Dienstag, 31. März 2015

Das Scheitern einer Erstlingsmama (Blogparade #geschichtenvomscheitern)

Geschichten vom Scheitern, die Blogparade von Große Köpfe, ist ein Paradethema für jede selbstkritische und reflektierte Mama. Da ich mich ausdrücklich zu diesen zähle, habe ich natürlich auch jede Menge dazu beizutragen. Ich will mich aber nicht in Details wie erfolgloser Motivation beim Anziehen, Kochen des immer falschen Essens oder Versagen der Contenance in stressigen Situationen (das Schlafengehen funktioniert bei uns meist ganz gut) verlieren, sondern das für mich größte und schmerzhafteste Scheitern meines bisherigen Lebens, was bezeichnenderweise erst als Mama auftrat, thematisieren. Den letzten Anlass dazu hat Mama Schulze mit ihrer Geschichte gegeben, in der ich mich extrem wiedererkannte, wenn ich auch damals im Gegensatz zu ihr Einkindmama gewesen bin.

Ich empfinde das gesamte erste Lebensjahr meines Sohnes als Scheitern und Versagen auf ganzer Linie, sowohl von mir als Mama des Babys, als auch als Mensch in zwischenmenschlicher Hinsicht. Ich kann mir das zwar nicht vorwerfen, hatte ich doch in dieser extremen Ausnahmesituation eines viel schreienden, nie schlafenden, nicht zu beruhigenden und immer unzufriedenen Babys weder die Fähigkeiten noch die Gelassenheit, um mich anders auf ihn einlassen zu können. Aber ich bedauere es sehr, wie dieses komplette erste Babyjahr gelaufen ist und wünsche mir oft, ich hätte es mit dem heutigen Wissen, der Sicherheit und Ausgeglichenheit erleben dürfen.

Ich war durch mein anspruchsvolles, forderndes High-Need-Baby nicht nur total gestresst und sowohl körperlich als auch mental völlig am Ende, sondern auch enttäuscht, verzweifelt und von aller Welt verlassen. Wut auf andere Eltern mit pflegeleichten Kindern, auf den Partner, auf Freunde und Familie, die uns nicht oder nur minimal halfen, sondern nur durch Vorwürfe oder Besserwisserei glänzten, und auch Wut auf das Kind, das mich so unglücklich machte, kamen dazu, was den Kreislauf des Scheiterns nur noch verstärkte. Nachdem schon das vermeintlich Einfachste der Welt, das Schwangerwerden, nicht so geklappt hatte wie vorgestellt (siehe diesen Beitrag), war es der Gipfel meines Scheiterns, dass ich nach der Geburt nicht mit meinem Kind klarkam und mir oft wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Er ließ sich nicht beruhigen, egal was man versuchte, man scheiterte mit allem. Er ließ sich nicht zum Schlafen bewegen. Man konnte nichts mit ihm machen, nicht autofahren, nicht einkaufen, jemanden besuchen oder wegfahren. Alles endete in Schreierei, Überreizung und Stress bei uns und beim Baby. Die einzigen beiden Male, als wir meine Eltern besuchten, rächten sich mit Nächten, die durchgeschrien wurden. In fremder Umgebung noch schlimmer als zuhause. Das ist 3 3/4 Jahre her. Seitdem haben wir nie mehr bei ihnen übernachtet.

Es war für alle eine furchtbare Zeit, für mich, für das Baby, für meinen Mann und für meine gesamte Umgebung. Das Gute daran ist: ich habe mein Scheitern nach außen getragen, durch Schmerz, Wut, Gereiztheit, Aggressionen, Reden über die unerträgliche Situation, immer und immer wieder. Dadurch habe ich vielleicht mein Baby vor meinen Aggressionen bewahrt, wer weiß. Das Schlechte daran ist: ich habe Menschen verletzt, die nichts dafür konnten, dass es so schwierig war, und vieles kaputt gemacht. Das bereue ich sehr. Es war aber leider überlebensnotwendig, um nicht durchzudrehen. Und um dem Baby nichts anzutun. Es ist schrecklich, wenn ein Lebenstraum so dramatisch scheitert. Schrecklich, wenn man seinem Baby nicht helfen kann. Und schrecklich, wenn man nicht die Mama ist, die man sich vorgestellt hat. Es war für mich das Scheitern als Mensch per se. Ich weiß bis heute nicht, wie ich diese Zeit überlebt habe. Sie hat mit Sicherheit Spuren in meiner Seele hinterlassen. Und auch bei anderen Menschen aus meiner engen Umgebung.

