Dienstag, 25. August 2015

Veränderungen in der Kita und die Folgen

Dem Großen ging es letzte Woche sehr schlecht. Wir wussten erst überhaupt nicht, was mit ihm los ist. Er spricht ja nicht über Dinge, die ihn bedrücken, auch auf Nachfrage nicht. Die Nachmittage verliefen außer ein Mal noch recht friedlich. Abends zuhause schien dann aber sein Akku komplett leer zu sein. Er zog sich ins Kinderzimmer zurück, verweigerte jegliche Mahlzeit und fing beim geringsten Anlass (z. B. wenn die Kleine weinte) an zu schreien und zu toben. Hielt sich die Ohren zu, schrie, er wolle allein sein und seine Ruhe haben und beruhigte sich ewig nicht mehr. Er ließ niemanden an sich heran, alles war ihm zuviel und er stand komplett neben sich. Er wirkte total verzweifelt und aufgelöst. Es war ganz schlimm für mich zu sehen, zumal ich überhaupt nicht ahnte, was ihn quälte. Die Hilflosigkeit der Schreibabyzeit wiederholte sich. Erst befürchtete ich, dass es Nachwirkungen der Eiterflechte seien. Erst nach Tagen merkten wir, dass er komplett überreizt ist und dringend Zeit und Gelegenheit zum Abschalten braucht. Als mein Mann am Freitag die Bezugserzieherin des Großen darauf ansprach und herausfand, dass er die ganze Woche weder Mittagsschlaf noch Mittagspause in der Kita gemacht hatte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich grämte mich wahnsinnig, dass ich darauf nicht schon früher gekommen war. Er hatte einfach seine dringend benötigten Pausen nicht bekommen.

Seit August ist er ja in der oberen Etage der Kita, bei den großen Kindern. Dort herrscht ein offenes Konzept vor, es gibt 5 Räume für 50 Kinder und 6 Erzieher. Er ist mit seiner Kerngruppe und seiner Bezugserzieherin komplett nach oben gewechselt, kannte auch die Räumlichkeiten schon sowie die älteren Kinder und Erzieher aus dem Garten sowie gemeinsamen Kitaaktivitäten. Wir wussten, dass zwar oben kein Mittagsschlaf mehr gemacht wird, aber die müden Kinder gefragt werden, ob sie unten bei den Kleinen mit schlafen wollen. Außerdem war ich ganz sicher davon ausgegangen bzw. es war uns so vermittelt worden, dass auch auf der oberen Etage zumindest eine Mittagspause gemacht wird, mit Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten und einer Pause vom anstrengenden Kitatag. Unter diesen Voraussetzungen hatte ich in dem Wechsel eigentlich kein Problem gesehen. Als wir aber mit dem jeden Tag schlimmer überreizten Großen konfrontiert waren, wusste ich, dass ich ihn unbedingt schützen musste.

Am Wochenende versuchte ich, ihm mehrmals kindgerecht zu vermitteln, dass er sich Pausen nehmen und zurückziehen muss, wenn es ihm zuviel wird und er gern mittags in der Kita schlafen kann, wenn er das braucht. Er schläft ja nachts nur ca. 9,5 h und braucht zwar nicht mehr unbedingt einen Tagschlaf, aber dringend eine Pause zum Runterkommen,Verarbeiten und Regenerieren. Wenn er am Wochenende oder im Urlaub mittags nichts schläft, dann achten wir sehr darauf, dass er diese Gelegenheit zum Abschalten hat. Er ist dann zwar abends sehr müde, aber war noch nie so überreizt wie in der letzten Woche.

