Freitag, 18. Dezember 2015

Autonome Kinder Teil 4 - Pubertät

Ich freue mich, dass ich noch ein paar Informationen zu autonomen Kindern, diesen besonders selbstbestimmten, unbestechlichen und nicht manipulierbaren Wesen, gefunden habe, die ja in diversen Büchern von Jesper Juul erwähnt werden. Und diesmal geht es sogar um ältere Kinder, über die es noch weniger Aussagen gibt. Mein vermutlich autonomes Kind ist ja noch nicht einmal 5 Jahre alt, aber trotzdem interessiert es mich sehr, wie sich solche Kinder weiterentwickeln und welche Herausforderungen später noch auf die Eltern zukommen. In meinem Interview mit Jesper Juul meinte er, dass sie oft sehr erfolgreich werden, aber im Privatleben einen unbequemen, steinigen Weg gehen müssen und ihre liebsten und engsten Menschen wegen ihres großen Autonomiebedürfnisses oft vor den Kopf stoßen.

In Jesper Juuls Buch Pubertät - wenn Erziehen nicht mehr geht werden nach einem theoretischen Teil mit Juuls Gedanken zur Pubertät, in der sich seiner Überzeugung nach vor allem die Eltern verändern müssen, Gespräche mit zehn Familien aus einem Workshop mit Juul notiert, der unter dem Titel "Pubertät ist eine Tatsache, keine Krankheit" stattfand. Ab S. 103 wird von einem 12-jährigen Jungen berichtet, dessen Verhalten zu vielen problematischen Situationen in der Familie führt. Es kommt sehr schnell zu Eskalationen durch eine Verweigerungshaltung des Sohnes, es gibt verbal und körperlich unangenehme Situationen mit seinem Bruder und die Eltern fühlen sich wirklich im Alltag oft hilflos und überfordert. Der Vater bezeichnet die Familie als "Gewitterfamilie" (S. 104), in der schnell Emotionen hochkochen, und hat Angst vor dem, was noch kommen mag. Juul tastet sich durch seine Fragen an die Perspektive des Jungen und die bisherige Erfahrung der Eltern heran. Besonders problematisch scheint die fehlende Akzeptanz von Autorität zu sein und die Eltern fragen sich, ob sie etwas versäumt oder falschgemacht haben. Die Mutter sagt:  

"Denn das hatte er schon immer, im Kindergarten mit den Erzieherinnen, in der Schule mit den Lehrern, auch innerhalb des Familienkreises herrscht die Meinung, dass er ganz große Schwierigkeiten hat, Autoritäten anzuerkennen." (S. 114)

Diese Tatsache, die also schon ganz früh erkennbar war, und seine weiteren Beobachtungen und Einschätzungen bringen Juul zu der Überzeugung, dass es sich bei dem Jungen um ein autonomes Kind handelt. Er fragt noch einmal zum Kleinkindalter nach und die Mutter berichtet:

"Ich weiß nur, das habe ich schon oft gedacht, das war schon früh so, dass ich mich provoziert gefühlt habe oder nicht wusste, was ich machen soll."

"Und ich kann mich gut daran erinnern, als er noch wirklich klein war, unter einem Jahr, und keinen Mittagsschlaf mehr machen wollte."

"Es war einfach schon von Anfang an schwierig. In jeder Gruppe war sein Sozialverhalten schwierig. Also im Kindergarten, Grundschule oder das Problem jetzt mit seinem Bruder. Wo er noch mal provoziert und noch mal..." (S. 116)

Juul sagt im Buch Pubertät - wenn Erziehen nicht mehr geht dazu Folgendes und bietet Hilfestellungen:

"Ich hab mehr und mehr eine Idee, eine Vorstellung, dass euer Sohn von Anfang an viel autonomer war als die meisten Kinder. Was ich immer höre: er kann sich sehr gut abgrenzen, er kann sehr gut sagen, was er will und was er nicht will, auch von Anfang an, er ist auch sehr stark. Und das heißt ja, das meiste von dem, was wir als Eltern oder Erwachsene oder Pädagogen an Liebe, Fürsorge, Unterstützung anbieten, will er nicht haben. (...) 

