Sonntag, 8. Juli 2018

Das erste Schuljahr des Großen

Wo ist die Zeit bloß hin? Vor einem Jahr quälte ich mich mit den Gedanken, Sorgen und Befürchtungen hinsichtlich der Einschulung meines Großen und fühlte mich wie das berühmte Kaninchen vor der Schlange. Dann kamen das Zuckertütenfest, sein letzter Kitatag, 4 Wochen Sommerferien für ihn und schließlich der Start im Ferienhort. Nach nur 4 Tagen erlitt er auf dem Schulhof, den er gerade erst kennengelernt hatte, einen Nasenbeinbruch, und schon eine Woche später fand seine Einschulung statt. Es war also eine sehr aufregende Zeit, in jeder Hinsicht, und so war ich trotz aller Ängste und Vorbehalte froh und erleichtert, als er endlich eingeschult und die für mich große Hürde erstmal überwunden war. Und nun hat er sein erstes Schuljahr schon geschafft und am Mittwoch sein erstes Zeugnis bekommen!

Er gewöhnte sich erstaunlicherweise sehr schnell ans System Schule und fand sich gut zurecht. Dass er vor Schulstart schon im Ferienhort war, erwies sich dabei als sehr hilfreich. Auch die Größe der Schule und der Lärmpegel schienen ihm nicht soviel auszumachen wie befürchtet. Anfangs bewegten sich die Erstklässler auch noch in einem geschützten Umfeld und wurden von der Horterzieherin liebevoll begleitet. In der ersten Schulwoche wurden die Kinder langsam daran gewöhnt, dass sie allein hoch in den Klassenraum gehen, denn die Eltern sollten dies explizit nicht übernehmen. Auch dies meisterte er gut. Seinen stark befahrenen Schulweg geht er morgens noch nicht allein, er wird die erste Hälfte der Strecke begleitet, bis wir zur Kita der Kleinen abbiegen. Oft trifft er dann Freunde und geht die restliche Strecke bis zur Schule mit ihnen zusammen.

Der straff durchstrukturierte Schulalltag liegt ihm sehr und kommt seiner Persönlichkeit, die viel äußere Struktur und einen festen vorhersehbaren Rhythmus braucht, entgegen. Alle an ihn gestellten Anforderungen konnte er erfüllen, ohne sich verbiegen oder besonders anstrengen zu müssen. Er ist kein Überflieger und es fehlt ihm oft an intrinsischer Motivation, sich selbst etwas beizubringen, aber er macht das, was verlangt wird, mit Freude und Leichtigkeit, ja, er ist dankbar darüber, wenn jemand ihm sagt, was er zu tun hat. Besonders freue ich mich darüber, dass er in seiner Klasse sehr beliebt ist und von seiner Lehrerin und Horterzieherin in seinem Wesen gesehen und wertgeschätzt wurde. Es ist sehr wichtig für seine Lernbereitschaft und Schulfreude, dass er sich wohlfühlt und in seinem vertrauten Umfeld ist.

Die Hausaufgaben erledigt er glücklicherweise täglich im Nachmittagshort, was mich sehr entlastet, weil ich Sorgen hatte, wie ich ihn dazu nach der Schule und mit der Kleinen an Bein motivieren sollte. Es macht bei ihm einen großen Unterschied, ob die Eltern oder Außenstehende etwas von ihm wollen. Zu den kleinen Leseübungen zuhause, die eigentlich nicht mehr als 5 Minuten kosten, kann ich ihn leider nur schwer überreden. Er windet sich und diskutiert herum, dabei wäre das so schnell erledigt. Er übt nicht selbstständig und hat auch nicht den Drang, noch mehr zu lernen als das, was gefordert ist, ja, er ist sogar oft genervt, wenn wir ihm etwas Neues beibringen wollen. Insofern bin ich dankbar, dass der Großteil der Arbeit noch in der Schule erledigt wird.

Das führte auch dazu, dass wir unsere Unternehmungen am Nachmittag weitestgehend beibehalten konnten, was ich vorher nicht für möglich gehalten hätte. Sicherlich braucht es mehr Zeit, die Kinder an zwei Stellen einzusammeln und unser Zeitfenster bis zum Abendbrot ist etwas kleiner als früher, aber im Großen und Ganzen können wir ins Cafè und auf den Spielplatz gehen oder Freunde treffen, so dass noch für Bewegung und frische Luft am Nachmittag gesorgt ist. Das ist schön und sehr wichtig! Im Winterhalbjahr habe ich deutlich gemerkt, dass der Große körperlich nicht ausgelastet war. 3 x 45 Minuten Sportunterricht pro Woche reichen für einen 7-jährigen Jungen eben nicht aus, zumal er aus der Kita sehr viel Draußensein gewohnt war. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir nachmittags noch Zeit haben. Wir haben ihn auch bewusst für keinen einzigen Nachmittagskurs angemeldet, da er erstmal die ganzen Eindrücke und Veränderungen verarbeiten und mit seinem neuen Schulalltag zurechtkommen sollte.

