Donnerstag, 28. Juli 2016

Das Desinteresse des Großen an seiner Baby-Schwester

Ich lese und höre immer wieder verzückte Berichte, wie sehr kleine Kinder bei der folgenden Schwangerschaft mitfiebern, wie sie sich wünschen und freuen, große Schwester/ großer Bruder zu werden und wie sie nach der Geburt das Baby beknuddeln, umsorgen, die Tätigkeiten der Mama nachahmen (z.B. an Puppen), den Kinderwagen schieben und stolz "ihr" Baby präsentieren. Ich weiß nicht, ob da lediglich einige wenige Momentaufnahmen geschildert werden oder ob das in vielen Familien tatsächlich in diesem Ausmaß der Fall ist. Bei uns war das nämlich nicht so.

Als ich schwanger wurde, war der Große noch nicht mal anderthalb Jahre alt. Natürlich haben wir ihn, je größer der Bauch wurde, auf das Geschwisterchen vorbereitet, ihm Dinge erklärt und gezeigt, mit ihm Bücher wie dies hier gelesen etc. Wir haben ihm gesagt, dass Mama dann ins Krankenhaus geht und er mit Papa allein zuhause ist. Wir haben mit ihm zusammen einige Babysachen wieder hervorgeholt (Spielzeug, Kleidung) und deren Funktion erklärt. Arztbesuche habe ich aber nie mit ihm zusammen absolviert, er hat auch keinen Geschwisterkurs besucht und es wurde nichts in der Wohnung umgeräumt. Sein Kinderzimmer inkl. Wickeltisch für's Baby (er ließ sich nicht mehr darauf wickeln) blieb unverändert, sein Bett behielt er, der Autokindersitz blieb gleich und es gab wirklich kaum Veränderungen in seiner häuslichen Umgebung. Ein neues Beistellbett stellten wir im Schlafzimmer auf, die neue Babyschale kam ins Auto (beides war schon verkauft) und der Kinderwagen wurde um ein Buggyboard erweitert. Ansonsten wollten wir ihm mit so wenig äußerer Veränderung wie möglich Sicherheit und Vertrauen vermitteln, um die unbekannte Situation zu meistern. Für ihn sollte alles gleich bleiben. Zu diesem Zeitpunkt hat ihn jegliche Veränderung total aus der Bahn geworfen.

Man merkte ihm auch nicht an, dass er realisierte, was auf ihn zukam. Er wirkte relativ unbeteiligt und ich kann mich nicht erinnern, dass er mal sein Ohr an meinen Bauch legte oder mit dem Baby sprach. Vielleicht hat er es gemacht, aber wenn, dann so selten und kurz, dass ich es kaum wahrgenommen habe. Er hat auch nie begeistert erzählt, dass er bald großer Bruder wird. Klar, er sprach ja auch noch nicht wirklich viel. Für meine Schwangerschaft interessierte er sich eigentlich nicht, und auch andere Schwangere und Babys lassen ihn bis heute kalt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nie von selbst gesagt hätte, dass er noch ein Geschwisterchen möchte, so wie man es immer von vielen Seiten hört. Selbst das endgültige Still-Ende während der Schwangerschaft bedeutete für ihn keinen großen Einschnitt, soweit ich das beurteilen kann. Er hörte einfach von einem Tag zum anderen damit auf.

Von den Beschwerlichkeiten der zweiten Schwangerschaft bekam er nicht so viel mit. Übelkeit und Schlappheit sieht man nicht, tragen musste ich ihn weiterhin sehr viel, auch wenn ich immer wieder an ihn appellierte, und als ich in den letzten Wochen oft starke Vor- oder Übungswehen hatte und kurz innehalten musste, stand er einfach still neben mir und wartete. Zum Glück, denn als er mit 2 Jahren anfing, Laufrad zu fahren, wäre er sonst über alle Berge gewesen, während ich unterwegs minutenlang verkrampfte. Als ich wegen Übertragung zum CTG ins Krankenhaus musste, fuhren wir zwar gemeinsam hin, aber mein Mann ging währenddessen mit ihm auf den Spielplatz. Zumindest hatte er so das Krankenhaus schon mal gesehen. Aber er wirkte vor der Geburt insgesamt nicht aufgeregt oder neugierig oder stolz oder unsicher oder eifersüchtig. Er fieberte einfach kaum mit. Allerdings war er auch das erste Kind aus unserem Bekanntenkreis, das ein Geschwisterkind bekam.

Als die Kleine geboren wurde, war er 26 Monate alt. Er kam nach der Kita mit dem Papa zu uns ins Krankenhaus, schaute sich das Baby und mich im Krankenhaushemd kurz an und spielte dann mit seinem Bagger, dem Geschenk des Babys. Klar haben wir auch Aufnahmen, wo er das Baby streichelt, neben ihr im Krankenhausbett liegt oder mein Mann erzählte mir, wie er zuhause abends nach uns fragte. Wirklich süß war, wie sie uns abholten und er wacker mit dem Papa zusammen die Babyschale trug. Insgesamt aber war er relativ zurückhaltend in seinem Interesse für seine Schwester und das setzte sich zuhause fort.



Für das Stillen und Wickeln hat er sich nicht wirklich interessiert, auch nicht, wenn man ihn einbeziehen wollte. Er hat auch nicht meine Handlungen nachgeahmt, wie ich das oft bei anderen Mamas lese und höre. Weder stillte, fütterte, trug, wickelte oder badete er seine Kuscheltiere (für Kuscheltiere hat er sich ja auch nie begeistert) oder seine Babypuppe, die ihm die Großeltern zur Geburt der Schwester schenkten, noch holte er mich, wenn das Baby weinte. Eher saß er in solchen Fällen stumm und unbeteiligt daneben, so wie er auch neben ihr saß, wenn wir spielten, ohne ihr etwas zu zeigen oder sie zu bespaßen. Er hat seine Schwester nie als Subjekt, das er anleiten und beschäftigen könnte, gesehen. Er hat für sich oder mit uns gespielt und sich nicht weiter um sie gekümmert. Nicht groß mit ihr geredet, ihr kein Spielzeug gebracht, sie nicht getröstet, gestreichelt, geknuddelt, abgeknutscht. Sie hat ihn natürlich trotzdem angehimmelt, aber wir fanden das von seiner Seite aus im Vergleich zu anderen Kindern ziemlich wenig Interesse und Begeisterung für das Geschwisterchen. Wenn er von der Kita nach Hause kam, tangierte es ihn nicht, wo die Kleine war. Er hat nie geäußert, dass er auch bei mir schlafen wolle, nur weil die Kleine bei mir schläft. Klar war er erst 26 Monate + alt und noch sehr stark von seinen eigenen Problemen und Unausgeglichenheiten (Autonomiephase) in Beschlag genommen, aber uns erschien sein Desinteresse ungewöhnlich. Allerdings hat er sich eben auch nie - bis heute nicht - für andere Babys interessiert. Vielleicht ist das vergleichbar mit der Tatsache, dass ich keine Baby-Mama bin, wie hier beschrieben.