Dann habe ich einen Vorschlag. (...) Mit ihm muss man reden, verhandeln, sprechen, in einer Art und Weise, wo man sich vorstellt, er ist nicht 12, sondern 32. Das heißt, nicht Vater und Mutter spielen. Wenn das passiert, reagiert er allergisch, das kann er nicht ertragen. Das ist schwierig für ihn, weil er sich oft einsam oder alleine fühlt, und das ist sehr schwierig für Eltern, manchmal auch für Pädagogen oder Lehrer, weil man sozusagen mit einem ganzen Korb oder Herz voll Geschenken dasteht, die man ihm gerne schenken möchte, und er will die nicht haben. Und was kann ich denn sonst anbieten? Das ist natürlich unheimlich schwierig, denn so viele Alternativen haben wir ja auch nicht im Kopf. Ich hab' schon ein bisschen darüber gesprochen, dass man mit Anfang der Pubertät als Sparringpartner fungieren muss, und das kann man mit autonomen Kindern eigentlich von Anfang an machen. (...) 

Normalerweise sage ich, den meisten Kindern kann man einen Teller servieren und sagen: 'Hier gibt's was zu essen', und dann essen die Kinder. Mit diesem Jungen ist das nicht so, da muss man ein Buffet haben. Dann kommt er, wenn er Hunger hat, und dann wählt er, was er will. (...) 

Dabei muss man sich aber wirklich vorstellen, dass er ein Erwachsener ist. Wenn ich sage, dass es im Allgemeinen mit zwölf für Erziehung zu spät ist, dann war es hier eigentlich immer zu spät. Als Eltern von anderen Kindern kann man weitermachen, und es wird nur für ein paar Jahre unangenehm werden. Aber hier muss es aufhören. (...) 

Er braucht dringend diese Beziehung, aber eine Beziehung, in der er nicht als schwieriges Kleinkind behandelt wird. Sondern als 32-Jähriger, ich kann es nicht besser sagen. Sich das vorzustellen ist schwierig, er ist ja noch klein. Man kann zu ihm wie zu einem Freund gehen und ihn um Feedback bitten. Als Vater kann man sagen: 'Mein Gefühl ist, ich sollte jetzt so und so mit Dir umgehen, was glaubst Du?' Man kann ihn als Berater benützen, für die Elternschaft, für die Elternrolle. Er weiß genau, was er braucht und was er nicht braucht. Das ist das Besondere an diesen Kindern, die wissen das ganz genau, aber sie wollen, wie alle anderen, nicht gerne einsam sein." (S. 116ff.)

Er spricht noch kurz das Thema Vererbung an und fragt die Mutter: "Man kann sich immer auch als Elternteil überlegen: War ich auch so ein Kind?" Und als die Mutter bejaht, fragt er weiter: "Und was haben deine Eltern gemacht? Ist es deinen Eltern gelungen, dich 'zu knicken'?" Darauf die Mutter: "Ich glaube nicht. Meine Mutter hat vor zwei, drei Jahren mal gesagt: 'Es war immer schwierig, dich in die Familie zu integrieren.'" Verstanden hat sie sie wohl bis heute nicht. Und genau das ist das Problem: "Aber als Eltern eines kleinen Kindes möchten wir das natürlich gerne. Und das ist genauso hier. Er lässt sich nur integrieren, wenn er spürt: 'Ich kann sein, wie ich bin, und man soll mir nicht sagen, ich soll anders sein. Man soll mich überhaupt nicht 'benennen'." (S. 119)