Er hat schnell Freunde gefunden und ist integriert in den Kreisen seiner Altersgenossen. Da seine Klasse jahrgangsübergreifend ist, hat er auch Kontakt zu den Zweitklässlern bekommen. Insgesamt ist er in diesem Jahr unglaublich offen und selbstbewusst geworden, es ist der Wahnsinn, wie schnell er jetzt auch mit fremden Kindern eine Beziehung aufbaut und wie angesehen er ist. Lange Zeit mussten sämtliche Kontaktaufnahmen über uns Eltern laufen, jetzt findet er auch im Urlaub und auf dem Spielplatz meist schnell Spielgefährten. Besonders rührend ist, wie er in der Kita empfangen wird, wenn wir die Kleine abholen kommen: er wird sofort ins Fußballspiel integriert und kaum wieder hergegeben.

Dass er jetzt schreiben kann und wie er diese neue Fähigkeit nutzt, darüber habe ich in meinem Text Kleine Botschaften geschrieben. Wahnsinnig faszinierend und bewegend für mich! Rechnen konnte er schon vorher ganz gut, lesen kann er mittlerweile langsam, aber recht sicher, macht das aber nur ungern. Laut seiner Aussage ist er der erst- oder zweitbeste Erstklässler seiner Klasse. Als Zeugnis erhielt er eine 4-seitige Einschätzung ohne Noten, aber mit Kreuzen bei "besonders aufgeprägt, "gut ausgeprägt" etc., sortiert nach Bereichen und Fähigkeiten. Leider gab es keine Beurteilung in Textform, es hätte mich interessiert, wie seine Lehrerin über ihn schreibt. Unser einmaliges Elterngespräch mit ihr verlief seinerzeit sehr positiv und wertschätzend.

Ich und die Schule
 
Und wie bin ich selbst im System Schule und im Alltag einer Schulkindmutter angekommen? Ich muss sagen, das Schreckgespenst Schule hat mittlerweile seinen Schrecken verloren und ich habe meinen Frieden damit geschlossen, dass nun meine Kinder eines nach dem anderen in diesem Kreislauf drin sein werden. Mit einigen Dingen hadere ich immer noch, z.B. mit dem Thema des frühen Förderunterrichts, das uns zum Glück nicht betraf, aber andere Erstklässler durchaus beeinträchtigte und demotivierte. Ich hadere mit dem späten Mittagessen und dem Essensangebot, ich war teilweise echt entsetzt, wie selten und kurz im Winter rausgegangen wurde, und die relativ kurzfristig angesetzten Schließtage wegen Weiterbildung stellen berufstätige Eltern auch immer wieder vor Herausforderungen. Ansonsten fühle ich mich mittlerweile heimisch in der Schulumgebung und auch im Schulalltag.

Ich bin froh, dass wir uns für die wohnortnahe Einzugsgrundschule entschieden haben. Es ist nicht nur eine logistische Erleichterung mit zwei Kindern in unterschiedlichen Einrichtungen, sondern auch für die Kinder sehr wichtig, ihre vertrauten Wege zu gehen, sich in der Umgebung auszukennen und überall bekannte Kinder zu treffen. Bauchschmerzen bereitet mir lediglich die verkehrsreiche Straße, die er noch nicht allein überqueren soll, und schade finde ich, dass sich trotz guter neuer Freundschaften bisher kein neues soziales Netz gefunden hat, mit einem regelmäßigen Kindertausch, so wie es vor dem Wegzug seines besten Freundes der Fall war.

Obwohl er sein erstes Schuljahr toll gemeistert hat und wirklich nicht besser hätte sein können, fehlt mir bei meinem Großen oft die intrinsische Motivation und der Ehrgeiz, der über das Geforderte hinausgeht. Er ist perfektionistisch und will alles gut hinkriegen, was Außenstehende von ihm erwarten, aber es kommt nicht aus ihm selbst heraus. Mir fehlt, dass er sich selbst mal mit dem tollen Grundschullexikon beschäftigt oder sich selbst neue Dinge beibringt. Mir fehlt, dass er freudig erzählt, was er gelernt hat. Mir fehlt, dass er seine Brotdose und Trinkflasche mal ohne zu Meckern rausholt. Mir fehlt, dass er nicht so schnell das Handtuch wirft, wenn etwas nicht gleich klappt. Aber vielleicht erwarte ich da auch im Moment zuviel. In Anbetracht seiner unglaublichen persönlichen Entwicklung in diesem Schuljahr und wenn man bedenkt, welche Ängste und Sorgen ich hinsichtlich seines Schulstarts hatte, bin ich mehr als zufrieden, um nicht zu sagen total glücklich damit, wie alles gelaufen ist.

Er ist in der Schule angekommen - ich bin in der Schule angekommen. Das erste Schuljahr ist geschafft, es ist sehr schnell vergangen, viel schneller als die Kitajahre. Er hat viel neues gelernt, nicht nur in schulischer, sondern auch in sozialer und emotionaler Hinsicht. Er hat sich in einer neuen Umgebung und komplett anderen Struktur zurechtgefunden und diese Veränderungen großartig gemeistert. Er ist in jeder Hinsicht gewachsen und sehr viel offener und aufgeschlossener geworden. Insgesamt ist das Schuljahr für uns alle deutlich positiver verlaufen als erwartet und darüber sind wir alle froh.

Doch nun stehen erstmal 6 Wochen Sommerferien an, von denen der Große 4 Wochen auch tatsächlich frei hat. Er besucht die Großeltern, dann fahren wir in den Urlaub und danach haben wir ihn in einem Fußballcamp angemeldet, was er gern wollte. Die letzten beiden Wochen geht er in den Ferienhort, und dann wird er schon ein Zweitklässler sein. Unfassbar!

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