Je mobiler sie wurde, umso "gefährlicher" wurde sie für ihn und er sah sich genötigt, sein Eigentum zu verteidigen. Er hatte und hat immer noch ein sehr starkes Eigentumsempfinden, auch seiner Schwester gegenüber. Er hat keinen Beschützerinstinkt und keine Lehrmeister-Ambitionen. In der Kita hat sie immer seine Nähe gesucht, er nie ihre, soweit ich das aus Erzählungen der Erzieher beurteilen kann. Er hat selten mit ihr geschäkert oder herumgealbert, sie auch später kaum einmal getröstet. Das setzt sich tendenziell bis heute fort. Wie gesagt, ich bin mir ziemlich sicher, dass er sich niemals aktiv ein Geschwisterchen von uns gewünscht hätte, so wie man es besonders von Mädchen oft hört. Ich muss ehrlich sagen, dass ich damals enttäuscht von seinem Desinteresse war, weil ich es so anders erwartet und gehört hatte. Damals kannten wir ihn ja auch noch lange nicht so gut wie heute. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass besonders ich immer viel zu hohe Erwartungen zu dem, was eben "normal" ist, an ihn hatte. Irgendwie hat man ja immer die Vorstellung, dass das große Kind das kleine knuddelt und umsorgt. Meine allgemeinen Gedanken über die Geschwisterbeziehung der beiden findet ihr hier.

Eifersucht war übrigens so lange kein Thema, wie sein "System" stimmte, nämlich dass der Papa sich um ihn kümmerte und ich mich ums Baby. Er hatte sich ja in den Wochen vor ihrer Geburt emotional sehr stark an den Papa gebunden. Wenn der Papa in seiner Anwesenheit das Baby nahm, wurde er sehr unleidlich. Wenn alles im Lot war und das Baby bei mir war, war Eifersucht anfangs kaum ein Problem. Das ließ nach ein paar Monaten nach, als er sich mir langsam wieder annäherte und sein "System" aufgeweicht wurde. Danach und mit der zunehmenden Mobilität der Kleinen wurde die Eifersucht etwas sichtbarer. Vor allem die Eifersucht in Hinblick auf das Teilen-Müssen der Aufmerksamkeit. Insgesamt aber war das, was ich seiner Autonomiephase anlaste, schwerwiegender als jegliche Eifersucht und Entthronung, auch wenn sich das natürlich gegenseitig verstärken kann. Man musste bei ihm nie Sorge habe, dass er grob mit der Kleinen ist, ihr bewusst wehtut oder sich zu überschwänglich zeigt. Dafür hat sie ihn einfach zu wenig interessiert.

Wie war oder ist das bei euch, haben eure größeren Kinder in eurer nächsten Schwangerschaft mitgefiebert oder waren sie relativ desinteressiert? Wie haben sie das Baby nach der Geburt aufgenommen? Haben sie euer Verhalten nachgeahmt, waren sie vom Baby begeistert oder war es eher wie bei uns? Sind eure Kinder generell babybegeistert oder dahingehend auch eher leidenschaftslos?

Sonntag, 24. Juli 2016

Unser Wochenende in Bildern 23./ 24. Juli 2016

Alle paar Monate mache ich mal beim Wochenende in Bildern von Geborgen Wachsen mit. Das letzte #wib findet ihr hier. Heute haben wir nämlich so einen tollen Ausflug gemacht, der schon lange auf meinem Wunschzettel stand, dass ich euch unbedingt die Bilder zeigen möchte. Aber der Reihe nach.

Am Samstag frühstückten wir auf dem Balkon, da es schon schön warm war. Das ist eines der Dinge, die ich am meisten liebe. Leider läuft bei uns fast keine Mahlzeit ohne Reibereien ab. So ärgerte sich der Große über irgendetwas und verließ daraufhin den Frühstückstisch (er aß später mit mir zusammen noch etwas). Die Kleine fühlte sich wie so oft in letzter Zeit vom Flugzeuglärm gestört. Deshalb hatten wir ihr den Peltor Kid Gehörschutz gekauft, den sie nun zum Frühstück aufsetzte. Mir macht das echt Sorge, dass sie unseren leider starken Alltagslärm seit unserem Urlaub viel stärker empfindet und richtig leidet.


Nach dem Frühstück fuhren wir in unseren Garten. Durch die Urlaubs-Abwesenheit war jede Menge zu tun und das Wetter spielte glücklicherweise mit. Mein Mann werkelte fast den ganzen Tag. Die Kinder freuten sich über unseren neugekauften Pool, der auf mehr Anklang stieß als das alte Kinderplanschbecken. Endlich konnte auch ich mich mal ein wenig erfrischen! Es war göttlich!


Am Nachmittag kam noch der Gartennachbarsfreund des Großen zu uns und zeigte unseren Kindern, was kreatives Spielen ist. Wir probierten zum ersten Mal diese selbstschließenden Wasserbomben aus und hatten großen Spaß damit. Ist ein teures Vergnügen, aber ich hätte ja nicht geglaubt, dass sich die Ballons wirklich selbst verschließen.


Der Phlox blüht gerade wunderbar. Ich liebe ja Phlox. Zu ernten gibt es leider gar nichts. Unser bestes Erntejahr war tatsächlich das eine Jahr, als wir den Garten schon und noch keine Kinder hatten.


Wir fuhren erst nach dem Abendbrot nach Hause. Die Kleine wollte sich wohl als lebendes Navi versuchen und der Große als unser Chauffeur. So ein schöner Sommertag.


Am Sonntag waren wir mit meinen Eltern am Baumwipfelpfad in Beelitz südwestlich von Berlin verabredet, weil wir den Großen an sie übergeben wollten, der ein paar Tage bei ihnen Urlaub macht. Der Baumwipfelpfad wurde im September 2015 eröffnet und steht seitdem auf meiner Ausflugsliste. Wir trafen uns dort mit meinen Eltern und besichtigten das Gelände der verfallenen Beelitzer Heilstätten.



