelbruch festgestellt, den weder die Hebamme noch wir bis dahin bemerkt hatten. Das ist eine angeborene, noch nicht fest durch Muskelhaut verschlossene Stelle im Nabelbereich, an der sich das Bindegewebe, manchmal auch Teile der Innereien, nach außen wölben und der Bauchnabel vorsteht. Meist verwächst es sich von selbst wieder, sollte aber kontrolliert werden, da die Gefahr besteht, dass Teile der Organe eingeklemmt werden. Eine Woche nach der Diagnose waren wir beim Kinderchirurg, der uns dann regelmäßig einbestellte. Nochmals 2 Wochen später fuhren wir deswegen zum Notdienst ins Krankenhaus, weil der Bauchnabel extrem hervortrat und wir einfach Angst hatten. Durch sein übermäßiges Schreien verstärkte sich der Nabelbruch noch. Ob er dadurch Schmerzen hatte, weiß keiner.

- Mit 8 Wochen waren wir mit dem Großen beim Osteopathen, wo eine Nackenblockade festgestellt wurde, weshalb er seinen Kopf nur in eine Richtung drehen konnte und eine Lieblingsseite hatte. Diese wurde beseitigt und die Kopfbewegungen funktionierten danach gut. Unsere Hoffnung, dass der Große danach ausgeglichener und zufriedener wäre, erfüllte sich leider nicht. Zwei Tage später fand der normale Hüftultraschall statt.

- Mit knapp 9 Wochen mussten wir leider noch einmal mit ihm zum Kinderärztlichen Notdienst wegen eines Sturzes. Das war meine Schuld und ich mache mir bis heute fürchterliche Vorwürfe deswegen. Zum Glück verhielt er sich danach völlig unauffällig und es wurde nichts festgestellt.

- Danach folgten die ersten Impfungen im 4-Wochen-Abstand. Mit 13,5 Wochen wurde bei der U4 zusätzlich zum Nabelbruch noch ein Wasserbruch festgestellt, wobei durch eine noch nicht richtig verschlossene Bauchwand Flüssigkeit in den Hodensack gelangt und diesen anschwellen lässt, manchmal mit Schmerzen verbunden. Wir mussten daraufhin wieder mehrfach zum Kinderchirurgen, bis er irgendwann von selbst verheilte.

- Mit 16 Wochen war der Nabelbruch weitestgehend von allein verheilt. Mit 18 Wochen waren wir noch einmal bei einem anderen Osteopathen, um ihn durchchecken zu lassen, da die Schreierei, Unruhe, Unzufriedenheit und das Überstrecken noch nicht besser geworden waren. Dieser Osteopath konnte uns nur zu einem kerngesunden Kind beglückwünschen, was eigentlich keinerlei Probleme haben dürfte. Na danke auch.

- Daraufhin entschieden wir uns schweren Herzens, es mit der Schreibabyambulanz zu versuchen. Im August 2011, er war 5 Monate alt, hatten wir 3 Sitzungen mit einer entsprechenden Therapeutin, die absolut nichts bewirkten. Zwischenzeitlich starb noch meine Schwiegermutter und mein Mann musste alles Notwendige organisieren.

- Danach wurde es bis auf die regelmäßigen Impfungen und die U's etwas ruhiger. Mit 24 Wochen hatte er seine erste Erkältung. Mit 35 Wochen kam sein erstes Zähnchen durch. Die nach und nach durchbrechenden Zähne machten merkliche Probleme. Kurz vor seinem ersten Geburtstag hat er nach der MMR-Impfung sehr gelitten und bekam die sog. Impfmasern, die angeblich nur 5% der geimpften Kinder bekommen (meine Kleine hatte sie auch).

- Die erste richtig schlimme (und vielleicht bisher schrecklichste) Krankheit war das Dreitagefieber mit 15 Monaten. Aber das fällt ja schon ins zweite Lebensjahr. Darüber vielleicht bei Gelegenheit mehr.

Man sieht, vor allem das erste halbe Lebensjahr des Großen war von vielen Problemen geprägt, die uns zusätzlich verunsicherten und von denen wir nicht wussten, inwieweit sie den Großen beeinträchtigten. Er schrie eh' schon viel und es kann gut sein, dass er zu allem Überfluss noch Schmerzen hatte. Für uns war das neben seinen Regulationsproblemen alles viel zuviel. Durch unsere Unerfahrenheit, die unsägliche Hebamme und eine nicht wirklich unterstützende Kinderärztin standen wir viele Ängste aus. Ich denke, dass keines dieser Probleme die Ursache für die Anpassungsprobleme des Großen war. Aber sie trugen mit Sicherheit nicht dazu bei, dass er sich wohler in seinem Körper und in der Welt fühlte, im Gegenteil. Und das ist das Unglückliche daran.

Welche Sorgen hattet ihr in den ersten Lebensmonaten eurer Kinder? Waren sie kerngesund oder habt ihr einen Ärztemarathon hinter euch? Oder musstet ihr sogar ins Krankenhaus?

Samstag, 20. Februar 2016

Hat die Kleine in der Kita gebissen?

Am Mittwoch empfing mich eine Erzieherin beim Abholen mit den Worten, dass die Kleine ja heute mal Zähne gezeigt habe. Ich nahm das metaphorisch und meinte, sie hätte sich mal richtig lautstark durchgesetzt oder so. Nein, sie habe ein anderes Kind gebissen. Mir rutschte die Kinnlade runter. Gebissen? Die Kleine? Keines meiner Kinder hat jemals in der Kita gebissen. Sie sind dort sehr ruhig, zurückhaltend, angepasst und gehen Konflikten eher aus dem Weg. Ich fragte nach. Die Erzieherin hatte die Situation gar nicht selbst beobachtet und konnte nur weitererzählen, dass ein anderes Mädchen der Kleinen etwas weggenommen und diese daraufhin zugebissen habe. Sie hätten dann die Kinder getrennt und später in Ruhe besprochen, dass das nicht geht, sondern was sie stattdessen machen soll. Am Nachmittag hat es dann wohl noch eine andere, ähnliche Konfliktsituation gegeben, wo die Kleine sich mit Hilfe ihrer besten Freundin aber "gewaltfrei" gegen das gleiche Mädchen durchgesetzt habe.

Am Abend befragte ich die Kleine nebenbei, um herauszufinden, was sie dazu sagt. Irgendwie passte nichts so richtig zusammen. Sie berichtete, dass das andere Mädchen ihr etwas weggenommen hat und dann aber ein drittes Kind das Mädchen gebissen hat, nicht sie. Sie bestritt es nicht direkt, behauptete aber steif und fest, ein Junge hätte gebissen. Normalerweise ist sie sehr zuverlässig und reflektiert in ihren Erzählungen. Ich fragte mich auch in dem Moment, ob ein Kind von 2 3/4 Jahren schon bewusst ein anderes Kind beschuldigen kann für etwas, von dem es weiß, dass es nicht gut ist. Was das Beißen angeht: der Große hat nie gebissen. Die Kleine hat uns früher manchmal aus Liebe und Überschwang gebissen, noch nie aus Aggression oder Abwehr. Deshalb wunderte es mich sehr und ich wollte die Kleine auch nicht für etwas zur Rechenschaft ziehen, wofür sie vielleicht gar nicht verantwortlich war. Ich beließ es also dabei.