Er fasst mit diesen Aussagen und Einschätzungen noch einmal die verstreuten Informationen zu autonomen Kindern zusammen und bündelt diese in dem Gespräch mit einer Familie. Besonders interessant ist, dass es um Aspekte der Pubertät geht, in der sich beide Seiten, Eltern und Kinder, oft besonders hilflos fühlen. Man sieht jedoch auch in diesem Fall wieder, dass autonome Kinder schon von Anfang an als "schwierig" oder ungewöhnlich empfunden werden. In der Pubertät nimmt das wahrscheinlich ähnlich wie in der Autonomiephase zwischen 2 und 4 Jahren noch einmal völlig neue Ausmaße an. Leider gibt es zu diesem Gespräch keine Rückmeldung der involvierten Familie über die Folgen und Veränderungen des Gesprächs, wie zu einigen anderen der im Buch festgehaltenen Gespräche. Auch fehlen wieder konkrete praktische Tipps und Hilfestellungen im Umgang mit autonomen Kindern. Wahrscheinlich muss hier jeder, unter Berücksichtigung der zentralen, immer wieder erwähnten Punkte, ausprobieren, was am besten funktioniert. Ein autonomes Kind ist ja nicht nur ein solches, sondern bringt noch jede Menge anderer Eigenschaften und Wesenszüge mit. Insofern gibt es wohl keine Patentrezepte. Ich muss ehrlich sagen, dass ich etwas Angst vor der Pubertät mit meinem autonomen Kind habe, vor allem wenn ich mich an seine Autonomiephase zurückerinnere, die uns wirklich nicht nur an, sondern über unsere Grenzen brachte. Aber vielleicht verändert er sich bis dahin auch noch und andere Charakterzüge treten stärker hervor.

Gibt es unter euch Eltern von pubertierenden autonomen Kindern, die Erfahrungsberichte beisteuern können? Was funktioniert bei euch gut und was überhaupt nicht? Habt ihr Tipps und Ratschläge?

Meine anderen Texte zu autonomen Kindern findet ihr hier:
Autonome Kinder
Autonome Kinder Teil 2
Autonome Kinder Teil 3 -Interview mit Jesper Juul

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11 Kommentare:

  1. Hallo Frühlingskindermama, tja heute steht mal wieder ein Gespräch mit dem Lehrer meines Sohnes an. Um besser vorbereitet zu sein, suchte ich im I-net und googelte über autonome Kinder. Es war eine Eingebung, denn der Begriff schlummert schon länger in meinem Kopf. Auch ich habe schon früh nach Davids Geburt begonnen, Juuls Bücher zu lesen. So bin ich jedenfalls auf Deine Seite gestoßen, dafür bin ich dankbar. Vieles was ich eigentlich wusste, ist jetzt wieder in meiner Erinnerung und wird mir im Umgang mit meinem Sohn helfen. Ich bin Mutter von 3 Kindern, 2 Mädchen (4 u. 7) und von o.g. Sohn (10). Alle drei sind hochsensibel und David eben auch autonom. Da ich auch beides bin, ist es Fluch wie Segen, dass ich so gut mit meinem Sohn fühle. Das Zusammenleben mit ihm kostet uns alle und mir als Mutter sehr viel Kraft. Aber er ist in vielen Dingen auch eine große Bereicherung für uns. Trotz aller Schwierigkeiten, die die Autonomie meines Sohnes und die Hochsensibilität von mindestens 4 der fünf Familienmitglieder mit sich bringt, vor allem im Zusammenleben mit der Gesellschaft, bin ich dennoch dankbar für diese Herausforderung.

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    1. Ich finde es toll, wie positiv Du das sehen kannst. Das fällt mir manchmal schwer, da es irre anstrengend ist. Allerdings ging es mir auch so, dass es leichter war, als ich den Begriff fand und die entsprechenden Charakteristika. Mein Sohn kommt in diesem Jahr in die Schule und ich bin gespannt, was da für neue Herausforderungen auf uns warten.
      Liebe Grüße!

