Samstag, 6. Juni 2015

Entspannte Kinder machen entspannte Eltern

In der realen und virtuellen Welt begegnen einem die unterschiedlichsten Auffassungen und Erfahrungen, was die Entwicklung und den Umgang mit Kindern angeht. Das finde ich meistens sehr interessant und bereichernd, auch in den Aspekten, die ich als ganz anders empfinde. Allerdings gibt es ein paar Auffassungen, auf die ich bei jedem Hören und Lesen empfindlich reagiere und wo ich jedesmal das Bedürfnis habe, eine ausführliche Antwort auf aufgestellte Behauptungen zu geben.

Dazu gehört die immer wiederkehrende, nicht auszurottende und so undifferenzierte wie kränkende Meinung, dass Eltern von Schreibabys* oder anstrengenden Kleinkindern ja doch irgendwie schuld an oder verantwortlich für das Verhalten des Kindes sein müssen, weil sie entweder nicht entspannt genug sind, das Kind falsch behandeln, nicht konsequent genug oder ZU streng sind, es nicht genug in seinen Eigenheiten akzeptieren oder womöglich überhaupt nicht so lieben würden, wie es ist. Die Liste der Vorwürfe ließe sich beliebig erweitern. Denn ein anstrengendes Kind käme ja nicht als solches auf die Welt, sondern würde erst durch die Einflüsse von außen so geprägt.

Sicherlich gibt es Kinder, die durch eine lieblose, gewalttätige und respektlose Erziehung zu schwierigen Fällen werden. Um solche geht es aber meist nicht, sondern um Kinder, die von ihren Eltern als anstrengend, als Kinder mit starken Bedürfnissen (High-Need nach William Sears) empfunden werden und die ihre Eltern regelmäßig vor Herausforderungen im alltäglichen Umgang mit ihnen stellen, die sich Eltern von pflegeleichten Kindern nicht im Ansatz vorstellen können. Bekanntlich habe ich ein solches Kind, meinen Großen, und bin seit dem Tag seiner Geburt immer wieder mit solchen Vorwürfen und Schuldzuweisungen konfrontiert worden. Obwohl ich mich mittlerweile nicht mehr so darüber aufrege wie früher, trifft es mich dennoch immer wieder, wenn Menschen, die weder ein solches Kind haben noch die genauen Umstände kennen, immer wieder in die gleiche Kerbe hauen. Und ich habe auch immer wieder den Impuls, mich erklären und rechtfertigen zu müssen.

Ich glaube, und das kann ich aus meiner Erfahrung mit meinen beiden unterschiedlichen Kindern sagen, dass jedes Kind mit einem ziemlich umfangreichen Paket von Wesenszügen, Fähigkeiten und Stärken/Schwächen auf die Welt kommt, was sich im Falle meiner Kinder vom Tag der Geburt an gezeigt hat und bis heute durchzieht. Ich kann definitiv sagen, dass mein Großer nicht erst zum Schreikind geworden ist, sondern von Anfang an ein Baby mit Regulationsstörungen, ein High-Need-Baby gewesen ist und ich das auch vom ersten Tag an so empfunden habe, auch wenn ich mir das Wissen darüber und die Begrifflichkeiten natürlich erst nach und nach angelesen habe. Klar waren wir unsichere Ersteltern, die Geburt und Krankenhauszeit war traumatisch und alles ganz anders als vorgestellt. Aber das geht doch vielen so, und trotzdem erwachsen aus diesen Voraussetzungen nicht automatisch Schreikinder.

Der Große war ja ein lang ersehntes Wunschkind, über die Schwangerschaft waren wir sehr glücklich und sie war bis auf die Angst der ersten Wochen vor einer erneuten Fehlgeburt auch im Großen und Ganzen problemlos. Ich fühlte mich abgesehen von kleineren Zipperlein wohl und freute mich auf mein Baby. Ich arbeitete bis zum Resturlaub vor dem Mutterschutz in meinem Teilzeitjob, der mir auch genug Zeit zum Genießen der Schwangerschaft ließ, und entspannte mich dann in den letzten Wochen noch einmal so richtig. Also ideale Voraussetzungen für ein entspanntes Baby, um mal in der Denkweise der Befürworter der These "Entspannte Mama - entspanntes Baby" zu bleiben. Allerdings war der Große im Bauch schon extrem unruhig, was ich auch ohne Vergleichsmöglichkeit als "unnormal" empfand. Aber nicht in meinen schlimmsten Träumen hätte ich mir vorstellen können, wie es dann wirklich mit ihm war.