Ich schrieb der Mama vom gebissenen Mädchen abends eine Nachricht, ob sie Näheres wüsste, aber sie hatte auch nur die gleichen Informationen wie ich. Zum Glück fand sie es nicht weiter tragisch und meinte, "passiert halt". Am nächsten Tag beim Abholen traf ich erst eine andere Erzieherin, die ich fragte, ob sie die Situation miterlebt hatte - nein. Stattdessen erzählte sie mir begeistert Begebenheiten mit der Kleinen aus dem Kitaalltag, von denen sie im positiven Sinne sehr erstaunt war. Zitat: "So etwas macht kaum ein anderes Kind in dem Alter." Danach ging ich in den Garten, um die Kinder zu holen. Da kam die Bezugserzieherin der Kleinen schon auf mich zu und berichtete von sich aus:

Die Kinder hatten wohl mit Schüsseln voll Reis gespielt, geschüttet und sortiert. Es war sehr eng am Tisch und einige Kinder, darunter das gebissene Mädchen, beugten sich immer wieder vor und schnitten damit den anderen Kindern das Aktionsfeld ab. Es gab allerdings keinen Konflikt um weggenommenes Spielzeug. Scheinbar wurde es der Kleinen, die neben dem Mädchen saß, irgendwann zu bunt und sie muss sie wohl in den Arm gebissen haben. Meine Frage, ob die Erzieherin dies explizit gesehen habe, bejahte sie zwar, allerdings halte ich es ehrlich gesagt für schwierig, bei 30 Kindern jede Situation konkret im Auge zu behalten, gerade wenn Gedrängel am Tisch herrscht. Jedenfalls war es nach ihrer Aussage kein Beißen aus Aggression, sondern die Kleine fühlte sich bedrängt und von ihrem Blick auf das Geschehen behindert. Sie trennten die Kinder und klärten die Situation. Und am Nachmittag gab es dann wohl den besagten Spielzeugkonflikt mit dem gleichen Mädchen, den die Kleine mit ihrer Freundin friedlich zu ihren Gunsten lösen konnte.

Ich berichtete noch einmal, dass die Kleine früher lediglich aus Gefühlsüberschwang selten mal und dann nur uns gebissen habe, aber nie aus Konflikten heraus. Sie meinte auch, das sei ja nicht mehr das typische Beißalter, in dem die Kinder noch nicht richtig kommunizieren können und deshalb zubeißen. Die Kleine könne sehr gut kommunizieren und setzt sich wohl auch durch. Es scheint sich also tatsächlich um ein Beißen aus Bedrängnis gehandelt zu haben. Eigentlich merkwürdig, weil der Kleinen körperliche Nähe nicht so viel ausmacht, wie beispielsweise dem Großen. Ganz im Gegenteil, sie liebt es, mit uns zu kuscheln und ganz nah bei mir zu sein. Es muss sie also gewaltig der Hafer gestochen haben. Das gebissene Mädchen nahm es wohl relativ gelassen und kam sogar später von sich aus wieder auf die Kleine zu.

Für die Erzieherinnen war der ganze Vorfall völlig undramatisch, sie wissen, dass die Kleine nicht aggressiv ist. Für mich war es einfach sehr überraschend und nicht unbedingt schlüssig. Natürlich ist meine Kleine keine Heilige, sondern ein normales Kind, was auch mal beißen kann. Aber würde ein Kind in dem Alter (2 3/4) das nicht auch zugeben, statt ein anderes Kind als Täter zu benennen? Können Kinder in dem Alter überhaupt schon bewusst lügen? Ich will auch die Aussage der Erzieherin gar nicht in Zweifel stellen, halte es aber wie gesagt für eher unwahrscheinlich, dass sie bei 30 Kindern genau den Vorgang beobachtet hat, zumal die beiden beteiligten Kinder überhaupt nicht als Aggressoren bekannt sind, auf die man ein Auge werfen müsste. Zwei andere befragte Erzieherinnen haben den Vorfall nicht mitbekommen. Die Kleine ist kein körperlich aggressives Kind und kann sich eigentlich gut mit anderen Mitteln (Kreischen) Gehör verschaffen. Es passt nicht so richtig zusammen. Wie auch immer: es war das erste Mal in 4 Jahren, dass ich mit solch einer Information aus der Kita konfrontiert wurde, und entsprechend überrascht war ich. Es mag so passiert sein. Aber ein leiser Zweifel bleibt.

Dienstag, 16. Februar 2016

Das Problem der zwei Leitwölfe (Blogparade #Leitwölfe)

Die Redaktion des myToys-Blogs hat zur Blogparade #Leitwölfe aufgerufen. Gerade ist ein neues Buch von Jesper Juul: Leitwölfe sein (Beltz Verlag 2016) erschienen und ich wollte sowieso schon länger zu dem Thema etwas schreiben, allerdings mit einem etwas anderen Fokus. Ich werde deshalb erst kurz das Buch vorstellen und dann noch einige zusätzliche, persönliche Gedanken und Fragestellungen beschreiben.

Im neuen Buch von Jesper Juul geht es darum, dass viele moderne Eltern aufgrund fehlender Vorerfahrungen bzw. Reife, gesellschaftlicher Veränderungen und mangelnder persönlicher Integrität verlernt haben, Führung in der Familie zu übernehmen und deshalb die Kinder zu Leitwölfen werden (Leitwölfe S. 11). Juul begrüßt wie in allen seinen Büchern die Abkehr vom autoritären Erziehungsstil früherer Generationen, plädiert aber dringend dafür, zu einem zeitgemäßen Autoritätsverständnis zu finden und wieder zu Leitfiguren für Kinder zu werden. Dies geschieht durch die Übernahme persönlicher Verantwortung, gegenseitiges Lernen, Integrität, Authentizität, Achtsamkeit und Empathie, Vertrauen ins Kind und die Kommunikation individueller Grenzen, was Juul als besonders wichtig für viele moderne Mütter ansieht.

