Samstag, 20. Februar 2016

Hat die Kleine in der Kita gebissen?

Am Mittwoch empfing mich eine Erzieherin beim Abholen mit den Worten, dass die Kleine ja heute mal Zähne gezeigt habe. Ich nahm das metaphorisch und meinte, sie hätte sich mal richtig lautstark durchgesetzt oder so. Nein, sie habe ein anderes Kind gebissen. Mir rutschte die Kinnlade runter. Gebissen? Die Kleine? Keines meiner Kinder hat jemals in der Kita gebissen. Sie sind dort sehr ruhig, zurückhaltend, angepasst und gehen Konflikten eher aus dem Weg. Ich fragte nach. Die Erzieherin hatte die Situation gar nicht selbst beobachtet und konnte nur weitererzählen, dass ein anderes Mädchen der Kleinen etwas weggenommen und diese daraufhin zugebissen habe. Sie hätten dann die Kinder getrennt und später in Ruhe besprochen, dass das nicht geht, sondern was sie stattdessen machen soll. Am Nachmittag hat es dann wohl noch eine andere, ähnliche Konfliktsituation gegeben, wo die Kleine sich mit Hilfe ihrer besten Freundin aber "gewaltfrei" gegen das gleiche Mädchen durchgesetzt habe.

Am Abend befragte ich die Kleine nebenbei, um herauszufinden, was sie dazu sagt. Irgendwie passte nichts so richtig zusammen. Sie berichtete, dass das andere Mädchen ihr etwas weggenommen hat und dann aber ein drittes Kind das Mädchen gebissen hat, nicht sie. Sie bestritt es nicht direkt, behauptete aber steif und fest, ein Junge hätte gebissen. Normalerweise ist sie sehr zuverlässig und reflektiert in ihren Erzählungen. Ich fragte mich auch in dem Moment, ob ein Kind von 2 3/4 Jahren schon bewusst ein anderes Kind beschuldigen kann für etwas, von dem es weiß, dass es nicht gut ist. Was das Beißen angeht: der Große hat nie gebissen. Die Kleine hat uns früher manchmal aus Liebe und Überschwang gebissen, noch nie aus Aggression oder Abwehr. Deshalb wunderte es mich sehr und ich wollte die Kleine auch nicht für etwas zur Rechenschaft ziehen, wofür sie vielleicht gar nicht verantwortlich war. Ich beließ es also dabei.

Ich schrieb der Mama vom gebissenen Mädchen abends eine Nachricht, ob sie Näheres wüsste, aber sie hatte auch nur die gleichen Informationen wie ich. Zum Glück fand sie es nicht weiter tragisch und meinte, "passiert halt". Am nächsten Tag beim Abholen traf ich erst eine andere Erzieherin, die ich fragte, ob sie die Situation miterlebt hatte - nein. Stattdessen erzählte sie mir begeistert Begebenheiten mit der Kleinen aus dem Kitaalltag, von denen sie im positiven Sinne sehr erstaunt war. Zitat: "So etwas macht kaum ein anderes Kind in dem Alter." Danach ging ich in den Garten, um die Kinder zu holen. Da kam die Bezugserzieherin der Kleinen schon auf mich zu und berichtete von sich aus:

Die Kinder hatten wohl mit Schüsseln voll Reis gespielt, geschüttet und sortiert. Es war sehr eng am Tisch und einige Kinder, darunter das gebissene Mädchen, beugten sich immer wieder vor und schnitten damit den anderen Kindern das Aktionsfeld ab. Es gab allerdings keinen Konflikt um weggenommenes Spielzeug. Scheinbar wurde es der Kleinen, die neben dem Mädchen saß, irgendwann zu bunt und sie muss sie wohl in den Arm gebissen haben. Meine Frage, ob die Erzieherin dies explizit gesehen habe, bejahte sie zwar, allerdings halte ich es ehrlich gesagt für schwierig, bei 30 Kindern jede Situation konkret im Auge zu behalten, gerade wenn Gedrängel am Tisch herrscht. Jedenfalls war es nach ihrer Aussage kein Beißen aus Aggression, sondern die Kleine fühlte sich bedrängt und von ihrem Blick auf das Geschehen behindert. Sie trennten die Kinder und klärten die Situation. Und am Nachmittag gab es dann wohl den besagten Spielzeugkonflikt mit dem gleichen Mädchen, den die Kleine mit ihrer Freundin friedlich zu ihren Gunsten lösen konnte.