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  3. Viele Bücher habe ich gelesen, eine Mutter-Kind Kur gemacht, eine Familienberatung abgebrochen (da deren Hinterweltler-Pädagogik mir nicht half)und war mit meinem Großen sogar bei einer Heilpraktikerin...und nun sitze ich hier mit Tränen in den Augen und habe mir alle deine Beiträge zu dem Thema "Autonome Kinder" durchgelesen. Tränen, da es mich traurig macht erkennen zu müssen, dass mein Sohn auch ein autonomes Kind ist...aber auch Tränen der Erleichterung, denn ich habe als Mutter immer gewusst, irgendwas ist anders, habe immer nach einer Antwort gesucht. Und nun habe ich Sie...danke dir und dank Jesper Juul. Den Denkanstoß gab mir das Buch "Nein aus Liebe", die Gewissheit gaben mir dann deine Worte.
    Mein Großer ist nun 5, kommt nächstes Jahr zur Schule. Unsere Kleine ist gerade 1 Jahr geworden und unser erstes Jahr zu Viert war alles andere als einfach, wenn natürlich auch trotzdem wunderschön. Denn man lernt ja die guten Momente ganz intensiv zu genießen.
    Ich habe tausende Fragen an dich, muss dies nun aber erst einmal sacken lassen...
    Kann man dich auch per Mail kontaktieren?


    Lieben Dank für deine Mühen, das Interview und das dazugewonnene Wissen!

    Ich lege mich nun selig zu meinen Kindern...Liebe Grüße, Manuela

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    1. Liebe Manuela,

      vielen lieben Dank für Deinen Kommentar und entschuldige bitte die verspätete Antwort! Worte wie Deine bewegen mich immer sehr und ich freue mich wahnsinnig, dass Eltern autonomer Kinder, wie Du, ihre Kinder nun besser verstehen. Schon das Wissen darum hilft unheimlich! Mir ging es wie Dir, als ich die Textstellen von Juul gelesen und zusammengefasst habe.
      Natürlich kannst Du mich gern per Mail kontaktieren. Oder Du schaust mal in die Facebook-Gruppe "Autonomes Kind - nach Jesper Juul" hinein: https://www.facebook.com/groups/735026373305539/
      Dort gibt es auch einen regen Austausch.
      Ich wünsche Dir alles Gute!
      Liebe Grüße!

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  4. Liebe Frühlingskindermama,

    meine Tochter Maya kommt dieses Jahr in die Schule. Sie war schon immer ein Kind, dass uns sehr beansprucht hat, um es mal nett zu formulieren.

    Oft saß ich abends auf unserem Sofa und dachte, was eigentlich mit diesem Kind los ist. Ihr kleiner Bruder ist doch auch nicht so und beide haben die selben Eltern...

    Irgendwann fing ich an mir die Schuld für ihr Verhalten zu geben, ich redete mir ein eine schlechte Mutter zu sein, zu streng, zu locker, zu lieb, zu ernst, zu was auch immer. Ich habe Ratgeber über Ratgeber gelesen, mich versucht mit anderen Müttern auszutauschen aber immer mit wenig Erfolg. Es folgten Tipps wie: Du musst dein Kind spiegeln oder strenger sein, usw.
    Ich hatte mit nichts Erfolg. Was mich so bedrückt hat, war, dass sie bei anderen Personen ein völlig "angepasstes" liebes Kind ist, und bei mir... naja... du weißt schon.

    Lange Rede kurzer Sinn, seit gestern weiß ich, dass mein Kind ein autonomes Kind ist. Jetzt lese ich das erste Mal die richtigen Ratgeber und ich fühle mich verstanden. Vielen Dank für deine ausführlichen Berichte, sie helfen mir sehr und ich fange an mein Kind mit anderen Augen zu sehen.

    Ich glaube ich habe verstanden, was sie braucht und versuche sie darin zu unterstützen wie sie ist, anstatt zu versuchen sie anzupassen. Ich komme jetzt besser mit Ihren extremen Verhaltensweisen zurecht. Ich führe mir immer vor Augen, was ich in deinem Blog lesen durfte.

    Nochmal vielen Dank dafür, das hilft mir sehr weiter, ich war/bin wirklich verzweifelt.