Ich bin mir immer nicht so sicher, ob sich wirklich große Teile der heutigen Eltern vom autoritären Erziehungsstil abgewandt haben. Klar, in der Elternbloggerszene oder in bestimmten Bildungsschichten ist das der Fall, aber in der Alltagswirklichkeit sieht es doch oft anders aus. Alle Eltern sind selbst unterschiedlich geprägt, bewegen sich in bestimmten Kreisen, die ihr Erziehungsmodell mittragen, und viele stecken noch in althergebrachten Ansichten fest, die Erziehung als Machtkampf begreifen. Deshalb denke ich, dass es nicht nur für Eltern, die sich mit einer klaren Führungsrolle auf Basis von persönlicher Autorität in der Familie schwertun, sondern noch mehr für Eltern, die sich am anderen Ende der Fahnenstange befinden und ihre Kinder nicht als gleichwürdige Wesen ansehen, unabdingbar ist, zu einem zeitgemäßen Autoritätsverständnis zu kommen.

Das Prinzip des Leitwolfes versteht Juul nicht im Sinne einer Rückkehr zur althergebrachten Machtausübung über Kinder, sondern als Festsetzen und Kommunizieren der persönlichen Grenzen, als Authentizität und den Willen, an und mit den Kindern zu lernen und sich zu reflektieren. Der Begriff der Gleichwürdigkeit (nicht zu verwechseln mit Gleichheit) steht weiterhin im Zentrum seiner Auffassung und bedeutet, dass Eltern ihr Kind grundsätzlich erstmal genauso ernst nehmen sollten wie sich selbst. Dennoch brauchen Kinder Führung, weil "sie zwar kompetent sind, aber keine Erfahrung haben" (Leitwölfe S. 180). Deshalb ist die entscheidende Frage, "wie man in der Familie gleichwürdig Führerschaft ausüben kann" (Leitwölfe S. 152). Für alle, die mit diesem Begriff im Familienkontext Schwierigkeiten haben (wie mich), präzisiert er, was er damit meint: "Führerschaft bedeutet nicht, andere Menschen herumzukommandieren oder dem eigenen Willen zu unterwerfen. Sie besteht vielmehr in der Fähigkeit, die eigenen Werte und Ziele mit so viel Integrität zu vertreten, dass andere sich zur Zusammenarbeit animiert fühlen." (Nein aus Liebe, S. 26). Dazu gehört, nicht nur die eigenen Grenzen zu vertreten, sondern auch die der Kinder zu beachten. Es geht also um Gegenseitigkeit und nicht um ein einseitiges Führungsprinzip. Die gleichwürdige Position der Kinder verändert sich für ihn nicht, sondern wir Eltern sollen klarer, persönlicher, authentischer und damit glaubwürdiger werden, für die eigenen Bedürfnisse und Grenzen Sorge tragen und damit zu Vorbildern und "Leitwölfen" für unsere Kinder werden.

Auch wenn man durch den Buchtitel erstmal den Eindruck gewinnt, es handle sich um eine Neuorientierung Juuls, so wird es beim Lesen klar, dass er schon mehrfach geäußerte Gedanken aus vorherigen Büchern weiterentwickelt. Besonders an Jesper Juuls Buch Nein aus Liebe erinnerten mich viele Passagen. Auch dort spricht er sich schon für eine klare Führung, basierend auf persönlicher Integrität und Authentizität aus. Allerdings differenziert er in Nein aus Liebe meines Erachtens nach besser die verschiedenen Lebensphasen von Kindern und berücksichtigt auch besondere Charaktere (z.B. autonome Kinder ab S. 84 ff.), auf die in einer anderen Art und Weise eingegangen werden muss. Er macht dort auch ganz deutlich, dass mindestens in den ersten 18 Lebensmonaten andere Maßstäbe gelten: "In dieser Zeit des Familienlebens müssen die Erwachsenen ihre eigenen Grenzen überschreiten und ihre Bedürfnisse zugunsten der kindlichen Entwicklung in den Hintergrund stellen." (Nein aus Liebe, S. 23). Diese sowohl Alters- als auch Charakterdifferenzierungen fehlen mir im Buch Leitwölfe sein.

Ich möchte aber noch auf einen anderen, persönlichen Aspekt hinaus, der zu dem Thema passt und bei uns im Alltag immer wieder auftaucht und Probleme bereitet:

Uns fällt immer wieder auf, dass unsere Kinder besser mitarbeiten, kooperativer sind und der Alltag ruhiger abläuft, wenn nur ein Elternteil anwesend, sprich zuständig ist. Das trifft auf meinen Mann und mich gleichermaßen zu. Ich selbst bemerke das ganz oft und auch er berichtet das, wenn er die Kinder allein hat. Sind beide Elternteile da, ist es oft so, dass mehr geheult, gestritten, boykottiert und Konflikte gesucht werden als sonst. Ständig zwischen den beiden Elternteilen hin- und hergeswitcht wird, Unterstützung gesucht und der andere ggf. abgelehnt wird. Gerade Alltagssituationen wie das morgendliche Fertigmachen und Zur-Kita-Bringen laufen meist reibungsloser ab, wenn nur ein Elternteil zuständig ist. Als ich wegen Krankheit meines Mannes mal ein Wochenende komplett allein für die Kinder zuständig war, war das zwar anstrengend, aber deutlich harmonischer und damit auch einfacher als oftmals zu viert.

Mich erinnert das auch immer an das Prinzip des Leitwolfes. Einer führt an, alle folgen. Wenn zwei anführen, gibt es Verwirrung. Ich glaube, dass das im Prinzip auch für eine Familie gilt. Bei unseren Kindern merkt man es relativ deutlich, und als ich das Problem schon mehrfach auf Twitter schilderte, bekam ich viel ähnlich lautendes Feedback. Die meisten Eltern hatten die gleiche Erfahrung gemacht. Woran liegt das? Stimmen wir uns nicht gut ab? Sind wir nicht klar genug? Sind wir kein "einheitliches Bollwerk"? Es liegt augenscheinlich nicht an einem von uns Eltern, da das Prinzip, dass die Kinder bei Zuständigkeit eines Elternteils besser kooperieren, bei beiden auftritt. Es ist auch nicht unbedingt ein anstrebsamer Zustand, vor allem nicht auf Dauer, da es doch anstrengend und kräftezehrend ist, allein verantwortlich zu sein. Aber das Durcheinander und Fehlen von Orientierung, wenn beide Eltern da sind, ist auch sehr anstrengend.

Ich denke, es gibt in jeder Familie Situationen, wo der eine Elternteil etwas kundtut und der andere entweder in Unkenntnis oder weil er eine andere Meinung vertritt, das Gegenteil davon. Oder der Eine den Plan A äußert und der Andere einen Plan B. Es ist definitiv auch wichtig für Kinder, dass sie unterschiedliche Auffassungen und Haltungen kennenlernen und sehen, dass Eltern keine Phalanx sind, gegen die sie sich behaupten müssen und gar nicht können, sondern zwei individuelle Menschen mit ganz eigenen Ansichten und Handlungsweisen. Juul sagt dazu: "Es ist egal, wie viel Energie ein Paar darauf verwendet, sich über Prinzipien, Theorien und Werte zu verständigen - die Praxis wird immer wieder anders aussehen. Das ist übrigens ein großer Vorteil für die Kinder, denn deren soziale Kompetenzen werden sich verdoppeln. Das Geheimnis einer von Mutter und Vater gemeinsam ausgeübten Führung besteht darin, den Raum zu schaffen, dass ihre Verschiedenheit Wirkung zeigen kann." (Leitwölfe, S. 64).  