In 20 Metern Höhe (der Aussichtsturm hat sogar 40 Meter) kann man dort zwischen den Baumwipfeln und über den Ruinen der berühmten Beelitzer Heilstätten (Tuberkuloseheilanstalt), einem verwunschenen Gelände, das schon oft als Filmkulisse diente, flanieren. Der Pfad ist bisher ca. 300 m lang, soll aber noch auf ca. 1000 m ausgebaut werden.





Die Ruinen werden auf Schautafeln erklärt und im zweiten Bauabschnitt sollen noch Bewegungselemente für Kinder dazukommen. Es ist wirklich ein einmaliges Erlebnis, man sieht z.B. einen ganzen Wald, der auf dem Dach einer Ruine neu gewachsen ist. Geschichte und Natur im Doppelpack!



Regelmäßige Führungen durch die verfallenen Gebäude der parkähnlichen Anlage finden statt, es gibt Gastronomie und einen Kinderspielplatz. Der gesamte Park wird noch weiter ausgebaut. Uns hat es sehr gut gefallen und nach dem Mittagessen verabschiedeten wir den Großen und die Großeltern.

Den Nachmittag verbrachten wir mit der Kleinen in unserem Garten und genossen die Ruhe. Wir planschten und es konnte sich tatsächlich immer ein Elternteil abwechselnd ausruhen. Ich ging noch kurz mit ihr auf unsere Felder, auf der Suche nach den Heckrindern und Wildpferden, die früher dort lebten. Leider sind sie seit einiger Zeit verschwunden. Es war ein schöner Tag und insgesamt ein herrliches Sommerwochenende mit tollem Wetter.



Nun sind wir bis Donnerstag Einkind-Eltern und der Große genießt Großeltern-Exklusivzeit, seit Dezember das erste Mal wieder. Wünsche euch eine schöne Woche!

Dieser Text enthält Affiliate Links.

Mittwoch, 20. Juli 2016

Schwimmkurs mit 5 Jahren - Ja oder nein?

In unserer Kita wird für die Vorschulkinder, zu denen mein Großer nun ab August zählt, ein Schwimmkurs angeboten, der ein Mal wöchentlich in einer Schwimmhalle stattfindet und bestenfalls mit dem Seepferdchen enden soll. Nach unserem Urlaub hatten wir das Anmeldeformular dazu in seinem Kitafach. Ich finde das eigentlich ein tolles Angebot und würde ihn gern anmelden. Zusammen mit seiner Kita-Gruppe, den Kindern, die er seit 4 Jahren kennt, Schwimmen zu lernen, stelle ich mir als eine schöne und positive Erfahrung für ihn vor. Andererseits habe ich einige Bedenken, die mich zögern lassen und möchte deshalb gern eure Erfahrungsberichte und Meinungen hören.

1.) Die Uhrzeit
Der Kurs findet donnerstags um die Mittagszeit statt. Zeit im Wasser ist von 13 bis 13:45 Uhr, inkl. An- und Abreise zur Schwimmhalle sind die Kinder also ca. von 12 Uhr bis 14:30 Uhr unterwegs. Sie müssen also direkt nach dem Mittagessen mit vollem Bauch aufbrechen und genau zu einer Zeit, wo ein Tagestiefpunkt erreicht wird und eigentlich die Ruhezeit stattfindet, Leistung bringen. Da wir sehr auf die mittägliche Ruhezeit des Großen achten und gerade beim anstrengenden Kitatag darauf großen Wert legen, finde ich genau diese Uhrzeit unglaublich suboptimal.

2.) Die Fahrt
Die Hin- und Rückfahrt von der Kita zur Schwimmhalle muss von den Eltern organisiert werden. In der vorigen Gruppe war es so, dass einige Eltern abwechselnd mehrere Kinder mit dem Auto hingefahren haben. Wir könnten dies nicht gewährleisten, da wir beide zu dieser Uhrzeit wirklich in Kernzeit arbeiten. Man wäre also auf andere Eltern angewiesen. Außerdem gab es den ganzen Winter über ständig Rundmails, dass irgendjemand (Kind oder Elternteil) krank geworden ist und entweder Fahrdienst oder Schwimmkurs nicht wahrnehmen kann. Sehr mühsam, das dann spontan neu zu organisieren oder eine Nichtteilnahme des Kindes in Kauf zu nehmen.

3.) Die Voraussetzungen
Der Große ist eigentlich ein zurückhaltendes, beobachtendes, auch eher ängstliches Kind, das sich bei vertrauten Bezugspersonen mittlerweile immer mehr zutraut und ausprobiert. Ein Schwimmtrainer ist keine vertraute Bezugsperson und kann, wenn er/ sie nicht angemessen auf seine Schüler eingeht, viel Schaden anrichten bei dem gerade mühsam aufgebauten Selbstvertrauen des Großen. Ich fürchte mich vor "Hammerschlag"-Methoden, die mein Kind überfordern, so wie sie mich einst überforderten, obwohl ich um einiges älter war. Ich denke, er braucht Herausforderungen, aber ich bin nicht der Typ Mama, der ein Kind, das noch nicht soweit ist, ins kalte Wasser wirft.

4.) Wasseraffinität
Der Große hatte lange Zeit keine Affinität bzw. sogar Scheu vor Wasser. Waschen, baden, duschen war bis ca. 3 - 3,5 Jahre ein riesengroßer Krampf. Schon als Baby hat er das Baden gehasst. Ich erinnere mich, wie er bei seinem allerersten Bad, vielleicht 2 Wochen alt, wild strampelte und nach kurzer Zeit wie am Spieß schrie. Ein Baby-Schwimmkurs wäre bei ihm eine Tortur für alle Beteiligten gewesen. Am Meer/ See ist er nie freiwillig ins Wasser gegangen, nicht mal mit den Füßen. Das hat sich alles erst in den letzten ca. 1,5 Jahren gewandelt. Mittlerweile mag er es, im See zu planschen und sitzt auch ganz gern in der Badewanne, allerdings am liebsten allein, mit der Kleinen zusammen gibt es nur Streiterei. Er ist sogar schon mehrfach eine Wasserrutsche heruntergesaust und hatte wohl danach Respekt vor der eigenen Courage. Er hat jedoch immer noch Angst vor tiefem Wasser, das merkt man deutlich. Als ich im See mit ihm ein paar Schwimmbewegungen (mit Schwimmärmeln) machen wollte und seine paddelnden Beine etwas nach oben stupste, damit er in der waagerechten Schwimmposition ist, bekam er trotz meines Stützens sofort Panik und ich musste ihn weinend aus dem Wasser tragen. Sein Verhältnis zu Wasser ist also immer noch nicht unbeschwert und sorglos, sondern misstrauisch und labil. Ich habe Sorge, dass auch hier mehr kaputt gemacht als gewonnen wird. Auf der anderen Seite besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass er durch einen unbeteiligten Dritten die letzte Scheu überwindet und die Herausforderung besteht.