Nun sind vier Jahre seit der Geburt meines Großen vergangen, und heute ist alles anders. Er hat sich verändert und es wurde einfacher, je größer er wurde. Ich wurde ruhiger und lernte Dinge über ihn und über mich, die mir halfen, besser mit problematischen Situationen umzugehen. Ich verstand ihn nun, auch im Rückblick auf die Babyzeit. Ich wurde stressresistenter. Meine Kleine kam dazu und hat mir gezeigt, dass ich durchaus eine kompetente Mama sein kann. Sie hat mein Scheitern und Versagen geheilt. Insofern ist alles doch noch gut geworden. Aber es bleibt die Erinnerung an mein Versagen als Mama, als der Große mich am meisten gebraucht hätte, und die Traurigkeit über ein verlorenes erstes Babyjahr mit dem lang ersehnten Wunschkind. Das ist eine Wunde, die nie heilen wird.

14 Kommentare:

  1. Es tut mir Leid zu hören, dass dein erstes Babyjahr so verlaufen ist, und auch dass daran immer diese negativen Erinnerungen geknüpft sein werden. Aber umso schöner ist es, dass Du mit dem zweiten Kind erfahren konntest, dass Du eben doch eine gute Mutter bist. (Das warst Du sicherlich auch beim ersten Kind, nur eben eine überforderte gute Mutter!).
    Lieben Gruß, Wiebke

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    1. Danke Dir, liebe Wiebke! Ich habe sicherlich das Beste gegeben, was ich in der Situation geben konnte. Aber für mich und für ihn war es natürlich nicht genug. Ich hoffe, ich habe das in den Monaten/Jahren danach wieder "gutgemacht", so dass er keinen Schaden davogetragen hat. Wenn wir später mal darüber reden, wird er es sicherlich verstehen können. Aber es schmerzt.
      Liebe Grüße!

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  2. Danke für deinen Mut diese Geschichte zu teilen. Dein erstes Babyjahr muss ja ein wahrer Alptraum gewesen sein. Das ist so traurig! Aber als Versagen würde ich es nicht bezeichnen. Dass du aggressiv und gereizt deiner Umwelt gegenüber aufgetreten bist, ist mehr als verständich. Du warst schkießlich schuldlos und hilflos in einer Situation gefangen, die extrem auf Psyche und Physis schlägt. Ich weiß nicht, wie ich da reagiert hätte... Um so schöner also, dass du alles durchgestanden hast und nun entspannter und gelassener bist als je zuvor. Wer weiß, ob dir das ohne diese unschöne Erfahrung auch so ergangen wäre.... Ich wünsche dir viel Kraft weiterhin, das Erlebte zu verarbeiten. Liebe Grüße!

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    1. Du Liebe, ich danke Dir von Herzen! Ich hätte gerne auf diese Erfahrungen verzichtet, die mich mit Sicherheit verändert haben. Seitdem sage ich ganz ehrlich jedem, der damit liebäugelt, Kinder zu kriegen, dass er/sie sich das gut überlegen soll. Ich habe auch nie hinterm Berg damit gehalten.
      Dankeschön für Deine Worte!
      Liebe Grüße!

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  3. Wow. Super offen und ehrlich. Die Geschichte hat mich berührt. Du solltest aber nicht so hart mit dir ins Gericht gehen. Der Druck, der auf Müttern lastet, ist enorm und das Bild, das in allen Köpfen von der ersten Zeit existiert, verstärkt das erst noch. Man soll perfekt sein. Schnell sein altes Gewicht wieder haben. Aber vor allem soll - nein man muss - glücklich sein. Das ist bullshit! Was macht eine gute Mutter aus? Dass sie alles gibt. Du hast alles gegeben. Manchmal läuft es eben einfach nicht so wie im Bilderbuch. Mach dich nicht fertig deswegen! Hab auch ein bisschen was über die erste Zeit und das Thema Schreien geschrieben...https://nochnemuddi.wordpress.com

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    1. Danke für Deinen Kommentar. Du hast völlig Recht, es wird suggeriert, dass Babys pflegeleicht sind und Mamas überglücklich. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, wenn ich eine direkte Leidensgenossin oder eine verständnisvolle Mama gehabt hätte. Hatte ich aber leider nicht.
      Fertig mache ich mich nicht mehr, aber ich bedauere es zutiefst und mache meinem Umfeld immer noch Vorwürfe für das Unverständnis.
      Ich werde Deinen Text gleich mal lesen.
      Liebe Grüße!

