Montag, 24. Oktober 2016

Ein symbolischer Traum

Ich habe letzte Nacht geträumt. Das passiert mittlerweile ziemlich selten, da ich einfach nicht mehr so tief schlafe wie früher und öfter von der Kleinen geweckt werde. Der Traum war kurz, aber sehr deutlich und intensiv. Also emotional intensiv. Und er drückt meine Gefühle, Befürchtungen, Sorgen so gut aus, dass ich ihn mal hier wiedergeben will.

Ich war mit der Kleinen allein. Sie büchste aus und rannte weg, ich hinterher, um sie wieder einzufangen. Dabei kam ich zu einem Restaurant oder Cafè, wo ich meinen Großen entdeckte. Ich weiß nicht genau, was er dort machte, irgendwie sollte er mithelfen und Arbeitsluft "schnuppern". Er war jedenfalls nicht zum Essen da und stand mittendrin herum. Er hatte Tränen in den Augen und ich sah die Tränenspuren auf seinem Gesicht. Sein Gesicht war traurig und einsam. Er weinte aber nicht laut, sondern ich wusste, dass der auslösende Vorfall schon vorüber war und er allein klarkommen musste. Da stand er nun mutterseelenallein und hilflos in diesem Restaurant und niemand fing ihn auf.

Augenblicklich "vergaß" ich die Kleine und stürzte zu ihm, um ihn zu trösten. Er fing an zu schluchzen. Ich hielt ihn lange fest und fragte ihn, was passiert war. Er erzählte stockend, dass er etwas lesen sollte, was ihm ein Mann (Angestellter) des Restaurants hingehalten habe. Er konnte es nicht, da habe der Mann mit ihm geschimpft. Natürlich konnte er es nicht, er ist ja noch nicht in der Schule und kann noch nicht lesen! Warum er das denn nicht gesagt habe, wollte ich wissen. Darauf wusste er keine Antwort. Als er sich beruhigt hatte, suchten wir den Mann und ich wies ihn ruhig, aber bestimmt darauf hin, dass der Große noch nicht lesen könne und er doch beim nächsten Mal fragen soll, ob ein Kind so etwas schon kann, bevor er das Kind demütigt. Da war er auch perplex und meinte, der Junge wäre ja schon so groß, deshalb dachte er, er würde schon in die Schule gehen. Ich wiederholte meine Bitte deutlich und in Gegenwart des Großen und der Mann war zugänglich und einsichtig. Gleichzeitig ermutigte ich meinen Großen, doch bitte direkt zu sagen, wenn er sich zu Unrecht behandelt fühlt oder jemand etwas Unrealistisches von ihm erwartet. Er hat sich nicht getraut, zu sagen, dass er noch nicht lesen kann. Das kenne ich so gut, solche Situationen hatte ich früher als Kind auch zuhauf. Ich habe mich auch oft nicht getraut, für mich einzustehen. Der Unterschied war: für mich hat sich auch niemand anderes eingesetzt (in meiner gefühlten Erinnerung). Ich dagegen versuche das für den Großen immer und immer wieder, in der Hoffnung, dass er dadurch Vertrauen und Sicherheit bekommt. Als ich die Situation mit beiden Beteiligten geklärt und beruhigt und den Kopf wieder frei hatte, suchte ich die davongelaufene Kleine. Sie war aber schon zurückgekommen, als sie gesehen hatte, dass ich ihren aufgelösten Bruder tröstete, und hielt sich in der Nähe auf. Ruhig und gefasst ging ich mit beiden Kindern davon. Ende des Traums.

Dieser Traum zeigt so viel aus meiner Gefühlswelt. Vor allem verdeutlicht er, dass ich mich immer noch und immer wieder als Vermittler zwischen dem Großen und seiner Umwelt begreife, und ebenso als sein sicherer Hafen, sein Auffangbecken, seine Troststation. Wir hatten am Vortag eine vergleichbare Situation bei uns zuhause gehabt, zwischen dem Papa und dem Großen. Ich schaffe es nicht immer, ihn aufzufangen und zu vermitteln, manchmal ist es mir auch zuviel, aber im Grunde weiß ich, dass kein anderer aus seiner Umgebung das so leisten kann wie ich. Er zeigt auch, wie ich als Mama über meinen Schatten springe und Hartnäckigkeit, Eindringlichkeit und manchmal auch Mut zeige, um Verständnis für ihn wecken, und dadurch meine eigene Zurückhaltung und Scheu überwinde. Denn ich selbst habe nie gelernt, für mich einzustehen, und niemand hat mir dabei geholfen. Ebenso habe ich nie gelernt, ungerechtfertigte oder bedrückende Dinge sachlich anzusprechen und einen Konflikt konstruktiv zu lösen. Ich lerne das vor allem durch meine Kinder, und sie wiederum umgekehrt durch mich. Ich möchte meinem Großen zeigen, dass es sich lohnt, für sich einzustehen, und man dies auch unbedingt machen sollte, gerade, wenn man sich vielleicht etwas anders fühlt. Manchmal sagt er jetzt schon zu uns, wenn wir wiedermal irgendwelche genormten Erwartungen an ihn haben: "Aber ich bin doch ein anderer Mensch!" Das finde ich sehr gut, so weit war ich als Kind nicht. Auf diesem Weg möchte ich ihn weiter begleiten und unterstützen. Und sein Vermittler sein. So wie ich mir einen gewünscht hätte. Damals, als Kind.

4 Kommentare:

  1. Schön geschrieben & das sollte eigentlich bei jeden so sein.

    Lg Nicky

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  2. Wir sind uns so erschreckend ähnlich. Ich habe auch immer das Bedürfnis, für meinen Sohn einzustehen, weil ich weiß, wie furchtbar es ist, wenn Eltern das nicht tun. Es ist unsere Aufgabe. Solange die Kleinen das noch nicht können, sind wir Ihr Auge und Ohr. LG, Sabine

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    1. Erschreckend würde ich jetzt nicht sagen;-). Ich glaube, wenn man das selbst erlebt hat, empfindet man das besonders deutlich. Und bei demjenigen Kind, das man als schutzbedürftiger ansieht. Das ist eben von meinen beiden Kindern der Große...
      LG!

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