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Montag, 19. Dezember 2016

Wenn der Wutsturm kommt

Ich sitze auf dem Sofa, immer noch fix und fertig. Mir ist flau im Magen und durch meinen Kopf dröhnt das Wutgeschrei der Kleinen, das schon 3 Stunden zurückliegt. Fast 45 Minuten lang war sie völlig außer sich, hat gewütet und getobt, geschrien und geweint, getreten und Dinge nach mir geworfen. Nichts half. Ich war bei ihr, habe sie begleitet, ohne ungeduldig, sauer oder selbst wütend zu werden. Ich habe zwischendurch geweint, weil ich ihr überhaupt nicht helfen konnte und auch aus Mitleid mit mir selbst, weil sich dieser Wutsturm wiedermal an mir entladen hat. Aber ich bin ganz ruhig geblieben. Ich saß auf dem Fußboden im Flur, wo sie hockte und sich herumwälzte, habe die Arme nach ihr ausgestreckt, wenn ich das Gefühl hatte, sie öffnet sich ein Stück weit. Ich sah es in den zusammengekniffenen Augen in ihrem wutverzerrten, schreienden Gesicht, dass sie gern wollte, aber nicht konnte. Nach einer langen Weile kam sie sogar zwei Mal kurz zu mir und versuchte, sich anzuschmiegen, stieß mich aber gleich wieder von sich und brüllte noch mehr. Es ging noch nicht. Ich war still, habe nichts gesagt, sondern nur gewartet. Jedes Wort, jede Handlung verstärkte das Gebrüll nur. Die Kinder waren spät mit dem Papa nach Hause gekommen. Wir wollten Abendbrot essen, der Große saß schon am Tisch. Er hielt sich die Ohren zu. Der Mann brachte ihn mit seinem Essen ins Kinderzimmer, um ihn zu schützen. Irgendwann, nach einer unendlich scheinenden Zeit, es waren fast 45 Minuten, beruhigte sich die Kleine endlich und war wieder zugänglich. Dann ließ sie auch wieder Körperkontakt zu. Wir aßen zusammen und kuschelten auf dem Sofa.

Woher kam dieser Wutsturm? Früher wäre ich völlig ratlos und überfordert gewesen und hätte mir solch eine heftige Reaktion nicht erklären können. Oft war ich auch gekränkt. Mittlerweile kenne ich meine Kinder und weiß meist, worauf und wie sie reagieren. Ich habe mich auch selbst weiterentwickelt. Und das macht mich ruhiger. Ich denke, es war eine Kombination aus diversen unglücklichen Faktoren. Es war Freitag und die Kinder waren kaputt von der Woche. Die Kleine machte seit kurzem keinen Mittagsschlaf mehr in der Kita und war nachmittags immer enorm knatschig gewesen. Der Mann hatte die Kinder am Vortag und am Wutsturm-Tag von der Kita abgeholt und sie hatten mich an diesen beiden Tagen 10 Stunden lang nicht gesehen. Er war an beiden Nachmittagen mit den Kindern noch bis 18:15 Uhr unterwegs gewesen und das ist für sie extrem anstrengend, besonders im Winter. An den Nachmittagen war laut Aussage des Mannes alles super gewesen, d.h. die Kleine muss sich sehr zusammengerissen haben, da sie bei mir seit Wegfall des Mittagsschlafs immer motzig gewesen war. Nach der stundenlangen Anpassung in der Kita kam also noch das Zusammenreißen beim Papa dazu. Vielleicht war sie auch sauer auf mich, dass sie so lange von mir getrennt sein musste. Sie war also erschöpft, müde, kaputt, hatte mich vermisst, war gleichzeitig sauer und musste ihre Emotionen sehr lange unterdrücken. Als sie nach Hause kam und mich sah, kam das alles hoch. Und wenn sich so vieles in einem Menschen anstaut, muss das irgendwie raus. Dann fehlt nur noch ein Tropfen, der zur Explosion führt.