Abgesehen davon, dass ich es nicht egal finde, wieviel sich Eltern über Werte und Ansichten austauschen, bleibt offen, wie das konkret aussehen soll. Selbst wenn jedes Elternteil für sich genommen authentisch, integer, empathisch und klar ist, besteht immer noch das "Problem", dass zwei Eltern völlig verschiedene Charaktere, Werte und Prägungen aufweisen können. Dass es grundsätzlich positiv ist, wenn Kinder mit unterschiedlichen Ansichten in Berührung kommen, ist unbestritten. In Bezug auf das Thema "Leitwolf" jedoch kann es immer mal wieder zu Konflikten führen. Selbst wenn jedes Elternteil einzeln ein guter Leitwolf im Juulschen Sinne ist, können zwei Leitwölfe für Verwirrung, Desorientierung und Instabilität sorgen. Das ist zumindest unsere Erfahrung und - nach dem persönlichen und Online-Austausch zu urteilen - auch die vieler anderer Eltern. Für dieses Problem habe ich im Buch leider keine Lösung gefunden. Für den gleichwürdigen, authentischen Umgang mit Kindern dagegen gibt es wie immer bei Juul wunderbare, wichtige Gedanken und Anstöße.

Kennt ihr das geschilderte Problem auch? Welche Strategien habt ihr dafür entwickelt?

Dieser Text soll explizit keine Buchrezension sein, sondern ist für die Blogparade #Leitwölfe verfasst worden. Vielen Dank an den Beltz Verlag für die (unangeforderte, aber willkommene) Zusendung des Leseexemplars.

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Samstag, 13. Februar 2016

Geschwistervergleich (Blogparade #Einzelstuecke)

Als mein Großer in seiner zweiten Kita eingewöhnt war, fand bald darauf der erste Elternabend statt und wir durften uns die für die Kinder angelegten Mappen anschauen. Darin enthalten waren die Fragebögen, die wir vor der Eingewöhnung ausfüllen mussten, ebenso wie ein Blatt, auf dem das Wesen des Kindes beschrieben werden sollte. Bei mir stand natürlich jede Menge Text über den Großen. Ich lugte zur Sitznachbarin und sah, was sie über ihren Sohn geschrieben hatte: "Er ist lieb und er mag Blumen." Kein Witz! Ich dachte, das kann doch nicht sein, dass jemand nicht mehr über den Charakter seines Kindes berichten kann als das. Ich schreibe halbe Romane und sie nur diese 7 Worte. Sind manche Kinder charakterlich so "unscheinbar" oder die Eltern so oberflächlich? Wie auch immer, über meinen Großen konnte ich schon immer viel erzählen. Noch spannender ist das geworden, seit die Kleine als "Vergleichsobjekt" dazugekommen ist. Dass sie von Geburt an anders als er war, ist eine Tatsache. Dass sich die Unterschiede so manifestiert haben und deutlich zu erkennen sind, ist für mich eine wunderbare Bestätigung meiner Überzeugung, dass Kinder nicht als unbeschriebene, zu formende Blätter auf die Welt kommen, sondern schon die wesentlichen Grundzüge ihres Charakters mitbringen und es deshalb sinnlos ist, die "leeren Gefäße" füllen zu wollen, sondern es die Aufgabe von uns Eltern ist, diese Wesen in ihren Eigenheiten zu erkennen und zu begleiten.

Die charakterliche Unterschiedlichkeit meiner Kinder bei nahezu identischen Voraussetzungen ist  eines meiner absoluten Lieblingsthemen. Deshalb freue ich mich, bei einer Blogparade von Mutter & Söhnchen zu diesem Thema mitzumachen. Da mein Großer fast 5 und meine Kleine 2 3/4 Jahre alt ist, haben sie naturgemäß schon einige Veränderungen und Wandlungen durchgemacht. Ich teile den Text deshalb in die wichtigsten Phasen auf, so dass ihre Unterschiedlichkeit im jeweiligen Lebensabschnitt deutlicher wird.


Babyzeit:

In den ersten Lebensmonaten waren die Unterschiede beider Kinder mit Sicherheit am gravierendsten. Der Große hat sich von Anfang an nicht ablegen lassen, hat viel geschrien, wenig und kurz geschlafen, war sehr schreckhaft und lärmempfindlich, sehr unzufrieden, einerseits nähebedürftig, andererseits total unkuschelig. Er litt unter Reizüberflutung und war gleichzeitig ein neugieriges, alles aufsaugendes Kind. Er brauchte eigentlich viel Schlaf und konnte aber weder selbst abschalten und in den Schlaf finden, noch lange genug schlafen, um sich zu erholen. Sein ganzes System war unglaublich störanfällig und von uns abhängig. Er musste von außen, von uns reguliert werden, da er in sich völlig labil und unausgereift war. Bis wir das halbwegs verstanden hatten, verging viel Zeit und wir waren alle sehr unglücklich. Als wir einen halbwegs festen Rhythmus entwickelt hatten und und uns auf seine intensiven Bedürfnisse eingestellt hatten, lief es besser. Jegliche Planänderungen, Umstellungen oder Überforderungen warfen ihn aber noch sehr lange, eigentlich bis heute, aus der Bahn. Er kämpfte verbissen um jeden motorischen Fortschritt und war sehr ungeduldig. Er fremdelte sehr früh und sein Trennungsschmerz war unvorstellbar und für mich oft unerträglich groß.

Die Kleine war die ersten Monate ein traumhaft pflegeleichtes Baby, schlief viel, trank nur kurz, schrie kaum, war kuschelig und leicht zufriedenzustellen. Wenn sie bei Mama war oder auf Mamas Bett lag, war ihre kleine Welt in Ordnung. Sie ließ sich problemlos ablegen, schlief anfangs ganz einfach zuhause, im Auto und beim Tragen ein und ließ uns viel Raum und Zeit zum Durchatmen und Ankommen. Sie konnte liegen, im Gegensatz zum Großen, der immer getragen wurde. Trotzdem habe ich sie auch viel und gern getragen, weil es schön war und ich wusste, ich kann sie jederzeit ablegen. Das ist eine ganz andere Voraussetzung als ein erzwungenes Tragen. Stressig waren immer die Zeiten, wenn beide Kinder anwesend waren, weil ihre Ruhe dann auch gestört war und beide Kinder Zuwendung brauchten. An den Wochenenden, wenn der Bruder zuhause war, merkte man deutlich, dass sie unruhiger und fordernder war. Ihre schlechten Phasen fielen sehr auf, weil der Kontrast zu den meist guten, einfachen Zeiten da war. Mit genau einem halben Jahr wurde sie wacher und agiler. Ab dann schlief sie leider nur noch sehr kurze Phasen (halbe Stunde) und war entsprechend unausgeglichen und launisch. Dafür machte sie ab dann ungeheure motorische und kognitive Fortschritte und holte rasant auf. Im Endeffekt war sie in allen Entwicklungsschritten nur ca. 4 Wochen hinter dem Großen im gleichen Alter, nur dass sie eben - im Unterschied zu ihm - das erste halbe Jahr verschlafen hatte. Sie fing erst mit 11 Monaten an zu fremdeln. Das war dummerweise kurz vor ihrem Kitastart. Sie ist als Kleinkind anhänglicher als als Baby geworden.

