Mittwoch, 6. April 2016

Aufmerksamkeitstypen und Geschwisterrivalität

Manchmal tun mir meine Kinder leid. Wenn ich sie aus der Kita abhole und sie mich teilen müssen. Wenn der Papa mit ihnen spielt und sie ihn teilen müssen. Wenn sie mich einen ganzen Tag nicht gesehen haben und Mama tanken wollen. Dann bräuchte jeder von beiden ungeteilte Aufmerksamkeit und Zuwendung, statt geteilte Liebe und halbe Konzentration. Der Große war schon immer sehr aufmerksamkeitsbedürftig, das ist bis heute so geblieben. Er möchte am liebsten konzentriert allein mit einem Erwachsenen spielen oder beschäftigt werden. Er benötigt den Aufmerksamkeitstypus der "ungeteilten Zuwendung" (in Kombination mit dem "Hilfe-Typus"), wie in diesem Text des Blogs Gewünschtestes Wunschkind beschrieben. Die Kleine ist total liebesbedürftig und will kuscheln, vorlesen, tanzen oder singen. Sie benötigt den Körperkontakt als wichtigste Aufmerksamkeitsform, in Kombination mit der ungeteilten Zuwendung.

Die Aufmerksamkeitsbedürfnisse beider Kinder gleichzeitig zu erfüllen ist oft ein Ding der Unmöglichkeit. Manchmal, wenn ihre Speicher aufgefüllt sind, schafft es eines der Kinder, zurückzustecken und zu warten, bis ich oder der Papa wieder exklusiv für es da ist. Dann kann man sich ihnen abwechselnd oder sogar gleichzeitig zuwenden und eine gute Balance wahren. Das sind schöne, ruhige Situationen, wo beide rechts und links vom Elternteil einem vorgelesenen Buch zuhören. Meist jedoch herrscht große Konkurrenz um Aufmerksamkeit zwischen ihnen, besonders, wenn sie "ausgehungert" nach Zuwendung sind. Dann denke ich immer, sie wären als Einzel-, als Exklusivkinder besser dran, würden nicht soviel Frustration erfahren und könnten ihre Speicher deshalb auch besser füllen. In solchen Momenten sehe ich viele Nachteile des Daseins als Geschwisterkind und es tut mir in der Seele weh, wie sie dann leiden und sich zurückgesetzt fühlen.

Diese Situationen kommen im Alltag immer wieder vor und kosten viel Kraft. Besonders auffällig ist es immer, wenn sie mich (normalerweise nur 1x pro Woche) erst abends wiedersehen. Dann möchten mich beide (respektive den Papa an den anderen Abenden) ganz für sich haben und sind verständlicherweise frustriert, beleidigt, enttäuscht, wenn das nicht funktioniert, weil das Geschwisterkind dazwischenfunkt und auch Bedürfnisse anmeldet. Sie können dann auch beide nicht kurz in weiser Voraussicht warten, damit jeder abwechselnd die volle Zuwendung erhält, sondern fauchen und keifen sich an wie Löwen bei der Fütterung. Im schlimmsten Fall sieht das so aus, dass ich verzweifelt versuche, es beiden irgendwie recht zu machen, mich zu zerreißen und zu vermitteln, aber dennoch beide weinen, weil sie sich nicht genügend beachtet fühlen. Kümmere ich mich um eines der Kinder, ist das andere tödlich beleidigt. Versuche ich, mich gleichzeitig um beide zu kümmern, fühlen sich beide zurückgesetzt und protestieren lautstark. Sehr schwierig und nervenaufreibend.

Quelle: Pixabay

Letztens hatten wir die Situation, dass die Kinder mit dem Papa erst um 18 Uhr nach Hause kamen und, kaum hatten sie Kontakt mit mir, fürchterlich zu weinen anfingen. Beide wollten ihre jeweils benötigte Art der Aufmerksamkeit von mir nach der langen Trennung (10 h) und stattdessen mussten sie wieder einmal teilen. Als ich dann noch mit dem Großen schimpfte, weil er sich nicht ordentlich die Hände gewaschen hatte, brachen seine Dämme und er weinte untröstlich und aufgebracht. Dem Papa gelang es nicht, ihn zu trösten, und ich selbst brauchte bestimmt 20 Minuten und viel Kraft dafür, ihn wieder zu besänftigen. Nachdem er sich beruhigt hatte, war er wieder offen für das, was er brauchte: meine ungeteilte Zuwendung. Das hieß für mich, mich noch einmal ein wenig nur mit ihm zu beschäftigen. Danach war es für ihn okay und wir konnten endlich Abendbrot essen. Glücklicherweise hatte sich die Kleine in dieser Zeit mit meinem Handy als Mama-Ersatz vergnügt. Oft genug war aber auch schon der Fall eingetreten, dass sie parallel untröstlich weinte, weil sie Mama-Kuscheln wollte. Der Papa hat dann absolut keine Chance und fällt als Tröster weg. Ich weiß dann oft nicht, wo mir der Kopf steht und wie ich die beiden Kinder wieder beruhigen soll. Früher, als die Kleine noch stillte, konnte ich mich dann mit ihr auf's Sofa kuscheln und sie stillen, während ich dem Großen parallel vorgelesen habe. Oder ich habe sie nach der Kita einfach auf dem Arm herumgetragen, während ich dem Großen auf dem Spielplatz volle Aufmerksamkeit gab. Das reichte ihr früher. So konnte ich beiden ihre verschiedenen Aufmerksamkeitsbedürfnisse erfüllen. Jetzt ist das schwieriger. Natürlich sind sie auch älter und anspruchsvoller bzw. bewusster geworden.