Bildquelle: Pixabay

Der konkrete Auslöser war: ich hatte für beide Kinder ein Mini-Mitbringsel auf den Tisch gelegt. Als die Kleine das sah und sich irgendwie benachteiligt fühlte, brüllte sie los. Da ihr Mitbringsel sie so sehr aufregte, packte ich es wieder weg. Das regte sie natürlich noch mehr auf. Dann musste ich mich kurz um den Großen im Bad kümmern. Das war zuviel für sie. Der Wutsturm brach sich Bahn und ließ sich nicht mehr stoppen. Zum Glück war ich ausgeruht und ausgeglichen, da ich an beiden Tagen nach der Arbeit noch zwei Stunden allein zuhause war, bis die Kinder kamen. Bin ich gestresst, angeschlagen oder unter Druck, klappt das Geduldigsein und Ruhigbleiben nicht so gut. Zum Glück war auch noch eine andere Betreuungsperson, der Papa, greifbar, der sich um den Großen kümmern konnte. Wenn man allein mit beiden Kindern ist, muss das andere Kind in dieser Zeit komplett zurückstecken und warten. Denn wenn ich mich um das Geschwisterkind kümmere, wird die Wut immer stärker. Und auch nach dem Wutsturm bekommt ja das sich gerade beruhigende Kind meine Aufmerksamkeit. Wenn ich mich dann gleich wieder dem Geschwisterkind zuwende, regt sich das Wutsturm-Kind nämlich wieder auf. Das sind sehr schwierige, kräftezehrende Situationen für alle Beteiligten.

Nachdem die Autonomiephase der Kleinen bisher wirklich - im Vergleich zum Großen - recht glimpflich verlaufen ist und meist gut zu händeln war, weil ihre Wut nicht ganz so heftig und körperlich war, ihre Ausraster berechenbarer waren und sie sich schon immer leichter beruhigen ließ als der Große, durchläuft sie nun seit einigen Monaten doch noch eine deutlich extremere Phase. Sie wird jetzt immer sehr schnell wütend, manchmal ärgert sie jede Kleinigkeit, und sie lässt sich kaum noch von außen beruhigen, sondern man muss wirklich mit ihr zusammen warten, bis der Wutsturm vorbei und sie wieder zugänglich ist. Ich tröste mich immer damit, dass es das letzte Aufbäumen ihrer Autonomiephase ist. Sie ist jetzt 3 1/2 Jahre alt. Und es macht für mich einen großen Unterschied in der "Nachbereitung" solcher Wutstürme, dass man, weil sie ein sehr kuscheliges, anschmiegsames Wesen hat, danach wieder mit ihr knuddeln und schmusen kann. Das war ja beim Großen nicht möglich gewesen und das macht viel aus.

Trotzdem kosten mich solche Ausraster immer noch viel Kraft, ich bin richtig aufgewühlt, weil ich in diesen Momenten soviel Energie aufbringe, um der Kleinen bzw. beiden Kindern gerecht zu werden. Und ich weiß noch, wie ausgelaugt ich nach den häufigen und heftigen Wutstürmen des Großen immer war. Für die Kinder selbst ist das natürlich auch unglaublich anstrengend, aber sie erholen sich schneller. Mir hängt das noch stundenlang nach. Diesmal aber nicht, weil ich mich zermarterte und mit meinen Reaktionen haderte, wie früher oft, sondern ich wusste, ich hatte genau richtig reagiert. Sondern weil es eben Kraft kostet und ich danach liebevoll weiter mache, ohne sie spüren zu lassen, wie erschöpft ich davon bin. Weil ich mitleide, wenn eines meiner Kinder leidet und ich es nicht herausholen kann. Weil ich mich selbst in solchen Situationen sehe, als kleines Kind, das nicht aufgefangen wurde. Weil ich schon eine sehr kräftezehrende Autonomiephase beim Großen hinter mir habe. Und weil sich besonders viel immer bei mir entlädt.

Ich kann das übrigens viel besser zuhause auffangen als draußen in der Öffentlichkeit. Draußen, vor allem in Gegenden, wo wir Leute treffen, die wir kennen, bin ich viel schneller gestresst und ungeduldig. Ich weiß, dass das bei manchen Eltern umgekehrt ist. Bei mir wirkt dann der zusätzliche Druck von außen so, dass ich nicht so reagiere, wie ich eigentlich möchte. Kennt ihr das auch?