Für das Seepferdchen, das am Ende des Kurses erreicht werden kann, müssen folgende Anforderungen erfüllt werden:
  • Sprung vom Beckenrand und 25 m Schwimmen
  • Heraufholen eines Gegenstandes mit den Händen aus schultertiefem Wasser
Beides, weder den Sprung noch das Tauchen, kann ich mir nach heutigem Stand beim Großen vorstellen. Er hasst es, wenn Wasser an sein Gesicht kommt oder er vollgespritzt wird. Beides habe ich selbst übrigens auch nie gewagt. Projiziere ich damit meine eigenen Erfahrungen auf ihn oder schätze ich ihn realistisch ein?

5.) Eigene Erfahrungen
Ich habe als Kind der DDR in der 3. oder 4. Klasse von der Schule aus schwimmen gelernt bzw. die Anfänge im Sommer davor im Urlaub mit meinen Eltern. Da ich mit 7 Jahren in die Schule kam, bin ich also mindestens 9 Jahre alt gewesen. Wir fuhren zum Schwimmunterricht in unsere städtische Schwimmhalle und ich weiß noch vage, dass ich das alles andere als angenehm fand. Herrische, unsensible Trainer, das eklige, halbnasse Gefühl auf der Fahrt zurück und die Anforderungen nahmen mir die Lust daran. Ich schwimme eigentlich gern und heute bin ich immer die erste der Familie, die im See zu finden ist, aber eben freiheitlich, ohne Zwang und Erwartungen. Ich schwimme nie weit hinaus, da ich immer Angst vor einem Kraftverlust auf dem Rückweg habe. Und ich habe wirklich Respekt vor tiefem Wasser und bekomme schnell Panik, wenn mich etwas am Fuß berührt.

Im Schwimmkurs meiner Schule bin ich, und da konnten sich die Trainer auf den Kopf stellen, niemals vom Beckenrand oder Brett gesprungen. Sogenannte Bauchklatscher, die anderen Kindern einen Heidenspaß bereiteten, erfüllten mich mit Abscheu und Grauen. Getaucht bin ich bis heute noch nie. Da ich und ein anderes Mädchen sich vehement gegen den Sprung sträubten, durften wir beide für unser Schwimmabzeichen uns vom Beckenrand ins Wasser hinein rutschen lassen. Das war das Äußerste, was bei mir ging.

6.) Gesellschaftliche Erwartungen
Ich weiß nicht, ob es heutzutage erwartet oder vorausgesetzt wird, dass ein Kind schon vor Schulstart schwimmen kann. Klar ist das toll, wenn es klappt, aber es gibt eben Wasserratten und "Spätzünder", genau wie bei allen anderen Entwicklungsschritten. Laut Familie.de liegt das ideale Alter zum Schwimmenlernen zwischen 5 und 8 Jahren. Er wäre also mit 5 noch ganz am Anfang. Wie gesagt, bei Kindern, die von Anfang an keine Scheu vor und einen riesen Spaß im Wasser hatten, würde ich das auch so früh wie möglich versuchen. Beim Großen liegt der Fall aber etwas anders und ich möchte keinesfalls, um einer gesellschaftlichen Norm zu entsprechen, ihn zu etwas zwingen, was noch zu früh ist. Andererseits will und muss ich ihn angemessenen Herausforderungen aussetzen, damit er sich weiter entwickeln kann. Was da zuwenig oder zuviel ist, ist immer schwer einzuschätzen und kann auch von Tag zu Tag schwanken.

7.) Angst vor vielen Erkältungen
Es mag jetzt vielleicht hysterisch klingen, aber nach unseren bisher seltenen Schwimmbadbesuchen im Winter hat sich immer mindestens eines unserer Kinder erkältet, obwohl wir sehr auf gutes Abtrocknen und dicke Kleidung achten. Ich glaube, das liegt nicht an dem Kälteschock danach, sondern an dem abwechselnden Aufenthalt im warmen Wasser und nassen Herumsitzen bzw. Herumlaufen im kühleren Schwimmbad. Mein Großer merkt nicht oder zu spät, wenn er friert, und reagiert nicht selbstständig darauf. Nach unserem letzten Winter, in dem wir von Oktober bis April alle mehr oder weniger permanent krank waren und wirklich auf dem Zahnfleisch gingen, bin ich ein gebranntes Kind. Das war eine absolute Grenzerfahrung und in diesem Ausmaß noch nie dagewesen, selbst in den beiden ersten Kitawintern der Kinder nicht. Und das Problem ist ja, wenn ein Familienmitglied erkältet ist, sind es bald alle und das wollen wir eigentlich nicht noch durch einen Schwimmkurs herausfordern. Viel lieber würde ich einen kürzeren, kompakteren Kurs mit ihm im Frühjahr/ Sommer machen, wenn alle etwas stabiler sind. Oder ihm selbst das Schwimmen beibringen. Manchmal ist es für Kinder aber auch leichter, zusammen mit der eigenen Peergroup etwas Neues zu lernen.

So, das waren viele Gedanken um eine vielleicht simple Entscheidung. So bin ich nun mal, alles doppelt und dreifach vorher zu durchdenken und genau abzuwägen. Könnt ihr mir ein wenig helfen? In welchem Alter haben eure Kinder schwimmen gelernt? In einem Kurs oder mit euch zusammen? Wie haben eure Kinder das mitgemacht? Unabhängig davon: wenn ihr euch in unsere Lage hineinversetzt, würdet ihr uns dann zu dem Kurs raten oder eher nicht? Danke für alle Erfahrungen!

Update vom 21.07.16:
Die beiden besten Freunde des Großen werden an diesem Schwimmkurs nicht teilnehmen, weil sie ein Geburtstagsgeschenk (Schwimmkurs) einlösen werden. Bezüglich Punkt 1, 2 und 7 hatte deren Mama ähnliche Bedenken. Außerdem hatte sie gehört, dass die Kinder des letzten Kurses wohl nicht so glücklich gewesen wären.