Gestern bat ich dann auch seine Bezugserzieherin um ein kleines Gespräch und so setzten wir uns heute, bevor ich die Kinder abholte, kurz zusammen. Ich fragte nach den Gewohnheiten auf der oberen Etage und sie bestätigte mir, dass es bisher zu keiner richtigen Ruhepause gekommen war. Gestern und heute haben sie den Großen zum Schlafen hinuntergeschickt, heute habe er das wohl sogar selbst so gewünscht. Gestern und heute war keine Überreizung und Überreaktion zu erkennen. Ich machte deutlich, dass er nicht unbedingt schlafen muss, weil er sonst abends noch später müde ist, und zwar auch gut ohne Mittagsschlaf durchhält, aber unbedingt eine Mittagsruhe braucht. Da er kein Kind ist, das sich diese selbstständig holt, um die Akkus aufzuladen, sondern alle Bewegungen, Geräusche und Reize etc. in sich aufsaugt, müssen wir, d.h. wir Eltern und die Erzieher, ihm dabei helfen, sich diese Pause zu nehmen. Ich bat sie eindrücklich darum, ihn zu unterstützen und dies auch an die anderen Erzieher weiterzutragen. Ich schilderte ihr seinen Zustand in der letzten Woche, seine Schwierigkeiten abzuschalten, die Parallelen zu mir selber und sie erkannte meine und seine Not deutlich. Zum Glück ist sie eine erfahrene Erzieherin und weiß, wie unterschiedlich Kinder sind. Das eine braucht keine Auszeit, das nächste nimmt sie sich selbst und das dritte braucht Hilfe dabei. Der Große gehört zu letzteren Kindern, das war schon als Schreibaby der Fall, als wir ihn sozusagen zum Abschalten durch Schlaf "zwingen" mussten und setzt sich bis heute fort. Ich selbst, da ich genauso gestrickt bin, versuche immer wieder, ihm Strategien zum Abschalten zu vermitteln. In einer neuen, unbekannten Situation wie nach dem Gruppenwechsel allerdings kann er so ein Wissen noch nicht anwenden. Das geht mir ähnlich, ich kann nur in vertrauter Umgebung gut für mich selbst sorgen. All das habe ich ihr vermittelt und sie war wie immer sehr verständnisvoll und lösungsorientiert. Es war ein gutes Gespräch und ich hoffe, dass es jetzt besser läuft.

Irgendwie müssen sie den Spagat hinbekommen zwischen der Tatsache, dass sich jetzt so langsam der Mittagsschlaf ausschleicht (die meisten seiner gleichaltrigen Freunde schlafen schon länger nicht mehr) und einer in dem Alter und von bestimmten Charakteren dringend benötigten Mittagspause. Ich hoffe, dass es sich nun bessert. So wie letzte Woche möchte ich den Großen nicht wieder erleben müssen. Und er selbst würde das auch nicht lange durchhalten. Der Wechsel scheint doch ein größeres Problem als gedacht zu sein. Er ging zwar morgens nie gern in die Kita, aber im Moment ist es besonders schlimm, er will eigentlich immer zuhause bleiben. Das ist traurig, weil er sich dort vor Ort immer wohlfühlt und nachmittags wiederum nicht weg will. Seine Abneigung gegenüber Veränderungen kennen wir ja, aber zur Zeit ist es morgens wirklich extrem schwierig mit ihm.

In solchen Zeiten denken wir mit Schrecken daran, wie das dann erst in der Schule werden soll. Bis dahin sind zwar noch 2 Jahre Zeit und viel Gelegenheit, seine Selbstwahrnehmung und Schutzstrategien zu schulen. Aber das Grundgerüst bleibt natürlich bestehen. Das ist bei mir nicht anders, nur dass mich niemand angeleitet hat, mit meinen Besonderheiten positiv umzugehen. Insofern hat er einen großen Vorsprung vor mir, die sich das alles erst mühselig selbst erarbeiten musste. Ich hoffe, das kommt ihm einst zugute.

7 Kommentare:

  1. Deine Beobachtungen sind wirklich detailreich und sehr reflektiert. Es ist spannend zu lesen, wie Du Alltagssituationen beschreibst und anschließend interpretierst. Auch wenn der Anlass selten ein schöner ist. Aber das wollte ich Dir mal sagen! Daher lese ich auch so gerne bei Dir mit.
    Und zum Post selbst: Ich hoffe, dass dein Großer sich schnell wieder an die Veränderungen gewöhnt und Dein Beharren auf die Mittagsruhe Früchte trägt!
    Ganz lieben Gruß, Wiebke

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    1. Liebe Wiebke,
      ich danke Dir für Deine lieben Worte. Ja, es ist eine Art Selbsttherapie. Und wenn alles glatt laufen würde, gäbe es ja nix zu schreiben, oder? ;);)
      Ich hoffe es auch und bin auch froh, dass ich so für ihn sorgen kann und seiner Erzieherin sein Wesen erläutern kann. Für mich hat das mit Sicherheit keiner gemacht...
      Liebe Grüße!