Kleinkindzeit:

Die Kita-Eingewöhnungen waren bei beiden Kindern nicht leicht. Sie litten sehr unter der Trennung. Beim Großen war es eine mehrmonatige Katastrophe, die erst nach einem Kitawechsel ein halbwegs erfolgreiches Ende fand. Bei der Kleinen war es oberflächlich gesehen eine schnelle Eingewöhnung, aber sie brauchte auch danach noch mehrere Monate, bis sie richtig angekommen war.
Beide Kinder waren schlechte Esser und wurden lange gestillt. Sprachlich haben sie schnelle Fortschritte gemacht, die Kleine noch schneller als der Große, weil sie eine unheimlich rasante Auffassungsgabe hat. Ihre kognitiven Fähigkeiten, ihre Kombinationsgabe, ihr Reaktionsvermögen sind absolut erstaunlich. Sie ist "schnell im Kopf". Der Große ist ein Kind, das lange beobachtet, nachdenkt und erst dann - wenn überhaupt - handelt. Stellt man eine Frage, bekommt man eine Antwort - von der Kleinen. Bittet man um einen Gefallen, erfüllt ihn - die Kleine. Macht man einen Vorschlag, setzt ihn um - die Kleine. Der Große ist sehr statisch in seinem Wesen, die Kleine quirlig und wandelbar. Sie ist risikofreudiger und unvorsichtiger und hatte deutlich mehr kleinere Unfälle als er. Der Große war nie ein Kind, das weggelaufen ist oder im Straßenverkehr unbedacht war. Die Kleine ist da wesentlich unzuverlässiger. Das erfordert von uns ein Umdenken, da wir es ja anders gewöhnt waren. Der Große muss zu allem motiviert und angeschoben werden. Und vor allem muss man ihn vorbereiten auf das, was kommt. Die Kleine hört etwas und will es sofort in die Tat umsetzen. Sie muss nicht angeschoben, sondern ständig gebremst werden. Eine wahre Herausforderung für uns Eltern, solch unterschiedlichen Kindern gerecht zu werden und jedes in seinem Wesen zu erkennen und zu unterstützen.

Der wichtigste Unterschied zwischen beiden Kleinkindern ist sicherlich die Fähigkeit zum Verbalisieren der Gedanken und Gefühle. Während der Große seine Wut und Unzufriedenheit immer vor allem körperlich, auch auto-aggressiv zeigte und in den schlimmsten Momenten wirklich zuhause randalierte, kann die Kleine bestimmt schon seit einem halben Jahr (sie ist 2 3/4) sagen: "Ich bin sauer!", wenn ihr etwas nicht passt. Oder "ich bin traurig", wenn sie sich von mir trennen musst. Oder "ich hab dich vermisst", wenn wir uns erst abends sehen. Sie konnte auch als Baby schon viel besser und deutlicher zu verstehen geben, was sie wollte, und bemühte sich immer sehr lange, bis wir sie verstanden hatten. Der Große ist immer sofort ausgerastet, wenn etwas nicht nach Plan lief. Die Kleine ist da viel "sozialer" und weiß, dass sie nicht gegen, sondern mit Verbündeten ans Ziel kommt. Diese Devise verfolgt sie auch bei allem, was sie erreichen will (und erreicht dadurch oft mehr als der Große). Sie sagt "ich will was essen" oder holt sich selbst was, wenn sie Hunger hat. Der Große bekommt schlechte Laune, wenn er hungrig ist, verbalisiert aber weder sein Hungergefühl noch versucht er aktiv, den Missstand zu beseitigen. Allerdings macht er dadurch auch weniger Unfug als die Kleine :-). Mit der Kleinen ist das Leben gefährlicher, da sie unberechenbarer und risikobereiter ist, aber auch einfacher, weil sie entweder ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt oder uns deutlich vermittelt, was sie möchte.

Autonomiephase:

Die sogenannte "Trotzphase" zeigt ebenso wie die Babyzeit ganz deutlich den Unterschied der beiden Charaktere. Einen vorläufigen Zwischenstand habe ich letztes Jahr beschrieben. Er gilt im Prinzip immer noch. Der Große brachte uns in dieser Zeit (ca. 1 1/4 bis 3 1/2 Jahre) nicht nur an, sondern über unsere Grenzen. Wir waren so hilflos, dass wir eine Kitapsychologin einschalteten. Er konnte sich so schlecht verständlich machen und war mit sich, uns und der Welt völlig uneins. Er war kompromisslos, nicht manipulierbar, unbestechlich, nicht beeinflussbar, nicht ablenkbar, unglaublich heftig in seinen Reaktionen und unempfänglich für Zuwendung. Er kam nie von selbst wieder zu uns und man konnte ihn kaum emotional einfangen. Ich glaube, am wütendsten wurde er immer, wenn wir nicht verstanden, was er wollte. Mit der heutigen Erfahrung, besonders was das Spiegeln von Emotionen betrifft, hätte ich sicherlich oft besser reagieren können. So aber war er ein wandelnder Vulkan.