Ich berichtete noch einmal, dass die Kleine früher lediglich aus Gefühlsüberschwang selten mal und dann nur uns gebissen habe, aber nie aus Konflikten heraus. Sie meinte auch, das sei ja nicht mehr das typische Beißalter, in dem die Kinder noch nicht richtig kommunizieren können und deshalb zubeißen. Die Kleine könne sehr gut kommunizieren und setzt sich wohl auch durch. Es scheint sich also tatsächlich um ein Beißen aus Bedrängnis gehandelt zu haben. Eigentlich merkwürdig, weil der Kleinen körperliche Nähe nicht so viel ausmacht, wie beispielsweise dem Großen. Ganz im Gegenteil, sie liebt es, mit uns zu kuscheln und ganz nah bei mir zu sein. Es muss sie also gewaltig der Hafer gestochen haben. Das gebissene Mädchen nahm es wohl relativ gelassen und kam sogar später von sich aus wieder auf die Kleine zu.

Für die Erzieherinnen war der ganze Vorfall völlig undramatisch, sie wissen, dass die Kleine nicht aggressiv ist. Für mich war es einfach sehr überraschend und nicht unbedingt schlüssig. Natürlich ist meine Kleine keine Heilige, sondern ein normales Kind, was auch mal beißen kann. Aber würde ein Kind in dem Alter (2 3/4) das nicht auch zugeben, statt ein anderes Kind als Täter zu benennen? Können Kinder in dem Alter überhaupt schon bewusst lügen? Ich will auch die Aussage der Erzieherin gar nicht in Zweifel stellen, halte es aber wie gesagt für eher unwahrscheinlich, dass sie bei 30 Kindern genau den Vorgang beobachtet hat, zumal die beiden beteiligten Kinder überhaupt nicht als Aggressoren bekannt sind, auf die man ein Auge werfen müsste. Zwei andere befragte Erzieherinnen haben den Vorfall nicht mitbekommen. Die Kleine ist kein körperlich aggressives Kind und kann sich eigentlich gut mit anderen Mitteln (Kreischen) Gehör verschaffen. Es passt nicht so richtig zusammen. Wie auch immer: es war das erste Mal in 4 Jahren, dass ich mit solch einer Information aus der Kita konfrontiert wurde, und entsprechend überrascht war ich. Es mag so passiert sein. Aber ein leiser Zweifel bleibt.

12 Kommentare:

  1. Liebe Frühlingskindermama,
    ich denke, du kannst deiner Tochter ruhig glauben, denn richtig bewusst lügen tun Kinder erst ab dem 5. Lebensjahr.
    Kinder in dem Alter erzählen eigentlich eine Sache so, wie sie sie sehen oder empfinden. Klar, kanns da Unterschiede geben, was die Realität angeht, aber bei so was kann ich mir das schwer vorstellen.

    Ich denke, dass die Erzieherin vielleicht einfach nicht genau gesehen hat, was passiert ist.

    Liebe Grüße
    Daniela

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    1. Das dachte ich eigentlich auch, dass sie das erst später können. Sagte das übrigens auch zu der Erzieherin, aber sie meinte, nein nein, das gibt's schon früher. Wahrscheinlich gibt es Zwischenstufen, wie unten in den Kommentaren genannt. Sowas kenne ich von der Kleinen auch.
      Danke für Deine Einschätzung!
      Lieben Gruß!