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  4. Hallo Frühlingskindermama,
    endlich bin ich mal dazu gekommen, deinen Beitrag zu lesen...
    Vieles kommt mir selbst so bekannt vor... Ich empfinde die Erinnerung auch als extrem schlimm. Vor allem die Erinnerung gepaart mit einem permanenten schlechten Gewissen.
    Die Maus ist ja mittlerweile ein echtes Papakind. An sich nicht weiter schlimm, habe aber manchmal das Gefühl, dass sie mich ablehnt, weil ich im ersten Jahr so vieles falsch gemacht habe.
    Ich freue mich für dich, dass am Ende doch noch alles gut geworden ist für dich...

    LG
    Daniela

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    1. Hallo Daniela,
      dankeschön für Deinen Kommentar. Ich weiß, Du hattest auch eine schwere Zeit, Du Arme. Hätte man doch damals Leute gehabt, mit denen man sich austauschen könnte, dann wäre einiges einfacher gewesen.
      Mein Großer war lange Zeit auf mich fixiert, wenn auch völlig unkuschelig und unkörperlich. Bis heute kuschelt er lieber mit dem Papa, wenn auch wenig. Von mir lässt er sich aber am liebsten trösten.
      Denke bitte nicht, dass Du was falsch gemacht hast. Es ging eben nicht anders. Mein Großer ist jetzt älter und ich habe das Gefühl, ich konnte vieles wieder gutmachen.
      Liebe Grüße!

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  5. Liebe Frühlingskindermama, es tut mir leid zu hören, dass das erste Babyjahr mit Deinem Grossen so schrecklich war. Sicherlich einerseits, weil Du viel zu hohe Ansprüche suggeriert durch die Gesellschaft (die perfekte Mutter, das perfekte Kind) gegenüber Dir selbst und Euch als wachsende Familie hattest und sicherlich auch dadurch, dass Du keine wirkliche Hilfe einer aussenstehenden Person (Mutter, Freundin, Hebamme etc.) bekommen hast. Ihr musstet allein klarkommen und das ist eine traurige Tendenz in unserer heutigen Gesellschaft. Deshalb gibt es auch bald keine Hebammen mehr. Sehr traurig. Du kannst nicht die Zeit zurückdrehen, aber weiterhin versuchen, Dein Bestes zu geben. Durch unsere Kinder lernen wir so viel und ich bin sehr froh darüber.

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    1. Danke Dir! Du hast in allen Punkten Recht. Manche kommen mit solchen Umständen sicherlich besser zurecht als ich, aber jeder ist eben anders, und mich haben meine Perfektionsansprüche, hohen Erwartungen sowie die fehlende Hilfe und das mangelnde Verständnis bestimmt noch mehr belastet als viele andere. Es ist echt traurig. Ich bin froh, dass diese Zeit vorüber ist und ich jetzt vieles anders machen kann, weil ich gefestigter bin.
      Liebe Grüße!

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  6. Vielen Dank für deinen offenen Bericht. Man liest es dir an, dass es dir sehr schwer gefallen sein muss, den Artikel zu schreiben. Aber ich spüre auch eine Erleichterung heraus, kann das sein?
    Du kannst wirklich wahnsinnig stolz darauf sein, dass du deinem Sohn nichts angetan hast und "nur" deiner Umgebung gegenüber aggressiv wurdest. Viele schaffen das vielleicht nicht. Auch, wenn es natürlich nicht schön ist, wenn man zu Anderen giftig wird. Aber du hast es ja selbst geschrieben: Du hast "irgendwie überlebt". Das ist eine totale Ausnahmesituation, wie du sie mit deinem Sohn und deiner familiären Belastung erlebt hast. Ich finde, da "darf" man sich sowas leisten. Ich hoffe, dass dein Umfeld dir das verziehen hat oder später noch verzeihen wird und vor allem hoffe ich, dass deine Schuldgefühle dir gegenüber irgendwann verschwinden.
    Liebe Grüße