Der Große selbst war sehr zurückhaltend, als ich ihn heute in einer ruhigen Minute fragte, ob er es selbst möchte. Ohne seine Freunde wollte er nicht und insgesamt zeigte er wenig Ambitionen. Er fand es auch nicht toll, von anderen Eltern dahin gefahren zu werden.

Ergebnis: Wir haben den Großen nicht zum Schwimmkurs angemeldet und ich bin mir sicher, das war die richtige Entscheidung. Zwar findet er langsam immer mehr Gefallen am Element Wasser, zeigt aber noch viel Angst bei Spritzern, Wellen etc.  Geben wir ihm lieber noch etwas Zeit.

Bildquelle: Pixabay

Montag, 18. Juli 2016

Unser Sommerurlaub 2016

So eine lange Blogpause gab es noch nie. Allerdings auch noch nie so einen langen Urlaub zu viert. Ganze 17 Tage waren wir an zwei verschiedenen Urlaubsorten, zwischendurch noch 3 Tage zuhause und haben wettermäßig alle möglichen Konstellationen erlebt, von Badewetter bis hin zu 16 Grad mit heftigem Wind an der Ostsee. Ich hatte eigentlich gehofft, im Urlaub ein wenig schreiben zu können, aber das hat leider nicht geklappt. Erstens waren die Kinder meist länger auf als normal, was insofern nicht schlimm war, als dass sie gut drauf waren und wir entweder später zurückkamen als üblich oder sie im Garten der Ferienwohnung noch schön spielten. Zweitens habe ich wirklich Watte im Kopf, wenn ich 17 Tage x 24 Stunden Kinderbereitschaft habe und bewundere diejenigen Mamas, die mit Kindern zuhause noch Beiträge, sei es beruflich oder privat, produzieren können. Ich kann das nicht.

Insgesamt habe ich unseren Urlaub als wirklich schön empfunden, was vor allem an der ausnehmend guten Stimmung der Kinder lag. Ich weiß nicht, woran es liegt: in manchen Urlauben ist von Anfang an der Wurm drin, wie z.B. in unserem Kurztrip im November oder auch hier anschaulich bei der Stadtmama beschrieben. Diesmal waren alle gut gelaunt, kooperativ, wenig streitsüchtig, zugänglich, entspannt und fröhlich. Den Großen haben wir selten solch eine lange Zeitspanne so "ungrummelig" erlebt. Und die Kleine erfreute uns immer wieder mit ihren lustigen Einfällen, kuriosen Wortschöpfungen und überhaupt ihrer Frohnatur. Als am vorletzten Tag bei mir die Laune wegen des schlechten Wetters in den Keller ging und sich der Große und der Mann etwas anstecken ließen, schaffte sie es, weiterhin ihre Unbeschwertheit und Fröhlichkeit zu verbreiten. Und als ich ziemlich in der Hälfte des Urlaubs einen kurzen, aber knackigen Durchhänger wegen fehlender Allein-Zeit hatte, ließ sie sich überhaupt nicht von meiner Stimmung beeindrucken. Sie ist eindeutig ein charakterlicher Ausreißer in unserer Familie, im positiven Sinne.

In der ersten Woche besuchten wir wieder einmal unseren "Stamm-Ferienpark", fühlten uns wie immer wie zuhause und wurden jeden Tag namentlich begrüßt. Effektiv hatten wir nur 3 ganze Tage vor Ort, da wir an einem Tag zu einer Familienfeier in meine Geburtsstadt fuhren und erst abends wiederkamen. Dort begegneten wir einem großen Teil meiner Verwandtschaft wieder, die wir seit 5 Jahren nicht gesehen hatten. Die letzte Familienfeier, die wir besuchten, war 2011, als der Große 4 Monate alt war. Die darauffolgende durchgeschriene Nacht gab uns so den Rest, dass wir solche Events daraufhin mieden. Diesmal lief alles glatt, die Kinder haben es gut weggesteckt, allerdings haben sie und wir rein gar nichts von solchen Feiern, da wir uns die ganze Zeit um sie kümmern.

Im Ferienpark machten wir eine herrliche Fahrt mit einem Tretmobile, besuchten wieder den Freizeitpark mit der sog. Familienachterbahn, badeten im See und hielten uns ansonsten in der direkten Umgebung auf. Die Kinder bzw. die Kleine holten jeden Morgen stolz die Brötchen von der Rezeption. Leider klappte es nicht, die Kinder mal allein im Spielhaus zu lassen, wie beim letzten Mal erhofft. Sie trauen sich einfach nicht, obwohl sie alles gut kennen, inklusive der Betreuerinnen. Schade! Vielleicht nächstes Mal...







Dann waren wir 3 Tage zuhause, an denen mein Mann ziemlich kränkelte, ich mit den Kindern einen Nachmittag im Garten war und wir trotzdem noch eine Geschichtssession im The Wall Museum einlegten. Das Museum ist leider fast komplett multimedial und für kleinere Kinder nicht geeignet. Aber so konnten wir den Kindern mal die East Side Gallery zeigen, vor allem der Große interessiert sich schon sehr für die Mauergeschichte. Ich musste im Museum weinen, als ich die Bilder von 1989 sah, und auch mein Mann war berührt.

The Wall Museum

Große Heuballenliebe auf den Feldern bei unserem Garten

Danach fuhren wir noch eine Woche an die Ostsee und hofften inständig auf Bade- und Buddelwetter, nachdem wir die letzten 2 Jahre immer etwas Pech hatten. An den ersten beiden Tagen konnten wir wenigstens noch zum Strand, später war der Wind so heftig und die Kleine, ähnlich wie der Große lange Zeit, sehr windempfindlich. Wir machten also einige Ausflüge, u.a. zum Gespensterwald Nienhagen, zum Doberaner Münster, nach Warnemünde, zum Molli-Bahnhof, zu einer Robben-Station, fuhren Fahrrad, Kart und Sommerrodelbahn und spielten zuhause und im großen Garten der Ferienwohnung. Wie jedes Jahr besuchten wir auch den Ruheforst, wo die Eltern meines Mannes bestattet wurden. Mit jedem Mal merkt man, wie die Kinder immer mehr realisieren, dass dort die Großeltern, die sie nie mehr sehen werden, liegen.