Die Kleine ist auch energisch und vehement, durchsetzungsstark und kämpferisch. Aber mit ihr kann man meist verhandeln, einen Kompromiss erzielen, ablenken oder auch bestechen. Viele Ärgernisse kann man schon beseitigen, bevor sie explodiert, weil sie sich eben besser verständlich machen kann. Sie kommt emotional meist von selbst zurück und fordert wieder Zärtlichkeit ein, wenn sie sich beruhigt hat. Das macht es erträglicher und bringt uns danach wieder zueinander. Man fühlt sich emotional nicht so ausgebrannt. Dazu kommt, dass wir Eltern jetzt mehr Erfahrung darin haben, was Kleinkinder so alles ärgert und nicht mehr völlig hilflos daneben stehen. Sie hat insgesamt viel weniger Wutanfälle, weniger heftig, weniger körperlich, weniger verzweifelt, weniger unzugänglich, und vor allem: bei ihr gibt es immer hinterher eine körperliche Versöhnung. Ich empfinde ihre Autonomiephase als deutlich leichter als beim Großen.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass die beiden Geschwister sich mit ihren unterschiedlichen Charakteren jetzt wirklich zusammengerauft haben. Die Kleine liebt den Großen heiß und innig. Sie fragt als erstes morgens nach ihm, ebenso, wenn sie kommt und er ist nicht da. Sie vermisst ihn bei Abwesenheit unglaublich. Der Große ist etwas unabhängiger von ihr, aber auch er hat mittlerweile erkannt, was er an ihr hat und lernt viel von ihr. Sie war lange Zeit die Einzige, die ihn kuscheln und liebkosen durfte. Natürlich streiten sie auch oft und sind sehr eifersüchtig aufeinander. Beide sind im Grunde Sturköpfe und unnachgiebig. Da ist es oft schwer zu vermitteln. Aber es ist jetzt schon viel ruhiger geworden als noch vor einem Jahr. Sicherlich mussten sie sich auch erst kennenlernen. Ich finde ja, sie ergänzen sich perfekt und können viel voneinander profitieren: der Große als vorsichtiger, zurückhaltender, bedachtsamer, von Emotionen gebeutelter Junge, sehr entscheidungsscheu und eher langsam, dafür aber zuverlässig und keinen Unfug treibend, die Kleine als quirliges, vorpreschendes, innerlich zufriedenes, initiativ- und ideenreiches Mädchen, oft etwas zu übermütig mit den entsprechenden Auswirkungen, aber immer aktiv und lösungsorientiert.

Man könnte noch viel mehr schreiben, über Essens- und Schlafensunterschiede, über ihre Interessen und Leidenschaften, über ihr soziales Verhalten etc. Aber ich denke, es ist deutlich geworden - und ich schreibe ja auch immer wieder darüber - , dass meine beiden Kinder von Anfang an grundverschieden waren. Das ist spannend, das ist entlastend, das ist bereichernd und herausfordernd - und nie langweilig :-)

Und hier noch ein paar Texte, in denen ich auch schon über das Thema "Unterschiedlichkeit" geschrieben habe:
http://fruehlingskindermama.blogspot.de/2015/03/wer-hat-was-von-wem-blogparade-dubistich.html
http://fruehlingskindermama.blogspot.de/2014/12/verschiedenheit.html
http://fruehlingskindermama.blogspot.de/2015/08/liebe-fuhlt-sich-sehr-verschieden-an.html
http://fruehlingskindermama.blogspot.de/2015/07/wenn-die-kleine-jetzt-die-groe-wurde.html
http://fruehlingskindermama.blogspot.de/2014/12/ode-die-kleine.html

Ich habe den Text nachträglich auch bei der Blogparade #gleichunddochunterschiedlich von Familie Motte verlinkt.

Montag, 8. Februar 2016

Wehmut? Nein, überhaupt nicht.

Am Samstag twitterte ich:

Heute in einem Monat wird der Große 5 !!! Unglaublich. Und schön! 
Keine Wehmut, überhaupt nicht. Es wird immer besser.

und musste danach erstmal weinen. Denn was heißt das, wenn keine Wehmut vorhanden ist? Dass es eigentlich keine schöne Zeit war. Man froh ist, dass sie vorbei ist und sie sich nicht zurückwünscht. Mein Mann meinte: Auf die letzten Jahre mit dem Großen hätte man getrost verzichten und erst jetzt starten können. Es macht traurig, an die ersten Jahre mit dem ersten Kind, dem Wunschkind, nicht positiv zurückdenken zu können. Sich einfach nur zu freuen, dass die Zeit vergangen ist und sich die Situation gewandelt, normalisiert, stabilisiert hat. Diesen großen, tollen, vorsichtigen, bedächtigen, angekommenen Jungen anzuschauen und zu denken, warum verdammt hat man soviel durchmachen müssen. Warum war es so schwer? Warum war es nicht schön? Warum war es ein täglicher Kampf? Und das war es für uns alle drei, für uns Eltern genau wie für ihn selbst.

Seit seiner Geburt denke ich über ihn nach. Lese, rede, schreibe. Das erste Babyjahr war existenziell schwierig und durchgehend unglücklich. Dann folgten komplizierte und hochemotionale Monate mit Eingewöhnungsversuchen in zwei Kitas, letztendlich erfolgreich. Ich wurde überraschend schwanger mit der Kleinen. Kurz nach seinem 2. Geburtstag stieß ich auf die Hochsensibilität, die mir vieles sowohl an ihm, vor allem rückwirkend die grässliche Babyzeit, als auch meine Schwierigkeiten und Grenzen als Mama zu erklären schien und dadurch eine spürbare Erleichterung für meinen Umgang mit ihm brachte. Das ist nun fast 3 Jahre her und auch diese waren trotzdem nicht nur physisch, sondern vor allem mental sehr anstrengend. Die kraftraubende Autonomiephase, die Geburt der Schwester und viele weitere kleine und größere Ereignisse brachten uns immer wieder an den Rand unserer Kräfte und Weisheit.

Wonach soll ich denn wehmütig sein? Nach einer Zeit mit einem außer Rand und Band schreienden, nicht schlafenden und nicht ablegbaren Baby, das zwei permanent anwesenden Erwachsenen monatelang nicht eine Sekunde des Durchatmens ließ? Nach Nächten, die diesen Namen nicht mal annähernd verdienten? Nach einem schlecht gelaunten Einjährigen, an dessen Bett ich täglich um 6 Uhr morgens heulend und verzweifelt saß? Nach einem knapp zweijährigen Kind, das sich im Buggy sitzend wie der Leibhaftige gebärdete? Nach einem Kind, das Autofahrten zum Höllentrip machte? Nach einem Dreijährigen, der tobte und wütete, als würde er die ganze Wut der Welt in sich vereinen? Nach einem Kind, das jahrelang für uns weder ein liebes Wort noch eine Berührung übrig hatte? Das ist alles nicht übertrieben, das ist Realität - harte, sehr harte Realität für uns gewesen. Es gab oft, sehr oft Nachmittage, in denen ich mir 5 Minuten nach dem Abholen aus der Kita wünschte, ihn wieder dort abzugeben, weil er völlig durchdrehte. Er konnte sich einfach nicht verständlich machen, vielleicht wusste er selbst nicht, was er wollte. Wenn ich versuche, mir schöne Momente ins Gedächtnis zu rufen, muss ich leider feststellen, dass es kaum welche gab. Wir hatten selten Situationen mit ihm, die unbeschwert, lustig, "normal" waren, sondern empfanden alles als Kampf und Quälerei. Er war kein Kind, das Späße mit den Eltern machte, schäkerte und ausgelassen war. Er war kein Kind, das einfach Vertrauen in seine Eltern mitbrachte oder eine Symbiose mit den Eltern anstrebte. Er war sehr eigen. Ich habe mich durch ihn völlig neu kennengelernt.