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  2. Der Grosse hat noch 2 Jahre Zeit, bis er in die Schule kommt. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass er dann die Mittagspause nicht mehr braucht. 2 Jahre sind eine lange Zeit, in der er sich enorm entwickeln wird. Mach Dir darüber bitte heute noch keine Gedanken. Meine Grosse kommt jetzt in die 2. Klasse und braucht kaum noch Mittagsschlaf. Am Wochenende bleibt es bei uns bei einer Mittagspause, in der sie sich still in ihr Zimmer zurück zieht, spielt, liest und manchmal auch schläft, wenn sie Lust dazu hat. Lange Rede, kurzer Sinn. Ihr habt noch viel Zeit, mach Dich jetzt noch nicht verrückt. Die Hauptsache ist, dass er jetzt seinen Rhythmus wieder findet und Ihr seid auf dem besten Weg!

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    1. Du hast ja Recht, der Schulgedanke war ja auch nur so ein Nebengedanke, bezogen auf seine Probleme mit dem Abschalten und Runterkommen. Ich hoffe auch, dass er bis dahin schon ein großes Stück weiter sein wird. Schlafen muss er wie gesagt eigentlich nicht mehr, aber Pausen braucht er unbedingt. Das muss in seinem Leben eine Selbstverständlichkeit werden und ich als ähnlich Tickende muss ihm dabei helfen, das zu verinnerlichen. Ich danke Dir für Deine aufbauenden Gedanken!
      Liebe Grüße!

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  3. Danke für diesen Blogpost, der mir auch ein wenig die Augen öffnet. Kann mein rebellierender 5-Jähriger einfach nur müde sein? Ruhepausen wird es für ihn wohl auch nicht mehr in der Kita geben. Und ich wundere mich, warum er gestern schon um 18.45 Uhr schlief.
    Mir fällt das echt schwer, um die Ecke zu denken, wobei die Lösung so nah ist. Ich sollte mir dringend damit auseinander setzen, danke!
    Mein Sohn machte übrigens auch lange Mittagsschlaf in der Kita - auch bis er annähernd 4 Jahre alt war.
    Gut, dass du mit der Erzieherin reden kannst. Sowas kann sonst sicher ganz schneller untergehen.
    Viel Erfolg!

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    1. Liebe Sarah,
      das kann gut sein, wenn er ähnlich sensibel ist und immer die Antennen ausgefahren hat. Frag doch mal, ob bei euch eine Mittagspause gemacht wird. Ich finde das sehr wichtig, eigentlich für alle Kinder, besonders aber für die, die schlecht abschalten können. Mein Großer hat bis zum Wechsel fast immer mittags geschlafen, weil er eben nachts wenig schläft, morgens zeitig wach ist und dann auch echt mittags durch ist. Insofern war die Umstellung auch viel zu krass. Aber eine Pause muss definitiv sein. So ein Tag ist sehr anstrengend für die Kinder. Manche kommen besser damit klar, manche schlechter. Du kennst Dein Kind am besten...
      Es kann aber natürlich bei euch auch was ganz Anderes sein, z.B. dass er geärgert wird oder eifersüchtig darauf ist, dass der kleine Bruder jetzt in der gleichen Kita ist. Ja, sowas kann auch Eifersucht wecken, weil die Kita nicht mehr allein seine "Domäne" ist. Frag doch mal die ErzieherInnen, was sie denken.
      Liebe Grüße!

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  4. Guter Tipp! Die Erzieherinnen haben uns schon mal gut durch so eine Phase geführt. Das werde ich machen. Danke.
    Jetzt hast du mehr mir geholfen, als ich dir. So war das gar nicht beabsichtigt.

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