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  2. Liebe Frühlingskindermama, liebe Daniela,
    ob Kinder unter fünf Jahren noch nicht bewusst lügen, würde ich so nicht unterstreichen. Meine Tochter hat mit unter drei Jahren schon uns Eltern gegeneinander ausgespielt, wenn sie etwas wollte (z.B. Süßigkeiten) oder nicht wollte (z.B. Zähne putzen oder Pipi machen). Dann hat sie doch felsenfest behauptet, sie hätte bereits mit Papa schon die Zähne geputzt oder Pipi gemacht. Dabei hat sie manchmal richtig verschmitzt geguckt. Manchmal hat sie uns damit reingelegt, bis wir irgendwann dahinter kamen, dass das gar nicht stimmte. Wir konnten selbst nicht glauben, dass sie bereits in dem Alter so bewusst lügt. Aber es wiederholte sich in anderen Situationen immer wieder ähnlich. Es liegt auch nicht daran, dass sie unsere Frage vielleicht nicht verstanden hätte. Sie weiß ganz genau, was Sache ist. Sie ist gerade erst drei geworden und das fing schon vor ca. einem halben Jahr an.
    LG Anne

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    1. Aber ist das bewusstes Lügen oder vielleicht eher, dass sie sich gar nicht erinnert, ob sie schon Pipi gemacht hat, weil es für sie überhaupt keine Wichtigkeit hat? Schwierig. Ihr könnt ja eure Tochter am besten einschätzen ... und ich kenne meine Kleine eher so, dass sie ziemlich realistisch berichtet und auch ein gutes Erinnerungsvermögen hat. Trotzdem, ausgeschlossen ist es natürlich nicht, dass sie gerade nach den Ansagen der Erzieherin, von denen ich ja nicht weiß, wie "hart" sie waren, die Wahrheit nachträglich verdreht. Mein Gefühl sagt mir eigentlich, dass sie es nicht war, aber das kann auch einfach nur die Wunschvorstellung sein, dass beide Kinder doch bitte ohne negative Vorkommnisse durch die Kitazeit kommen mögen.
      Liebe Grüße und danke!

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  3. Einer meiner Söhne hat in diesem Alter öfter mal Spielzeug von seinen Freunden oder aus dem Kindergarten mitgenommen. Wenn man ihn fragte, wo er das her hat, sagte er, er habe es geschenkt bekommen oder er habe es im Gebüsch gefunden. Kinder in diesem Alter sagen also durchaus nicht immer das, was wir als Wahrheit verstehen. Das Wort Lüge finde ich trotzdem, egal wer nun wen gebissen oder nicht gebissen hat, ein zu hartes Wort in dem Zusammenhang. Vielleicht hat das andere Kind sich bedrängt gefühlt oder wurde angerempelt und hat daraus ein "gebissen" gemacht. Vielleicht hat die Kleine wirklich gebissen, hat aber nach der Intervention durch die Erzieherin verstanden, dass das gar nicht gut war, und weist nun von sich, das getan zu haben - sie korrigiert ihr Verhalten sozusagen nachträglich. Nach meiner Erfahrung mit meinen eigenen Kindern ein normales Verhalten und bestimmt auch nicht böswillig, sondern eher ein rührender Versuch der Wiedergutmachung.
    Liebe Grüße von Ilsa

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    1. Deine Gedanken sind sehr spannend und ich finde Deinen letzten Satz sehr einleuchtend und versöhnlich. Das würde wiederum auch zur Kleinen passen und ich kann mich gut mit dem Gedanken anfreunden, dass sie nicht lügt, sondern ihr Verhalten nachträglich korrigiert. Danke für die Anregung, so hab ich es noch nicht gesehen. Gebissen wurde das andere Mädchen übrigens wirklich, sie hatte Bissspuren am Arm. Nur von wem?...
      Nochmal danke und liebe Grüße!

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  4. Ich würde aus einer Mücke keinen Elefanten machen. Wenn die Erzieher und das gebissene Mädchen es nicht dramatisch fanden, warum Du?