In den wenigen schönen, unbeschwerten, glücklichen Momenten merkten wir deutlich, wie es sein könnte, wenn wir besser miteinander harmonieren würden. Wenn wir ihn besser verstehen und er sich besser verständlich machen könnte. Als ich (leider erst) mit ca. 3 Jahren anfing, seine Emotionen zu spiegeln, wurden seine Wutanfälle etwas leichter fassbar, für ihn und für mich. Seine Schübe waren immer unglaublich anstrengend, bis heute hat man dann jedesmal das Gefühl, sein ganzes Gehirn ist ausgelöscht. Mittlerweile kennen wir das, es kostet uns immer noch viel Kraft, aber keinen Nervenzusammenbruch mehr. Alles, was ihn umtreibt, ist sehr existenziell und tief. Ich glaube, dass in ihm Dinge arbeiten, die er selbst noch gar nicht richtig fassen kann und möchte ihm noch viel Zeit geben, mit diesen vertraut zu werden. Deshalb möchte ich ihn von einigen Problemen unserer Zeit bzw. Gesellschaft vorerst noch fernhalten.

Mit jedem Monat, der in seinem Leben vergangen ist, wurde es besser, für uns und für ihn. Er hat sich unglaublich entwickelt und wir sind aneinander gewachsen. Er wird immer das schwierigere unserer beiden Kinder bleiben, das denke ich schon, aber wir haben einen Zugang zueinander gefunden. Erst jetzt schaue ich ihn an und denke (und sage das auch): "Was für ein toller, großer Junge!" Erst jetzt lachen wir gemeinsam, wenn er Späße macht, was er meist gar nicht selbst bemerkt (früher hat er immer gedacht, wir lachen ihn aus). Erst jetzt hat er langsam angefangen, Zuneigung und Körperkontakt zuzulassen und selbst zu zeigen. Er hat gelernt, dass er uns als Kind nicht ausgeliefert ist und sich nicht abgrenzen muss, sondern sich äußern und dann gemeinsam mit uns einen Weg finden muss und auch kann. Dass er uns vertrauen und sich auf uns verlassen kann. All das brachte unsere Kleine von Grund auf schon mit. Bei unserem Großen musste das erst wachsen, auf einem schmerzhaften und steinigen Weg. Aber ich glaube, es ist nun da.

Das Leben mit ihm jetzt ist um so vieles leichter als in jedem der vorangegangenen Jahre. Er ist innerlich ruhiger geworden und weiß mehr, was ihm gut tut. Er kann sich besser öffnen und merkt, wieviel positives Feedback er dann bekommt. Wir sind reifer und erfahrener geworden und kennen ihn. Es gibt immer wieder schwierige Situationen, in denen wir immer noch nicht den Dreh raus haben, wie wir ihm helfen können (Phasenübergänge, Anziehen etc.). Aber insgesamt haben die schönen, entspannten, lustigen Momente im Leben mit ihm doch deutlich zugenommen. Am schönsten ist es immer, wenn man allein mit ihm ist. Früher war es am schrecklichsten, mit ihm allein zu sein. Oft hat man nicht mal eine einzige Stunde allein mit ihm ausgehalten, ohne Durchzudrehen. Ja, so war das. Eine riesige Wandlung also.

Insofern: keinerlei Wehmut befällt mich beim Gedanken an seinen baldigen Geburtstag. Absolut null. Nie wieder möchte man solche Jahre erleben müssen. Nie wieder möchte man sein Kind und sich selbst so leidvoll und hilflos erleben. Man möchte aus den schönen Momenten mit dem Kind die Kraft für die schwierigen Phasen schöpfen. So wie es bei der Kleinen schon immer war. Beim Großen fängt das gerade erst an. Und ich hoffe inständig, es bleibt so. Wehmut bzw. tiefe Traurigkeit herrscht höchstens darüber, dass wir keine schönen Baby- und Kleinkindjahre zusammen mit ihm hatten, sondern immer nur gehofft haben, dass jeder Tag schnell vergehen möge. Dass es so lange gedauert hat, bis wir uns aufeinander eingestellt hatten. Dass wir sicherlich viel mit ihm falschgemacht und herumexperimentiert haben, weil nichts funktionierte. Dass er seinerseits auch so lange brauchte, um sich an uns und die Welt zu akklimatisieren. Und wir ihm das kaum erleichtern konnten, obwohl wir alles gaben, tagtäglich. Das ist nicht mehr zu ändern und schmerzt unglaublich. Aber: es wird immer besser. Mit jedem Jahr.

Donnerstag, 4. Februar 2016

Sind alle Kinder tiervernarrt?

Irgendwie dachte ich früher immer, alle Kinder interessieren sich für Tiere. Haustiere, Wildtiere, im Zoo, im Wald, auf dem Bauernhof. Ein Ausflug in den Tierpark würde bei Kindern höchste Begeisterungsstürme und größte Dankbarkeit auslösen. Tierbücher werden exzessiv angeschaut, Tierstimmen nachgeahmt, auf der Weltkarte nachgesehen, wo die Tiere leben etc. Es wird mit Tierfiguren gespielt, Kuscheltiere werden gesammelt, Tierverkleidungen werden geliebt. Nur wenig davon ist bei uns der Fall.

Der Große hat sich eigentlich nie für Tiere interessiert. Schon als Baby schaute ich mit ihm niedliche Tierbücher wie Mein erstes großes Fühlbuch an, machte Tiergeräusche nach und wartete darauf, dass er nachahmen würde. Das erfolgte nie. Er bekam eine Arche Noah ähnlich der von PLAYMOBIL 123 und spielte kaum damit (erst die Kleine nutzte sie später). An seinem 1. Geburtstag besuchten wir mit ihm den Zoo und meinten, ihm ein unvergessliches Erlebnis zu bescheren. Er hat sich nicht nur NULL für die Tiere interessiert, er hat sogar die ganze Zeit gemeckert und gequengelt. Es war ein wenig enttäuschend. Auch die wenigen darauffolgenden Male wurden nicht besser. Ich dachte, er müsste sich vielleicht erst dran gewöhnen und vertrauter mit den Wildtieren werden, aber dem war nicht so. Nach der Geburt der Kleinen hatten wir eine vergünstigte Babycard für den Zoo gekauft (die es jetzt wohl nicht mehr gibt). Wir nutzten sie aber nicht sehr oft, da der Große sich weiterhin mehr oder weniger nur für den Spielplatz im Zoo interessierte. Und die Kleine war ja sowieso noch ein Baby.

Der Große an seinem 1. Geburtstag im Zoo. Sein Gesichtsausdruck sagt alles.