Es ist auffällig, dass der Große sich meist von einer ganz anderen Seite zeigt, wenn er mit einem von uns Eltern allein ist. Er also die von ihm benötigte ungeteilte Zuwendung erhält. Er wirkt dann richtig reif und erwachsen, ist viel zugänglicher und offener und genießt die Exklusivität. Wenn man ihn nachmittags nach der Kita allein abholt, wie gestern wegen Krankheit der Kleinen geschehen, läuft man mit einem großen, verständigen und umgänglichen Jungen neben sich durch die Straßen. Es ist selten, dass er dann so motzig ist wie sonst meist. Er ist auch sehr gern mit einem von uns allein zuhause. Er benötigt, glaube ich, den Familienverbund am wenigsten von uns allen, und wäre als Einzelkind sicherlich zufriedener. Er ist super glücklich, wenn er mit seinem Opa zusammen ist, da dieser ihm am meisten von allen Menschen das gibt, was er braucht. Die Kleine genießt auch mal gern ungeteilte Aufmerksamkeit, liebt allerdings auch den Familientrubel, vermisst ihren Bruder schnell und hat gern alle um sich herum. Umso mehr Kuschelpartner hat sie zur Verfügung :-)

Wir würden den Kindern ja gern mehr ungeteilte Zuwendung geben, aber das Problem ist, dass durch die fehlende Entlastung für uns oberste Priorität hat, dass wir Eltern uns gegenseitig entlasten, d.h. dass so oft wie möglich ein Elternteil beide Kinder nimmt und der andere mal ein Stündchen frei hat. Das kollidiert mit den Interessen und Bedürfnissen der Kinder, ist aber leider im Moment nicht zu ändern. Ich habe keine Ahnung, wie man dafür eine Lösung findet, die alle Bedürfnisse berücksichtigt. Die den Aufmerksamkeitstank der Kinder entsprechend ihrem Wunsch auffüllt und gleichzeitig die Regeneration der Eltern ermöglichkeit. Denn das ist mindestens genauso wichtig.

Was meint ihr? Welcher Aufmerksamkeitstypus ist euer Kind und könnt ihr das Bedürfnis immer erfüllen? Wie kommen Eltern noch zu MeTime, wenn beide Kinder so zuwendungsbedürftig sind?

Hier nochmal der entsprechende Text des Blogs Gewünschtestes Wunschkind allgemein zum Thema "Aufmerksamkeit":
Warum Kinder ständig unsere Aufmerksamkeit verlangen

2 Kommentare:

  1. Sehr spannend zu hören, wie es bei anderen so läuft. Ich merke auch, dass Wirbelwind sich plötzlich von einem lieben Kind zu einem aufgedrehten Irgendwas entwickelt, sobald Wölkchen den Raum betritt (bzw. bekrabbelt). Es ist, als wolle sie sicherstellen, dass ich trotz Baby immernoch voll und ganz bei ihr bin. Wie ich das angehe, wenn beide noch mal älter sind, kann ich mir derzeit überhaupt nicht vorstellen.
    Ich hoffe bei Euch legt sich das Buhlen um Eure Aufmerksamkeit in den nächsten Jahren, damit sich Eure Situation etwas entspannt!
    LG Wiebke

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    1. Ich bin gespannt, wie es bei euch weitergeht. Eigentlich sollte es ja einfacher sein, wenn beide Kinder verschiedene Arten von Aufmerksamkeit einfordern. Früher war es auch tendenziell so, als der Kleinen wirklich noch das Kuscheln ausreichte. Mittlerweile ist es sehr viel schwieriger. Kann aber natürlich bei euch ganz anders sein ;-)
      Liebe Grüße!

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