    Eine dankbare Leserin

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    1. Hallo,

      vielen Dank, ich freue mich sehr, dass ich Dir helfen konnte, solche Kommentare berühren mich immer unglaublich! Weil ich selbst weiß, wie sich das anfühlt, wenn man jahrelang nicht weiß, was los ist und sich selbst die Schuld gibt.
      Ich denke auch, dass man viel besser auf solche Kinder eingehen kann, wenn man um ihre Natur weiß und ein paar Grundregeln beherzigt. Trotzdem bleibt noch vieles auszuprobieren, was bei dem einen Kind klappt, funktioniert bei dem anderen gar nicht. Mein Großer ist in der äußeren Welt auch ein sehr angepasstes Kind.
      Berichte mal, wie es dann in der Schule klappt! Mein Sohn wird dieses Jahr auch eingeschult und mir ist schon arg bange...
      Liebe Grüße und alles Gute für euren Weg!

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  5. Liebe Frühlingskindermama,
    ENDLICH habe ich Gedanken und Anregungen gefunden, die mir viel von der Anstrengung nehmen, die mich unserer Sohn kostet. Die Beschreibungen zu einem "autonomen Kind" passen wie die Faust aufs Auge.
    Auch ich habe mich - wie eine Mutter hier kommentiert - immer gefragt, was bloß mit ihm los sei und warum er so komplett anders als die anderen beiden agiert.
    Dabei hat er nicht nur einen wunderbar geduldigen und liebevollen älteren Bruder, sondern sogar eine Zwillingsschwester. Wenn ich zurückdenke, erinnere ich mich, dass ich schon während der Schwangerschaft und bei Ultraschalluntersuchungen gedacht hatte: Oh je, der ist ja aktiv! Er rumpelte und pumpelte in meinem Bauch herum. Seitdem er auf der Welt ist, bringt er mich über meine Grenzen hinaus - manchmal bis zur Verzweiflung und Wut. Aber was ich hier lese, hilft enorm zu verstehen.
    So kann ich den Charakter viel besser einordnen und nicht nur die feinsinnigen und witzigen Seiten seiner Persönlichkeit schätzen, sondern auch lernen, sein Autonomie-Bedürfnis als Stärke zu begreifen.
    Danke!