Ich hoffe, dass ich die Kleine auch noch durch den Rest ihrer Autonomiephase so geduldig und verständnisvoll begleiten kann wie an diesem Abend. Ich bedauere es, dass ich beim Großen damals noch nicht so weit war, aber die Umstände waren eben tatsächlich andere und man entwickelt sich als Eltern ja auch weiter. Es gibt immer einen Auslöser und eine oder mehrere Ursachen für solche Wutstürme, auch wenn diese für uns auf den ersten Blick vielleicht nicht oder schwer zu erkennen sind. Aber wir sollten es zumindest versuchen. Ich führe mir immer mein Mantra vor Augen, dass die Ruhe der Bezugsperson die wichtigste Voraussetzung zur Beruhigung des Kindes ist. Das hilft durch die Wutstürme hindurch. Auch nach mehreren Jahren als wutsturm-erprobte Mama strengen mich solche Situationen furchtbar an. Aber ich bleibe ruhiger als früher. Und das hilft tatsächlich - dem Kind und uns selbst.

Nach einer Begebenheit am Freitag, 16.12.2016.

 
Mit diesem Beitrag bewerbe ich mich für den scoyo ELTERN! Blog Award 2017. Alle Infos dazu hier.

Dienstag, 28. Juni 2016

Rückblick auf die erste Großelternübernachtung

Die Kleine ist jetzt mit 3 Jahren und knapp 2 Monaten so alt wie der Große damals, als er das erste Mal bei den Großeltern übernachtete. Bei ihm damals kam es uns spät vor, wir hatten sehr lange gewartet, bis er sich in unseren Augen entsprechend von uns lösen konnte und stabil genug für so eine unsichere Situation war. Bei der Kleinen dagegen liegt solch eine Unternehmung in noch weiterer Ferne, hat sie doch bisher bis auf zwei Mal selbst das Einschlafen mit Papa nicht zugelassen, egal ob ich da war oder weg. Zur Kita-Übernachtung ihrer Gruppe hatten wir sie deshalb abgemeldet. Es wird sicherlich - trotz meiner großen Hoffnungen - noch eine Weile dauern, bis sie das erste Mal auswärtig übernachtet.

Dazu kommt, dass ihr Bezug zu den Großeltern (meinen Eltern) lange nicht so stark ist wie beim Großen. Er hatte als erstes Enkelkind eine besondere Stellung und von Anfang an einen Draht zu meinem Papa. Das machte das Risikothema "Großelternübernachtung" im Vergleich etwas einfacher, zumindest was die Bindung betrifft. Trotzdem hatte auch er durch die Entfernung und die seltenen Besuche keinen alltäglichen und vor allem keinen längeren Kontakt zu ihnen und war sehr lange ein schlechter Schläfer. Er war und ist sehr stark auf seine Rituale fixiert und kam mit Umstellungen immer schlecht klar. Das waren einige der Gründe, weshalb wir ihn erst mit über 3 Jahren bei den Großeltern übernachten ließen. Niemals hätte ich ihn ins kalte Wasser geworfen und das einfach ausprobiert, nur weil wir es uns vielleicht wünschten oder nötig hatten. Ich wollte warten, bis er soweit war und spürte irgendwie, dass dann der richtige Zeitpunkt da war.

Die Entfernung von knapp 300 km war uns zu heikel, um ihn beim ersten Mal allein dortzulassen und wieder nach Berlin zurück zu fahren. Wir hätten ja im Notfall gar nicht reagieren können. Deshalb nutzten wir dafür bewusst einen kleinen Urlaub in unserem "Stamm-Ferienpark", der nur ca. 1 h entfernt vom Wohnort meiner Eltern ist. Wir fuhren mittags gemeinsam zu ihnen, hatten den Großen immer wieder vorbereitet, dass er zum ersten Mal allein bei Oma und Opa schlafen sollte. Am Nachmittag spielten wir noch alle zusammen im Garten und beobachteten, ob der Große sich lösen und schnell Kontakt zu den Großeltern aufbauen würde. Hätte ich nur geringste Zweifel gehabt, hätten wir ihn wieder mitgenommen. So aber harmonierten alle wunderbar und am frühen Abend verabschiedeten wir uns und ließen ihn zurück. Einige uns wichtige Grundregeln wie die Einhaltung seines Rhythmus' (Schlafens- und Essenszeiten), kein TV etc. hatten wir deutlich kommuniziert und vertrauten auch auf deren Einhaltung.