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    1. Nee, mach ich auch nicht, aber erstens war ich sehr perplex (wenn man 4 Jahre lang nur positives Feedback aus der Kita kriegt, muss man anderes erstmal verarbeiten) und zweitens interessiert mich halt, warum es die Kleine gemacht hat (wenn sie es denn war), obwohl es ja eigentlich nicht zu ihr passt, und warum sie einen anderen Täter-Namen nannte. Ich interessiere mich für die Entwicklung meiner Kinder und die psychischen Hintergründe und möchte mich gern über solche Fälle austauschen. Der über Dir stehende Kommentar hat mir zum Beispiel echt geholfen, das Ganze noch etwas anders zu betrachten. Verstehst Du?
      Viele Grüße!

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  5. Jedes Kind hat seine eigene Wahrheit. Mit bewusstem Lügen muss das nichts zu tun haben. Beissen ist auch relativ normal, auch bei bisher unauffälligen Kindern. Da kommt eine Abwehrhaltung mit der noch nicht überstandenen oralen Phase zusammen und schon ist es passiert. Das Üble am Beißen ist, dass es fast immer noch tagelang "Beweise" am gebissenen Kind gibt, anders als bspw. beim Haarereissen oder Hauen. Dadurch werden die Eltern oft er aufmerksam. Und Beissen kommt in den besten Familien vor. Mehr als reden, reden, reden, die Situationen immer wieder analysieren und dem Kind ggf. ein Beißring mitgeben (statt in den Arm des Freundes lieber den Beißring schnappen), kann man meistens nicht machen. Ach und natürlich bei den anderen Eltern zu Kreuze kriechen, weil es ja peinlich ist, wenn das eigene Kind beisst.
    Nimm' es nicht zu schwer. Und erwarte nicht, dass es nicht wieder passiert.

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    1. Danke für Deinen Kommentar. Ich glaube auch, dass es, wenn überhaupt, kein bewusstes Lügen ist. Jetzt sind ein paar Tage vergangen und ich habe immer wieder spielerisch versucht, etwas aus ihr herauszukriegen, aber es kam bisher nie, dass sie wirklich gebissen hat... Wie auch immer, ich weiß, dass keine Familie davor gefeit ist und es nichts Ungewöhnliches ist. Trotzdem glaube ich, dass sie es vielleicht doch sagen würde, zumindest jetzt, fast eine Woche nach dem Vorfall.
      Viele Grüße!

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  6. Beissen kommt in Extremsituationen sogar bei Erwachsenen vor, wenn sie sich existenziell bedroht fühlen. Vielleicht hat sich Deine Maus so in die Enge getrieben gefühlt, daß sie unbewusst zugebissen hat. Wenn es so wäre, würde ich das erstmal als einmaligen Zwischenfall sehen. Jeder Mensch macht mal Fehler. Einfach nochmal in Ruhe mit ihr darüber reden, daß man so etwas nicht macht. Danach würde ich das Thema aber nich mehr aufgreifen, falls es nicht nochmals vorkommt.
    Andererseits bezweifle ich auch, daß bei 30 Kindern jeder Zwischenfall beobachtet werden konnte. Hätte sie diesen Zwischenfall beobachtet, würde ich mich fragen, warum sie dann nicht früher eingeschritten ist. So eine Reaktion kommt ja nicht von jetzt auf sofort. Oftmals sind Erzieher auch einfach mit der Menge an Kindern überfordert.
    Ganz liebe Grüße,
    Isabelle

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    1. Du hast in allem völlig recht und ich denke auch, wenn sie wirklich gebissen hat, war die Bedrängnis der Auslöser. Sie hat das Thema in der bisher vergangenen Zeit übrigens von selbst ab und zu aufgegriffen und immer gesagt, dass der erwähnte Junge das Mädchen gebissen habe. Ich werde wohl nie herausfinden, was nun wirklich geschehen ist.
      Liebe Grüße und danke!

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