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  6. Die ersten 10 Monate mit meiner Tochter waren die Hölle. Danach war sie zwar immer noch anders als andere Kinder, aber ich habe vermutlich gelernt besser damit umzugehen.Alles in allem war das letzte Jahr mit ihr relativ entspannt und ich hatte wohl "vergessen", dass sie anders tickt. Sie ist jetzt 2 Jahre und 5 Monate alt und vor 3 Monaten in den Kindergarten gekommen. Dir ersten Tage an denen ich dabei war, lief es gut und sie ist sehr gerne hin gegangen. Ich hatte auch mal den Raum verlassen weil ich zur Toilette musste, kein Problem. Als dann die erste offizielle Trennung erfolgte und ich mich verabschiedete,entschied sie, dass sie mitkommen wolle. Die Erzieher drängten auf eine zügige Trennung. Mir war nicht ganz wohl dabei, aber ich vertraute auf ihr Fachwissen. Obwohl sie eine Viertel Stunde durchschrie holte man mich nicht zurück. Ihr Geschrei wurde als Wut interpretiert. Am nächsten Tag das gleiche Spiel und von da an wollte sie nicht mehr hin. Es wurde wieder zurück gerudert und ich blieb erst mal wieder da. Aber jegliche Animation und Motivationsversuche der Erzieher scheiterten, meine Tochter hatte alles schon durchschaut und wich mir nicht von der Stelle. Ich war erst mal dankbar, dass die Erzieher gelassen damit umgingen und sich sicher waren, dass die pädagogischen Maßnahmen auch bei diesem willensstarken Kind greifen werden. Bisher hatte ich wenig Unterstützung mit ihr, da ihre Wutanfälle von allen Verwandten uns Freunden (verständlicherweise)gefürchtet waren. Offensichtlich gehört meine Tochter zu der Hälfte der autonomen Kinder, die sich außerhalb der eigenen 4 Wände nicht angepasst verhält. Die Erzieher sind mit ihrer Pädagogik auch am Ende. Bis heute bringe ich sie weinend in den Kindergarten und sie beruhigt sich mal nach einer halben Stunde oder auch erst nach längerer Zeit. Die Erzieher versuchen es weiter damit ihr verständlich zu machen, dass ihr Geschrei sie nicht weiter bringt und raten mir auch an, deutlich Grenzen zu setzen. Ich habe es auch anfangs versucht, bis ich irgendwann dachte, ich bin doch nicht bescheuert. Über ein Jahr komme ich ganz gut mir meiner Tochter zurecht und jetzt mischt sich jemand anderes ein und ich habe zu Hause nur Theater. Das heißt nicht, dass es bei uns keine Grenzen und Regeln gibt, aber meine Tochter hat Mitsprache- und Entscheidungsrecht wo es eben geht. Ich verstehe auch, dass das im Kindergarten nicht so möglich ist, da sind eben auch ganz viele andere Kinder, die Aufmerksamkeit brauchen und bei denen die üblichen Erziehungsformen funktionieren. Und natürlich ist es hilfreich wenn alle an einem Strang ziehen.
    Wir hatten schon überlegt unsere Tochter wieder aus dem Kindergarten zu nehmen. Es ist so schwierig, weil sie uns nicht sagt, oder sagen will oder kann warum sie da nicht hin möchte. Sie hat einen guten und deutlichen Sprachschatz aber sie sagt nur, dass sie da nicht hin will.
    Ich denke manchmal, vielleicht ist sie doch noch zu klein. Kognitiv den gleichaltrigen zwar vorraus, aber emotional vielleicht noch nicht? Andererseits ist es aber vielleicht auch wichtig für sie zu lernen, dass es nicht immer mach ihrem Befinden gehen kann, dass es woanders anders läuft und dass man sich auch mal in einer Gruppe fügen muss.
    Ein Kindergarten Wechsel ist vermutlich auch nicht zielführend, die von meiner Tochter geforderte Einzelbetreuung ist ja in keiner Kita leistbar. Außerdem muss sie sich dann wieder an neue Räume und Personen gewöhnen, auch nicht ihre Stärke.
    Hat da jemand ähnliche Erfahrungen?

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  7. Oh ja, das kommt mir sehr bekannt vor mit der Eingewöhnung. Wollen wir uns mal austauschen?

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  8. Liebe Frühlingskindermama

    Erst vor ca. einem halben Jahr bin ich auf den Begriff "autonome Kinder" gestossen. Und was soll ich sagen, es war wohl so etwas wie eine Offenbarung für mich. Meine "autonome" Tochter ist nun bereits 21 Jahre alt. Wie oft habe ich an mir, meiner Erziehung und einfach an allem gezweifelt. Bei ihrer Geburt war ich bereits Mutter einer Tochter (heute 24) und war der Meinung, dass ich doch schon etwas Erfahrung habe. Doch es war einfach alles anders. Und ist es bis heute. Helfen konnte ich ihr nie, sie nur unterstützen und begleiten. In der Schule war sie immer angepasst, hatte nie Probleme mit Lehrpersonen (obwohl sie nie wirklich gerne hin ging). Dafür musste dann zu Hause die ganze Energie und der ganze Druck raus. Mit 16 ist sie für 1 Jahr in den Schüleraustausch nach Argentinien. Es war das Beste, was uns passieren konnte. Obwohl sie kein einfaches Jahr hatte, tat uns der Abstand sehr gut. Klar machte ich mir auch mal Sorgen, aber ich kenne ja meine Tochter und wusste, dass sie alles meistern kann was sie sich vorgenommen hat. Heute haben wir eine sehr gute und innige Beziehung. Einfach ist es auch heute nicht immer. Aber sie ist eine tolle junge Frau, die ihren (und nur ihren) Weg gehen wird. Und ich musste schon früh lernen ihr zu vertrauen und ihr die Verantwortung für ihr Leben zu übergeben.
    Liebe Grüsse von einer sehr stolzen Mutter zweier völlig verschiedenen Töchter

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