Eine Mama berichtete, dass sie ziemlich überrascht, um nicht zu sagen geschockt war, weil ihre Tochter kaum 4 Wochen nach der Einschulung schon eine "Einladung" zum Förderunterricht in der Postmappe hatte. Sie erzählte auch, dass ihre Tochter das nicht gut verkraftet hatte, sondern sich nun "schlechter" und unter Druck gesetzt fühlen würde. Und das alles schon kurz nach Schulstart! Ich war auch überrascht, als ich dies hörte, hätte ich doch nie damit gerechnet, dass so schnell Leistungsdruck aufgebaut wird und "schlechtere" Schüler gefördert werden. Ich muss ehrlich sagen, ich wäre ziemlich perplex gewesen, wenn solch ein Schreiben in unserer Postmappe gewesen wäre und mein Großer nun zum Förderunterricht müsste.
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Der Förderunterricht findet bei uns vor dem regulären Unterricht statt, d.h. startet um 7:25 Uhr. Um 8 Uhr beginnt der normale Schulalltag. Die betroffenen Kinder haben also noch einen längeren Unterrichtstag und merken natürlich, dass sie herausgepickt wurden, weil irgendwas nicht so ganz läuft, wie es optimalerweise laufen sollte. Prinzipiell finde ich es gut, wenn die Pädagogen mit ihrer Erfahrung individuell auf die Kinder schauen und diejenigen unterstützen, denen gewisse Dinge schwerer fallen als anderen. Wir wissen alle selbst, dass es oft nicht ausreicht bzw. nicht funktioniert, wenn die Eltern ihre Kinder zum regelmäßigen Üben anhalten. Viele Kinder reagieren auf die Bemühungen ihrer Eltern mit Abwehr oder machen dicht. Außerdem sind Eltern keine Pädagogen, haben oft wenig Zeit und noch weniger Geduld. Insofern ist es sicherlich sinnvoll, diese "Nachhilfe" in der Schule, von der Klassenlehrerin zu bekommen.
Allerdings war ich (und nicht nur ich) wirklich überrascht, dass damit schon 4 Wochen nach der Einschulung begonnen wird. Sollten die Kinder nicht erstmal ganz langsam den Schulalltag kennenlernen und nach und nach ans Lesen, Schreiben, Rechnen und die Anforderungen des Schulsystems herangeführt werden? Sollte man nicht erstmal Wert auf das Zusammenwachsen der Klasse legen, anstatt einige Kinder nun schon zu stigmatisieren? Kann man so früh überhaupt merken, ob ein Kind wirklich Defizite hat oder vielleicht lediglich noch an der Umstellung auf die Schule zu knabbern hat? 4 Wochen sind wirklich kein langer Zeitraum, die Kinder müssen soviel Neues verarbeiten, und sollen dann noch nach so kurzer Zeit ein bestimmtes Leistungsniveau erfüllen? Das finde ich persönlich ungut.
Andererseits gibt es sicherlich Kinder, die tatsächlich von Anfang an elementare Schwierigkeiten auch mit den einfachsten Schreibanforderungen haben oder nicht mal geometrische Formen erkennen und zuordnen können. Für diese Kinder ist es dann tatsächlich gut, wenn sie schon früh individuell gefördert werden, bevor der Abstand zum Rest der Klasse zu groß wird. Aber kann man das wirklich unterscheiden? Manche Kinder sind einfach schüchtern und zeigen vielleicht nicht ihr wahres Leistungsvermögen. Manche funktionieren unter Druck nicht so gut. Und andere konzentrieren sich möglicherweise am Anfang erstmal auf das ganze soziale Gefüge, bevor sie bereit sind zu lernen. Eine schwierige Gratwanderung, das als Pädagoge zu unterscheiden, und sicherlich auch für die betroffenen Eltern dieser Kinder nicht immer nachvollziehbar.
Die Tochter der Mama, die dies erzählte, fühlt sich jedenfalls schon jetzt verunsichert durch diese Sonderstellung. Diese Verunsicherung äußert sich durchaus auch als Schulunlust und Abwehrhaltung. Ich könnte mir vorstellen, dass es bei meinem Großen ganz ähnlich wäre, wenn es ihn betreffen würde. Ist so etwas nötig, wenige Wochen nach Schulstart? Ich meine nein, aber ich bin keine Pädagogin. Ich kenne auch nicht die genauen Beweggründe und Umstände, die dazu geführt haben. Ich kann nur hoffen, dass nicht nach einem starren vorgegebenen Schema geurteilt, sondern individuell eingeschätzt wurde. Dass die Förderung für diese Kinder also wirklich unbedingt nötig ist. Ansonsten finde ich persönlich es wichtiger, den Erstklässlern so lange wie möglich die Freude am Lernen und die Lust, in die Schule zu gehen zu erhalten. Auch wenn vielleicht noch nicht alles so perfekt läuft. Aber das muss es doch auch gar nicht. Schließlich sind sie gerade erst in die Schule gekommen!