Es war insgesamt super entspannt, die Kinder ließen sich leicht nach draußen locken, wo wir zuhause oft kämpfen müssen, um vor allem den Großen vor die Tür zu kriegen. Sie freundeten sich erstmals im Urlaub ein wenig mit dem Nachbarskind an. Sie spielten sehr schön miteinander und waren ein gutes Team. Man hatte nicht das Gefühl, dass sie jemanden oder etwas vermissen würden, und sie sagten auch beide einhellig bei Abfahrt, dass sie gern noch länger Urlaub machen würden. So einander zugewandt, aufmerksam und liebevoll zum Geschwisterkind hatten wir beide noch nie erlebt. Deshalb hatten wir auch noch nie so lange Urlaub mit den beiden gemacht. Wenn nämlich der Wurm drin ist, können sich 17 Tage zäh wie Kaugummi ziehen. So aber waren wir bis auf's Wetter mit allem rundum zufrieden.

Was mir fehlte, war mehr Zeit allein. Ich weiß, dass das schwierig ist, so lange die Kinder so klein sind und noch nirgends allein hingehen können. Außerdem möchte ich ja auch Ausflüge mit ihnen zusammen machen und gemeinsame Erlebnisse schaffen, von denen sie bzw. wir alle zehren können. Allerdings stehe ich tatsächlich die ganze Zeit unter Hochspannung, auch wenn die Atmosphäre entspannt ist, und bräuchte dringend zwischendurch kleine Pausen. Und damit meine ich nicht Einkaufen fahren und Mittagessen kochen, sondern die Seele baumeln lassen und Allein-Sein. Irgendwie ist das im Urlaub noch weniger möglich als im Alltag. Wie macht ihr das?

Als wir zurückkehrten, fiel uns als erstes wieder der Lärm der Großstadt auf. Die Kleine klagte über die Flugzeuge, beide Kinder nahmen den Dreck und die Menschenmassen als unangenehm wahr und ich habe auch jedes Mal Probleme bei der Rückkehr in ein so reizüberflutetes Umfeld. Die Reduzierung der (unangenehmen) Eindrücke der Großstadt ist seit langem ein wichtiger Effekt des Urlaubs. Dass die Kinder das erstmals bewusst so wahrnahmen, spricht Bände. Nun urlaubten wir auch in einem kleinen, ruhigen Dörfchen direkt an der Küste, nicht in einem überlaufenen Touristenort. Der Kontrast ist krass und fällt mir, je älter ich werde, immer mehr auf. Und die Kinder spürten das auch.

Nun hat der Alltag wieder angefangen, die Kinder waren erschöpft nach ihrem ersten Kita-Tag und haben Freunde, die sie eigentlich gar nicht vermissten (das ging mir als Kind genauso) wiedergesehen. In einer Woche macht der Große endlich wieder einmal Urlaub bei Oma und Opa und wenn er wiederkommt, wird er schon ein Vorschulkind sein. Und der nächste Sommerurlaub 2017 ist der Urlaub vor seiner Einschulung. Daran habe ich des Öfteren gedacht. Unglaublich!

Freitag, 1. Juli 2016

Warum selbstbestimmtes Einschlafen nicht für jede Familie passt

Im Moment kursiert das Thema des selbstbestimmten Einschlafens in der Elternblogger- bzw. Twitterwelt und wird heiß diskutiert. Erfahrungen werden mitgeteilt, Tipps ausgetauscht und Ermutigungen ausgesprochen. Viele Eltern sind tendenziell von der Idee angetan und dem gegenüber aufgeschlossen, um dem weit verbreiteten abendlichen Einschlafk(r)ampf zu entgehen. Hier, hier, hier oder hier beispielsweise findet ihr Erfahrungsberichte von Familien, wo es gut funktioniert, dazu. Auf Twitter berichten Eltern über kleine Erfolge, erzählen, wie sie trotzdem Abendrituale in den Ablauf integrieren, dass die Kinder so lange (möglichst) allein spielen, bis sie müde werden und die kleineren Kinder dann einfach auf dem Sofa bei den Eltern wegnicken und ins Bett gebracht werden, während die größeren Kinder selbstbestimmt und eigenverantwortlich schlafen gehen. Da es dabei meist zu späteren Bettgehzeiten kommt als beim traditionellen Zubettbringen der Kinder, wird darauf vertraut, dass die Kinder, sofern sie am nächsten Tag müde sind, selbst lernen, dass sie früher ins Bett gehen müssen. Bei den kleineren Kindern wird gehofft, dass sie den entgangenen Schlaf am nächsten Tag nachholen, sofern sie nicht in der Kita sind.

Bildquelle: Pixabay

Ich finde die Idee und Praxis des selbstbestimmten Einschlafens an sich interessant und von dem zugrundeliegenden Gedanken her auch positiv. Die Vorstellung, dass Kinder abends so lange wach sind, bis sie müde werden und selbstbestimmt ins Bett gehen, ist der stärkste Ausdruck einer gleichwürdigen Beziehung zu den Kindern und gibt Kindern maximale Eigenverantwortung. Konkret sieht das in jeder Familie anders aus, über den Ablauf des Abendprozederes gibt es die verschiedensten Berichte. Wann werden die Zähne geputzt, der Schlafanzug angezogen, wird noch ein Teil begleitet durch Vorlesen, was dürfen die Kinder abends machen, wieviel sollen die Eltern zur Verfügung stehen etc. Eltern, die das selbstbestimmte Einschlafen praktizieren, berichten, dass ihre Kinder ziemlich ruhig und selbstständig vor sich hin spielen und die Eltern klar kommunizieren, dass sie zwar ansprechbar, aber abends keine Spielpartner mehr sind. Das setzt Kinder voraus, die relativ gut und lange allein spielen können. Mit viel Geduld, Verständnis und Klarheit kommen solche Kinder an den Punkt, wo sie dies akzeptieren, ihre eigenen (Schlaf-) Bedürfnisse einschätzen und dementsprechend handeln (schlafengehen) können.

Wie so oft wird leider viel verallgemeinert und missioniert, d.h. Eltern, wo das selbstbestimmte Einschlafen klappt, sind davon überzeugt, dass diese "Methode" bei jedem Kind funktioniert und wollen verständlicherweise andere Eltern davon überzeugen. Das Konzept klingt einleuchtend und gibt viel Selbstbestimmung an Kinder bei dem heiklen, umkämpften Thema des Schlafens. In den Familien, wo es tatsächlich funktioniert, ist das sicherlich eine wunderschöne Facette eines angestrebten gleichwürdigen Lebens mit Kindern. Ich glaube allerdings nicht, dass sich dieses Konzept für alle Familien bzw. alle Kinder gleichermaßen eignet und möchte gern ausführen, warum.