Es war nicht so, dass wir ihn nicht an Tiere herangeführt hätten. Oft besuchten wir in unserem Park die Ziegen und die Vogelvoliere, aber auch das konnte ihn nicht hervorlocken. In unserer Nähe gibt es einen Kinderbauernhof mit Schafen, Ziegen, Eseln, Hasen, Gänsen und vielen Spielgeräten. Nach ca. 3 Versuchen ließ ich es bleiben und ging kaum noch mit ihm hin. Es war einfach zu frustrierend, er wusste nicht, was er dort machen sollte, er ging weder von selbst noch mit mir von Gehege zu Gehege, wollte immer auf den Arm. Er hat sich nicht gemerkt, wo welche Tiere untergebracht waren, fragte nie danach und bat nie darum, wieder zum Kinderbauernhof gehen zu können. Wir hatten ihm viele Tierfiguren gekauft, weil wir davon ausgingen, dass alle Kinder gern damit spielen. Nicht ein Mal hat er sie selbstständig angerührt, und auch, wenn wir ihm was vorgespielt haben, kam kein Interesse auf. Wir fanden das sehr ungewöhnlich. Fragt man ihn nach seinem Lieblingstier (wir müssen jetzt oft Freundebücher ausfüllen), kommt lange gar nichts und dann zögerlich sein Kuscheltiger und der T-Rex (von Kitafreund aufgeschnappt). Also nichts, was man sich unter einem Lieblingstier vorstellt. In unserem Garten hat er nie Ameisen gejagt oder Regenwürmer gesammelt. Schneckenhäuser sammelt er ganz gern :). Im Kurzurlaub mit dem Papa hatte dieser ihm sogar eine exklusive Kinderführung durch den örtlichen Zoo organisiert, inklusive hautnaher Fütterungen. Auch dies stieß nicht auf große Begeisterung.

Die Kleine war anders, sie schaute gern Tierbücher an, ahmte auch Tierstimmen nach und hörte fasziniert zu, wenn wir Tiergeräusche machten. Sie interessierte sich schon früh für die Tiere im Kinderbauernhof und mit ihr machte es Spaß, diesen zu besuchen, da sie eigenständig von Stall zu Stall lief. Sie kennt die Namen der Tiere und weiß, wo sie sich aufhalten. Sie liebt Pferde, allerdings hat sie Angst, wenn sie zu nahe kommen. Anfangs ist sie gern auf Ponys geritten, im letzten halben Jahr wollte sie dies aber auch kaum noch. Der Große sowieso nicht. Ihr Lieblingsbuch war lange Zeit Die Eule mit der Beule. Wenn wir im Garten sind, drängt sie immer darauf, die Heckrinder zu besuchen, die in einem Freigehege in dem Naturschutzgebiet hinter unserem Garten leben. Vor Ort überwiegt dann wieder die Angst. Ähnlich wie der Große hat sie auch nie oder selten mit unseren Tierfiguren gespielt. Insgesamt war/ist sie aber Tieren gegenüber deutlich aufgeschlossener und interessierter als der Große.

Am letzten Sonntag gab es die Aktion "Berlin sagt danke", in deren Rahmen man viele Attraktionen Berlins kostenlos besuchen konnte. Im Zoo Berlin wurden kostenlose Early Bird-Tickets an die ersten 1500 Besucher vergeben und ich versuchte, die Kinder für ein schnelles Anziehen nach dem Frühstück zu motivieren. Die Kleine war Feuer und Flamme, der Große stöhnte und meinte: "Och nö, ich will nicht in den Zoo, da muss man immer bei den Tieren stehenbleiben und weitergehen und wieder stehenbleiben." Stimmt ja irgendwie, aber wir wollten es halt wiedermal probieren und die kostenlose Gelegenheit nutzen. Wir waren um 9:30 Uhr da und ergatterten Early-Bird-Tickets. Ich freute mich sehr, ist doch der normale Eintrittspreis heftig, vor allem, wenn man nicht so tierbegeisterte Kinder hat und eh' nur bis zum Mittagsschlaf bleiben möchte. Beim Großen war alles wie immer, er interessierte sich kaum und fragte die ganze Zeit nach dem Spielplatz. Am ehesten faszinierten ihn die ungewöhnlichen Tiere wie der Ameisenbär, und die Fütterungen. Die Kleine, die sich so auf den Zoo gefreut hatte, skandierte die ganze Zeit "Weiter, weitergehn!", wenn wir irgendwo stehenblieben. Auch ihr schienen die Wildtiere eher fremd zu sein. Auf dem Spielplatz blühten beide Kinder dann auf und stellten ihr Gemecker ein. Naja, aber für den ohne Frage tollen Spielplatz werden wir mit Sicherheit zukünftig nicht die teuren Eintrittspreise bezahlen.

Insgesamt hält sich die Tierliebe und -Begeisterung meiner Kinder also in Grenzen. Sie füttern gern Enten und sammeln gern Feuerkäfer. Sie beobachten gern Katzen, die sich unter Autos verstecken. Sie fanden es spannend, mal die Hasen der Nachbarn in den Ferien zu hüten. Dann hört es schon fast auf. Ein Urlaub auf dem Bauernhof wäre also wohl im Moment nicht das Richtige für uns. Oder vielleicht doch? Vielleicht entwickeln sie dann ein Gefühl und Interesse für Tiere? Ich kann mich leider nicht zurück erinnern, wie ich selbst in dieser Hinsicht als Kleinkind war. Sehe aber viele andere, tierbegeisterte Kinder, die auch schon viel mehr über Tiere wissen als meine Kinder. Wir haben Tierbücher, Tierpuzzles, Tierfiguren, eine tolle Weltkarte mit Tieren, Tierbuchstaben etc. Aber irgendwie springt der Funke nicht über. Ist ja nicht dramatisch, wir finden es eben nur ungewöhnlich. Weil es nicht unserer Erwartungshaltung grundsätzlich tierlieber Kinder entspricht. Wahrscheinlich werden wir dereinst noch froh darüber sein: wenn es nämlich um den Wunsch nach Haustieren geht. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass meine Kinder diesen äußern werden. Mein Bruder und ich waren auch nicht sehr haustierbegeistert. Wir besaßen erst Fische und dann einen wegen eines Umzugs geschenkten Wellensittich. Den meisten Spaß damit hatte mein Vater. Und spätestens, seit mir ein Hamster in einem Haus, das ich im Urlaub hüten sollte, durch die morschen Bodendielen entwischt ist und erst am nächsten Tag wieder auftauchte, bin ich gegenüber Tieren im Haushalt voller Vorbehalte. Insofern wäre es mir nur recht, wenn meine Kinder keine Haustiere einfordern würden.

Wie ist das bei euch, lieben eure Kinder Tiere oder sind sie auch eher desinteressiert oder skeptisch? Wie hat sich der Bezug eurer Kinder zu Tieren entwickelt/ verändert? Haben sie Angst? Habt ihr schon einmal Urlaub auf dem Bauernhof gemacht? Wie war das? Möchten eure Kinder Haustiere haben?

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