Was meint ihr dazu?
Mit diesem Text bewerbe ich mich für den scoyo ELTERN! Blog Award 2018. Drückt mir die Daumen!
Bei uns ist am Donnerstag in der 5. Stunde Förderunterricht (für Deutsch). In den ersten 2 Wochen haben alle Kinder teilgenommen. Danach geht es jetzt erstmal in Vierergruppen weiter. Jede Woche ist irgendwer anderes dran. So ist jeder mal dran und die Lehrerin kann in Ruhe schauen, wer es wirklich benötigt. Wie es nach dieser Zeit weiter geht, dass weiß ich nicht. Aber da jeder schon einmal dabei war, ist es eben etwas ganz Normales für alle und keiner fühlt sich schlecht. Liebe Grüße!
AntwortenLöschenDas klingt sinnvoll. Keiner wird ausgegrenzt, alle machen mit und empfinden es wie normalen Unterricht. Förderunterricht insgesamt finde ich ja auch gut, aber nicht unbedingt so kurz nach Schulstart.
LöschenLiebe Grüße!
Ich sehe das als Pädagogin ganz genauso wie du. Es hat wirklich zwei Seiten. Keine wertvolle Zeit verlieren wollen, kann durchaus für die Lehrkraft ein wichtiger Grund sein. Andererseits kann man sicher vieles in so kurzer Zeit nicht richtig einschätzen. Man erkennt eher Probleme der Feinmotorik und des Arbeitstempos, aber weniger genau eine kognitive Beeinträchtigung des Kindes. Sehr ins Gewicht fällt tatsächlich, dass das Kind sehr früh die Freude am Lernen verliert. Und dann die Info nur über einen Zettel im Ordner. Ein Elterngespräch wäre sicher zuerst einmal besser gewesen. Aber wer weiß, vielleicht hat die Lehrerin einfach noch nicht viel Erfahrung.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Cornelia
Wir haben eine ältere Lehrerin, die sicherlich viel Erfahrung hat, aber vielleicht auch sehr in vorgegebenen Schemata denkt. Weiß ich nicht. Sicherlich gibt es Gründe dafür. Ich sehe aber auch mehrere Aspekte des Problems. Und für manche Kinder ist das definitiv doof.
LöschenLiebe Grüße!
Was ich an dieser Sache wirklich bedenklich finde, ist, dass das betreffende Kind diese Förderung zusätzlich zu ihrem normalen Schultag erhält. Nicht nur wird dadurch ihr Schultag länger, auch ist die Wahrscheinlichkeit groβ, dass ihr ganz klar ist, dass sie irgendwie anders ist als die anderen Kinder. Und ich finde, es hat auch irgendwie den Touch von Nachsitzen und nicht den eines Hilfsangebots. Ich bin Lehrerin und Mutter eines Kindes, das in einer Kleingruppe fast sein gesamtes erstes Schuljahr lang Förderunterricht erhielt, allerdings von einer anderen Lehrkraft und während des regulären Unterrichts. Gearbeitet wurde in einem anderen Raum. Mein Kind hat mir gegenüber nie erwähnt, dass er sich auf irgendeine Weise ausgegrenzt fühlte.
AntwortenLöschenPrinzipiell finde ich es nicht schlecht, Kinder so früh wie möglich zu fördern und ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass eine erfahrene Lehrkraft Förderbedarf schon nach wenigen Wochen erkennen kann. Ich würde da auch nicht unbedingt an Leistungsdruck denken, sondern daran, dass eventuelle Lücken in der Regel früher leichter zu füllen sind als später. Aber die negativen Nebeneffekte, die sich in der von Dir beschriebenen Situation ergeben könnten, sind definitiv eine Überlegung wert. Ausserdem denke ich auch, dass ein Elterngespräch angebracht gewesen wäre.
Ja, es ist zusätzlich (morgens vor Schulstart) und ja, sie weiß, dass sie etwas machen muss, was die anderen nicht müssen. Die Lehrerin wird sicherlich Gründe dafür haben, aber mir ist das zu früh. Und wie die Mutter berichtete, hat die Lust auf die Schule dadurch stark nachgelassen. Das kann man als Eltern dann kaum auffangen. Blöd.
LöschenLiebe Grüße!