Das Kind

Unsere erste und allerwichtigste Lektion, die wir als Eltern schmerzhaft und mühsam lernen mussten, war, dass wir unserem ersten Kind, dem Großen, zum Einschlafen verhelfen mussten, weil er nicht allein abschalten konnte, den Schlaf aber dringend brauchte, um sich von all den Reizen der Umwelt zu erholen. Nein, nicht alle Babys schlafen einfach ein, wenn sie müde sind und nein, nicht alle Babys holen sich den benötigten Schlaf. Das denkt man immer, bevor man selbst Kinder bekommt und es wäre ja auch sehr schön, entspricht aber nicht der Realität. Es gibt Babys und Kinder, die muss man quasi zum Einschlafen "zwingen", das heißt gegen ihren Willen, aber für ihr Bedürfnis, was sie zwar spüren, aber nicht umsetzen können, für Schlaf sorgen. Man muss sie an bestimmte Signale gewöhnen, ihnen diese Signale vorgeben und das Einschlafen begleiten. Man muss immer den gleichen Ablauf vornehmen und sogar eine gewisse Uhrzeit einhalten, nicht aus einem Zeitfanatismus heraus, sondern weil vielleicht das letzte Schläfchen schon 4 Stunden zurückliegt und das Baby sich sonst nur noch in Rage schreit, wenn es über den Punkt ist. Wie gesagt, das trifft nicht auf alle Babys zu, aber auf diejenigen Babys, die sich trotz abgrundtiefer Müdigkeit vehement gegen den Schlaf wehren.

Es ist eine Frage der Selbstregulation, ob ein Baby abschalten, Reize und Eindrücke ausblenden und einschlafen kann. Mein Großer konnte das nicht, er musste IMMER von außen, also von uns reguliert werden, auch und besonders in seinem Schlafverhalten. Es ging ihm (und uns) deutlich besser, als wir auf regelmäßige, zeitlich ziemlich festgelegte und so lange wie möglich ausgedehnte Tagschläfchen mit entsprechender Nachhilfe (Kinderwagen, Trage, Auto) achteten, statt die 20 Min. Kurznickerchen mit nachfolgender schlechter Laune wegen Müdigkeit zu akzeptieren. Meine Kleine konnte im ersten halben Jahr gut abschalten, nicht immer (wie hier beschrieben), aber sehr oft, und schlief auch lang genug, um sich zu regenerieren. Mit 6 Monaten schlug das um und ab dann mussten wir ähnlich nachhelfen wie beim Großen, um sie in den Schlaf zu bringen, auch wenn sie sich nicht annähernd so extrem dagegen wehrte wie der Große. Auch spricht sie sehr gut auf Rituale an, z. B. das Schlafen im Buggy, wenn wir ganztags im Garten sind.

Ich glaube, dass sich dieses angeborene Verhaltensmuster, diese Fähigkeit zur Selbstregulation, auch in der Kleinkindzeit noch zeigt. Mein Großer beispielsweise schläft mittlerweile problemlos ein, wenn sein Ritual stimmt und er das Signal bekommt. NIEMALS aber würde er sich in sein Bett legen und einschlafen, weil oder wenn er müde ist. Er wartet immer auf den Erwachsenen, der ihm sinngemäß sagt: "So, jetzt schlaf mal ein." Er würde auch NIEMALS am nächsten Abend früher ins Bett gehen, wenn er am Morgen müde war. Dazu müsste er die Kausalverbindung zwischen diesen beiden Dingen herstellen und das kann er mit 5 Jahren nicht. Er würde entweder still leiden oder vor permanenter Müdigkeit aggressiv werden, so wie hier beschrieben. Seit er keinen Mittagsschlaf mehr macht, bekommt er an den Wochenenden oft die freie Wahl, ob er schlafen oder ruhig spielen möchte. Noch kein einziges Mal, selbst wenn er hundemüde war, hat er sich selbst für das Schlafen entschieden, obwohl er weiß, dass es ihm gut tun würde. Die Selbstregulation funktioniert nicht genügend. Wenn wir allerdings in der Mittagszeit Autofahren, schläft er als erstes unserer beiden Kinder ein. Er braucht den Schlaf also, wie als Baby. Ich glaube, dass viele Kinder, darunter meine eigenen (vor allem mein Großer), Struktur, Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit brauchen, gerade was das Thema Schlaf angeht.

Ein Beispiel dazu: mein Großer (5) schläft seit ca. einem Jahr nach dem Abendritual und dem Vorlesen bei einem Hörspiel ein, dessen Timer auf 15 Min. eingestellt ist. Er schläft aber erst ein, nachdem das Hörspiel ausgegangen ist, nicht währenddessen. Als der Timer zweimal nicht funktionierte, was wir erst eine Stunde später merkten, war er wach geblieben und lauschte weiter. Es fehlte also das Signal: Hörspiel aus - einschlafen. Das war bezeichnend und bestätigte meine Erfahrungen mit ihm.

Jemand schrieb auf Twitter, das Kind müsse auch erst lernen, an die Selbstregulation zu glauben. Das mag für manche Kinder zutreffen, für meinen Großen würde ich dies verneinen. Er braucht ein Regulativ, und das sind wir oder seine Erzieher oder die Großeltern. Egal, ob beim Einschlafen oder anderen Dingen. Ich bin mir absolut sicher, dass ein eigenverantwortliches Zubettgehen mit ihm nicht funktionieren würde, auch ohne dies ausprobiert zu haben. Rein aus meinem Wissen über seine Fähigkeiten und Bedürfnisse heraus halte ich dies für unmöglich. Und selbst wenn er irgendwann um 23 Uhr aus völliger Erschöpfung einschlafen würde, wäre das für mich kein selbstbestimmtes Einschlafen, sondern das Gegenteil davon. Immer, wenn ich lese, das Kind ist auf dem Sofa eingeschlafen und wird dann ins Bett getragen, sehe ich ein völlig übermüdetes, zusammengesacktes kleines Wesen vor mir, das sicherlich gern 2 Stunden früher von Mama oder Papa in den Schlaf begleitet worden wäre. Denn das Wegnicken wird ja nicht begleitet und die Kinder empfinden es bestimmt nicht als Beginn des langen Nachtschlafes. Außerdem wachen die Kinder dann an einem ganz anderen Ort in der Nacht oder morgens auf, was ich persönlich nicht optimal finde. Aber auch da mögen verschiedene Kinder unterschiedlich tolerant sein.