Mit der damals knapp einjährigen Kleinen marschierten wir zu dritt zum Auto und fuhren zurück in unseren Ferienpark. Meinem Mann standen immer wieder die Tränen in den Augen. Ich selbst war wie versteinert, eine tonnenschwere Last fiel von mir ab. Man muss dazu sagen, dass der Große zu diesem Zeitpunkt das letzte Aufbäumen seiner Autonomiephase durchlebte und uns wirklich in den Wahnsinn trieb. Ein Tag mit ihm bestand damals aus hunderten von "Böse Mama/ böser Papa", "Kacke kacke kacke", "Du Popel" und weiteren Nettigkeiten wie dem Ärgern der kleinen Schwester. Der Abschied fiel mir deshalb ehrlich gesagt nicht besonders schwer und ich habe den Abstand von ihm wirklich gebraucht. Trotzdem machte ich mir natürlich Sorgen und Gedanken um sein (seelisches) Befinden. Mir war bewusst, dass er sich enorm anpassen und verbiegen musste.

Leider bekamen wir am ersten Abend keine Rückmeldung von meinen Eltern und erst auf Nachfrage hörten wir am nächsten Tag, dass er gut und sogar bis 7:30 Uhr geschlafen hätte. Er war immer ein Frühaufsteher, seine übliche Zeit ist eigentlich gegen 6:00 Uhr. Ich war richtig neidisch und auch ein wenig sauer, dass er dort seine Schokoladenseite zeigte. Vielleicht hat er sich aber auch einfach nur nicht aus dem Kinderzimmer herausgetraut, in der fremden Umgebung? Da alles gut verlaufen war, blieb er noch eine weitere Nacht und am Tag darauf brachten ihn meine Eltern wieder zu uns zurück.

Die anderthalb Tage mit der Kleinen allein hatten wir genossen, es war super entspannt, wir konnten uns gut abwechseln und gegenseitig Pausen ermöglichen. Das war dann auch das erste Mal, dass uns der Unterschied zwischen einem und zwei Kindern so richtig bewusst wurde. Es war soviel ruhiger und mental entspannter. Als er wieder kam, freuten wir uns, dass alles so gut geklappt hatte und wurden wie so oft Zeugen davon, dass er dem Wiedersehen scheinbar nichts abgewinnen konnte. Er nahm ziemlich schnell wieder sein vorheriges Verhalten auf und focht mit sich und mit uns die Kämpfe seiner langsam, aber sicher endenden Autonomiephase aus.

Die Großeltern waren übrigens voll des Lobes über ihn, berichteten zwar, dass es gegen Ende etwas schwieriger mit ihm wurde, aber in keinster Weise über Herausforderungen, wie wir sie täglich mit ihm hatten. Die Bindung zum Opa konnte ihm da sicherlich über den Trennungsschmerz und Anpassungsdruck hinweghelfen. Das zweimalige lange Ausschlafen war übrigens bei der nächsten Großelternübernachtung schon Vergangenheit, auch sie hatten schon öfter das Vergnügen, vor 6 Uhr mit ihm aufzustehen. In der ersten Nacht hatte er durchgeschlafen, in der zweiten nicht. Seitdem finden die Großelternübernachtungen leider nur in sehr unregelmäßigen Abständen statt. Die Entfernung macht es nicht leichter und da der Große seinerseits auch nicht aktiv fragt, beschränken sie sich auf ein Minimum. Das letzte Mal war im Dezember 2015.

Was die Kleine angeht, die jetzt im gleichen Alter ist wie der Große damals, so könnte ich mir eine Großelternübernachtung zwar alters- und entwicklungsmäßig einerseits sehr gut vorstellen, da sie sehr bewusst und deutlich beim Äußern ihrer Bedürfnisse ist. Aber die Tatsache, dass sie weiterhin nur mit mir (ein-)schläft, macht das natürlich unmöglich. Auch mit dem Großen zusammen möchte sie es nicht machen, das habe ich sie schon oft gefragt. Ich habe schon allein mit den Kindern bei meinen Eltern übernachtet, um sie ein wenig daran zu gewöhnen, aber es reizt sie nichts daran. Wenn man sich im Freundeskreis umhört, ist es schon bei vielen deutlich jüngeren Kindern normal, regelmäßig bei den Großeltern zu schlafen. Aber erzwingen können wir das natürlich nicht. Beim Großen glaube ich, dass es damals ein guter, für ihn passender Zeitpunkt war. Bei der Kleinen wird dieser Zeitpunkt hoffentlich noch kommen.

In welchem Alter haben eure Kinder das erste Mal bei den Großeltern übernachtet? Wie klappte das? Wie habt ihr euch dabei gefühlt? Findet das jetzt regelmäßig statt oder so selten wie bei uns? Fragen die Kinder selbst danach?