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    1. Liebe Christine,
      danke Dir für Deine lieben Worte! Einerseits ist es schwer gefallen, da zum ersten Mal so in Worte gefasst, andererseits musste es auch mal raus, insofern war ich erleichtert, ja. Und jedes Mal weine ich beim Lesen...
      Ich denke auch, dass es die "bessere" Variante war, meine Aggressionen an meinem Umfeld auszulassen. Aber es ist vieles kaputt gegangen und leider kann nicht jeder das verstehen und verzeihen.
      Die Schuldgefühle werden wohl ein Leben lang bleiben.
      Liebe Grüße!

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  7. Vielen Dank für deine ehrliche Geschichte!
    Ich weiß gar nicht, wie ich das vernünftig ausdrücken soll, aber ich bin irgendwie dankbar zu erfahren, dass ich nicht die einzige bin, bei der es irgendwie schief läuft. Wir stecken noch im 1. Jahr und hoffen, dass es irgendwann mal besser wird, aber bislang war es eher eine Katastrophe und ich fühle mich als Versagerin auf ganzer Linie.
    Unsere Tochter wurde zwei Monate zu früh auf die Welt geholt wegen einer Eklampsie und im Nachhinein kann man nur sagen: So bescheiden die Zeit im Krankenhaus auch war, so ruhig war sie immerhin. Kaum war das Kind daheim, ging die Post ab ...... sie war fast immer unzufrieden, oftmals am Schreien oder Weinen und das Schlafen hat sie nach einigen Wochen, in denen es immerhin in Kernzeiten des Nachts funktionierte, quasi eingestellt. Zwar ist sie nicht unaufgeschlossen oder unfreundlich, aber sie auch nur eine Stunde von einer anderen Person betreuen zu lassen funktioniert nicht. Um mich herum nur Mütter mit unkomplizierten Kindern, die mich verständnislos "bemitleiden" ohne zu verstehen, was das Problem ist. Und ich kann mich immer nur als die sehen, die vielleicht besser niemals Mutter geworden wäre, die nicht einmal diese einfachen, "naturgegebenen" Dinge wie Schwangerschaft, Geburt und Kinderbetreuung hinbekommt.
    Ich liebe meine Kleine, auch wenn es mich ihre Unzufriedenheit und ihr Geschrei oft so endlos frustrieren. Dennoch wollen wir sie ab Jahresende "fremdbetreuen" lassen, um wenigstens etwas Luft holen zu können. Vom Gedanken an weitere Kinder, die vorher durchaus gewünscht waren, haben wir erst einmal Abstand genommen. Zu groß erscheint das Risiko, ein zweites Mal durch diese Qualen zu müssen.
    Entschuldige den langen Text, aber irgendwie musste das wohl mal raus.
    Liebe Grüße unbekannterweise,
    lafrancophile

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    1. Lieben Dank für Deinen Kommentar! Du bist weiß Gott nicht die Einzige, die diese Erfahrungen machen muss. Das hab ich aber auch erst aus dem Austausch im Netz gelernt, weil um mich herum auch nur pflegeleichte Kinder und glückliche Mütter waren. Kaum einer traut sich, offen darüber zu sprechen, dass es oft alles andere als glücklichmachend ist. Von daher kann ich Dir auch nur empfehlen, im Netz zu lesen und Dich eventuell in Foren auszutauschen. Sonst wird man nämlich echt verrückt!
      Euer schwieriger Start tut mir sehr leid, es ist wirklich erschreckend, wie viele solche individuell verschiedene Fälle es gibt. Ich habe meinen Großen ab 9 1/2 Monate stundenweise fremdbetreuen lassen, obwohl ich mir das vorher nie vorstellen konnte, aber sonst wäre ich durchgedreht. Ich habe mich damit sehr schwer getan, aber dennoch war es richtig. Mit der kontinuierlichen Fremdbetreuung dann in der Kita wurde die gesamte Situation für mich allmählich besser.
      Ich wünsche euch für euren Weg alles Gute, viel ehrlichen Austausch und Unterstützung (die wir leider auch nicht hatten). Halte durch und verliere Dich selbst nicht!
      Liebe Grüße!

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