Speziell bei uns wäre ein großer Knackpunkt, dass die Kinder sich abends allein beschäftigen sollten. Das ist sowieso immer schwierig und abends, bei Müdigkeit und nach einem anstrengenden Tag, wird es mit Sicherheit nicht einfacher, ihnen das zu vermitteln. Sie haben einfach gar keine Kraft mehr dafür. So, wie wir tagsüber bei jedem Schritt in der Wohnung begleitet oder verfolgt werden, würde es auch abends sein. An selbstständiges Spielen glaube ich da nicht, was meine Kinder angeht, auch nicht mit einem monatelangen Lernprozess. Sie waren noch nie Kinder, die still vor sich hin spielten, während wir Eltern auf dem Sofa saßen. Vermutlich würden sie aus Erschöpfung permanent nach dem Handy oder Tablet verlangen, dadurch aber noch weniger herunterkommen. Hinzu kommt, dass wir tagsüber ja 7-10 Stunden getrennt sind und sie das Bedürfnis nach Nähe und Spiel mit uns haben, was nachvollziehbar ist, aber eben gegen unsere Bedürfnisse am Abend steht. Und damit kommen wir zu der Elternseite.

Die Eltern

Wenn es bei der Betrachtung der Kinderseite vor allem um die unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstregulation ging, die eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren des selbstbestimmten Einschlafens ist, so beinhaltet die Perspektive der Elternseite vor allem die Bedürfnisse der Eltern, die naturgemäß so unterschiedlich sind wie die Eltern selbst. Es gibt Eltern, die im Zusammensein mit ihren Kindern entspannen und auftanken und problemlos 10, 12 oder 16 Stunden mit ihnen zusammensein können. Es gibt andere Eltern, zu denen wir gehören, die den Abstand brauchen. Beides hat seine Berechtigung und jeder muss das machen, was ihm/ihr gut tut. Wenn nun Eltern, die dringend die abendliche Pause und Ruhe brauchen, ihrem Bedürfnis nicht Rechnung tragen, weil sie ein als positiv empfundenes Konzept wie das selbstbestimmte Einschlafen von Kindern gern durchsetzen möchten, so werden solche Eltern in kurzer Zeit unzufrieden und erschöpft sein, da sie ihre benötigte Auszeit nicht bekommen. Das wäre in jeglicher Hinsicht nicht nur kontraproduktiv, sondern psychisch und physisch schädlich für die Eltern.

Bei mir kommt das Extrem hinzu, dass ich eigentlich nur dann richtig entspannen kann, wenn ich allein bin. Da dies abends nicht möglich ist, besteht das Mindeste an Entspannungsmöglichkeit darin, dass die Kinder schlafen (meist gegen 20:30 Uhr). Tagsüber habe ich nur eine minimale Zeitspanne, wo ich allein bin, mein Mann gar keine, und deshalb ist es für uns enorm wichtig, den abendlichen Abstand zu haben. Ich merke zum Beispiel sofort meine Gereiztheit an Abenden, an denen ich mehrfach zur Kleinen ins Schlafzimmer muss, so wie ich auch die zerrissenen, unberechenbaren Abende mit Baby furchtbar fand. Das sind meine ganz persönliche Disposition und die strukturellen Voraussetzungen unseres Tagesablaufes. Sie sprechen deutlich gegen das selbstbestimmte Einschlafen unserer Kinder zum jetzigen Zeitpunkt. Für alle Zeiten möchte ich das gar nicht ausschließen, Kinder verändern sich, Eltern verändern sich, Bedürfnisse verschieben sich und werden stärker oder schwächer. Im Moment jedoch führt die Analyse der Voraussetzungen bei Eltern und Kindern bei uns nicht zum Versuch des selbstbestimmten Einschlafens.

Zusammenfassung:

Ich glaube, dass das Konzept des selbstbestimmten Einschlafens für Kinder mit schwacher Regulationsfähigkeit nicht geeignet ist und auch nicht funktionieren wird. Dazu gehören die meisten Schreibabys, High-Need-Kinder oder hoch reaktive Kinder. Sie benötigen sehr lange ein Regulativ von außen, eine deutliche Struktur und einen Wegweiser. Was mich persönlich an dem Konzept stört, ist die manchmal behauptete Selbstbestimmung bei sehr kleinen Kindern, die neben ihren Eltern auf dem Sofa einschlafen. Das ist für mich ein reines Erschöpfungseinschlafen. Ich finde es jedoch toll, wenn es bei größeren Kindern tatsächlich dahingehend funktioniert, dass sie nicht nur merken, wann sie müde werden, sondern auch darauf reagieren, indem sie ins Bett gehen. Aber auch darin sind nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene sehr unterschiedlich. Ich selbst habe früher oft bis tief in die Nacht gepuzzelt oder am PC gespielt, wider meine Müdigkeit und die Vernunft. Und heutzutage schreibe ich spät abends meine Blogtexte, mangels eines anderen ruhigen Zeitfensters am Tage. Auch dabei übergehe ich meine Müdigkeit und Erschöpfung fast täglich, zugunsten meiner Freizeit und meines Hobbys.

Ich möchte noch einmal betonen, dass ich das Konzept des selbstbestimmten Einschlafens grundsätzlich positiv finde und Familien bewundere, wo es tatsächlich funktioniert. Ich denke aber, dafür müssen viele Voraussetzungen stimmen, darunter die Selbstregulationsfähigkeit des Kindes und die Art der Elternbedürfnisse. Deshalb passt es beileibe nicht für jede Familie und ich plädiere für Verständnis und Toleranz für unterschiedliche Wege.

Was meint ihr dazu, praktiziert ihr das selbstbestimmte Einschlafen oder würde es bei euch wahrscheinlich ebenfalls nicht funktionieren? Welche Bedürfnisse habt ihr als Eltern am Abend, welche Disposition bringen eure Kinder mit? Bitte diskutiert respektvoll und tolerant.

Weitere Texte zu dem Thema:
Verflixter Alltag: Selbstbestimmtes Einschlafen - noch so ein modernes Erziehungsding?
Öko Hippie Rabenmütter: Dein Nein, Mein Nein und wer ist hier eigentlich selbstbestimmt?
2KindChaos: Selbstbestimmtes Einschlafen my ass!
Beatrice Confuss: Der Schlaf und das Abendritual
Meinmini.me: Selbstbestimmt, Fremdbestimmt. Wer bestimmt?
Der kleine Gemischtwarenladen: Selbstbestimmtes Einschlafen. Spoiler: Nein