Samstag, 7. November 2015

Erinnerungsfetzen II - Überreizung der Kleinen

Eine weitere Situation, die sich unauslöschbar in mein Gedächtnis eingebrannt hat, betrifft einen überraschenden, unstillbaren Schreivormittag der Kleinen ca. 6 Wochen nach ihrer Geburt. Das war deshalb so aufwühlend, weil sie eigentlich bis auf den 3-stündigen unberuhigbaren Schreiabend am Tag ihrer Geburt in den ersten Wochen und Monaten so gut wie gar keine längeren Schreianfälle hatte. Sie war sehr ausgeglichen, ließ sich schnell von mir beruhigen und war leicht zu händeln. Das war ja ein extremer Kontrast zum Großen. Ich genoss das bei ihr sehr, fühlte mich überhaupt nicht hilflos und mein Mama-Vertrauen wuchs. Ich konnte mit ihr in der Trage einkaufen gehen, ohne dass sie aufwachte, man konnte sie in der Babyschale hinstellen und sie schlief weiter, und am liebsten und längsten schlief sie zuhause auf meinem Bett. Alles Dinge, die beim Großen völlig utopisch waren.

Grundsätzlich war sie sowieso zuhause am zufriedensten, aber ich meinte, es wäre kein Problem, wenn ich mit ihr eine Freundin besuchen fahre. Da sie vormittags am längsten, tiefsten und einfachsten schlief, entschied ich mich für den Vormittag und fuhr nach dem Frühstück los. Ich packte sie in die Trage und sie schlief die gesamte Anfahrtstrecke von ca. 50 min. (S-Bahn und Fußweg) durch. Ich rechnete überhaupt nicht damit, dass es schwierig mit ihr werden könnte; entweder würde sie weiterschlafen oder hätte eben genug Schlaf bekommen, um erstmal eine Weile zufrieden wach zu sein. Pustekuchen.

Kaum in der Wohnung meiner Freundin angekommen, schlug sie die Augen auf. Das Radio dudelte, es roch ungewohnt, da waren ein fremder Mensch und ein fremdes Baby (die Tochter meiner Freundin war 2,5 Monate älter), es wurde gekocht, vielleicht klang meine Stimme für sie auch anders als sonst, jedenfalls schlief sie nicht wieder ein. Sie wurde ziemlich schnell unruhiger und ich nahm sie aus der Trage, stillte und wiegte sie. Sie fing an zu schreien, ungewohnt schrill und unstillbar. Sie wollte schlafen, kam aber in der fremden Umgebung nicht zur Ruhe, selbst mit Mama nicht. Ich versuchte es im abgedunkelten Schlafzimmer meiner Freundin, mehrfach beim Stillen und Herumtragen und als alles nichts half, zog ich mich wieder an, nahm sie in die Trage und ging wieder raus. Nach ein paar Minuten draußen kam sie runter und schlief ein. Ich ging noch ein wenig spazieren und meinte, jetzt wäre der Schlaf tief genug, um in der Wohnung weiterzuschlafen. Wieder Pustekuchen. Oben angekommen, schlug sie die Augen auf und fing wieder mörderisch an zu schreien. Ich wusste mir nicht mehr zu helfen. Die gleiche Hilflosigkeit und Verzweiflung, die ich beim Großen durchgehend im ersten Babyjahr gespürt hatte, kam hoch und machte mich genauso ratlos und wütend wie bei ihm damals. So eine Situation hatte ich außer am Geburtsabend mit ihr noch nie gehabt. Ich war doch die Expertin für sie! Es war zum Verzweifeln.

Meine Freundin hatte derweil ihre Tochter zum Schlafen gebracht und aß zu Mittag. Als sie fertig war, schlang ich mein Mittagessen rein und als das andere Baby aufgewacht war, brachen wir das Experiment ab und meine Freundin begleitete uns zur S-Bahn. Auf der Fahrt war die Kleine auch ziemlich unruhig und ich fürchtete mehrmals, aussteigen zu müssen. Ich war so froh, als ich endlich zuhause war und sie beruhigte sich schnell. Sie schlief dann sehr lange am Nachmittag auf meinem Bett und war danach wieder völlig normal. Das versöhnte mich. Es war also kein Sprung oder Zahnen oder sonstiges Unwohlsein, was sie so durcheinander gebracht hatte, sondern tatsächlich eine komplette Überreizung in einer fremden Umgebung. Da ich so etwas von ihr nicht kannte, war ich sehr überrascht. Zwar wollte sie vormittags bis zum Alter von 6 Monaten immer lange schlafen, und zwar möglichst zuhause. Sie war aber trotzdem beileibe kein Baby, das immer und überall schlafen konnte, wie ich in meiner Erleichterung über ihr pflegeleichtes Wesen anfangs annahm. Das habe ich aus dieser Erfahrung gelernt und sie nie wieder solchen Situationen ausgesetzt.

Erinnerungsfetzen I
Erinnerungsfetzen III

4 Kommentare:

  1. Liebe Frühlingskindermama,
    ja, das Thema Schlafen kann echt nervenaufreibend sein. Die Maus schläft auch heute noch nur zu Hause in unserem Bett oder im Auto, wenn es wirklich gar nicht mehr geht.
    Wenn wir unterwegs sind oder wo anders sind, schläft sie nicht. Egal, wie müde sie ist. Da schafft sie es sogar mit ihren 2 Jahren von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr abends ohne Mittagsschlaf wach zu sein... War aber schon immer so, dass sie nicht geschlafen hat, wenn zu viele Reize um sie herum waren...

    Liebe Grüße
    Daniela

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    1. Bei uns war ja eigentlich der Große der grausame Schläfer, die Kleine hat da anfangs wenig Probleme gemacht. Deshalb war diese Episode umso überraschender für mich. Vom Großen kenne ich sehr gut den Zwiespalt zwischen Überreizung = Bedürfnis nach Schlaf und gleichzeitig Nicht-Schlafen-Können. Das war lange Zeit ein großes Problem, hat sich aber glücklicherweise größtenteils gegeben.
      Liebe Grüße!

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  2. Oh ha, die Situation kommt mir sehr bekannt vor! Fast genau so erlebt beim ersten Treffen mit meinem "Babyclub" ;)
    Alle Babys hoch zufrieden im Kinderwagen liegend oder auf dem Arm, nur Kiwi sehr schnell quengelig und dann später auch am Weinen, weil sie nicht einfachlafen konnte. Kann sie heute noch nicht. Dafür braucht sie Ruhe und eine gewohnte Umgebung.

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    1. Ja, so war das auch immer bei meinem Großen, die Kleine war da insgesamt viel pflegeleichter. Darum war die geschilderte Situation so unerwartet und hat sich eben eingeprägt:)
      Liebe Grüße!

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