Weder eine problematische Schwangerschaft noch eine unentspannte Mama oder sonstige schwelenden Probleme waren also "schuld" an dem Schreibaby, was wir bekamen. Die Geburt war sicherlich alles andere als optimal und hat sich nicht gerade positiv auf seinen Gemütszustand ausgewirkt, aber auch hier gibt es viele ähnliche Fälle ohne Schreibaby-Nachwirkungen. Unerfahrene und unsichere Erstlingseltern sind heutzutage die meisten Eltern, und trotzdem ist die Schreibaby-Rate über die letzten Jahrzehnte nicht signifikant angestiegen. Mit meinem heutigen Wissen hätte ich zwar damals ganz anders agieren können, wäre viel ruhiger und selbstbewusster gewesen und hätte mich nicht so schnell verunsichern und kränken lassen. Entspannt wäre ich allerdings trotzdem mit Sicherheit nicht gewesen. Schon unsere schreckliche Hebamme konfrontierte uns ja indirekt mit Vorwürfen, unsere "Unentspanntheit" betreffend, ohne sich wirklich mit unseren Problemen auseinanderzusetzen. Die allerschlimmste Schuldzuweisung überhaupt kam übrigens aus meiner eigenen Familie, die implizit behauptete, die Entstehungsgeschichte des Großen sei verantwortlich dafür. Demnach müssten ja alle diese Babys Schreikinder sein... Rationalen Argumenten sind solche Menschen sowieso nicht zugänglich. Als diese Vorwürfe mehrfach wiederholt wurden, gleichzeitig aber schizophrenerweise auch behauptet wurde, der Große sei doch ein ganz normales Baby, drohte ich den Kontaktabbruch an. Ich, die ich kurz vorm Kollabieren war und mir nichts mehr als Hilfe, Verständnis und Unterstützung wünschte. Es half kurzzeitig. Ausrotten kann man aber solche Überzeugungen leider nie.

Sicherlich kann es Faktoren geben, die Babys zu Schreibabys werden lassen, das will ich nicht bestreiten. Bei vielen Babys werden ja auch immer wieder körperliche Ursachen gefunden (Blockaden, Kiss-Syndrom, Unverträglichkeiten). Oder das Schreien hört nach den üblicherweise behaupteten ersten 3-4 Monaten auf, wird also mit Umstellungsproblemen erklärt. All dies war bei uns nicht der Fall. Zwar wurden Blockaden vom Osteopathen gelöst, aber am Wesen des Kindes änderte sich gar nichts. Wenn es nicht den einen eindeutigen Hebel gab, den man umlegen musste, um das Kind zu einem zufriedenen Baby zu machen oder keine explizit körperlichen Ursachen gefunden wurden, wird niemand je endgültig wissen, warum manche Babys pflegeleichter und andere anspruchsvoller sind. Dieses Wissen sollte endlich mal allgemein akzeptiert werden!

Ich wehre mich immer wieder vehement gegen Auffassungen, die die Regulationsprobleme solcher Kinder den Eltern anlasten. Zwar trägt der ungesunde Kreislauf, der durch solch ein forderndes Kind und die deshalb logischerweise angespannten Eltern, entsteht, nicht zur Besserung der Situation bei. Aber der Auslöser ist und bleibt die schwierige Situation mit dem Kind. Ich habe ja nun den Unterschied bei meinen beiden Kindern deutlich gemerkt. Und ich war beim zweiten Mal nicht etwa deshalb entspannter, weil ich schon eine erfahrene Mama war, wie jetzt wieder die Vertreter der o.g. These sagen würden. Nein, im Gegenteil, ich war in der Schwangerschaft deutlich angespannter und ängstlicher, weil ich ein zweites Schreibaby fürchtete. Ich hatte auch mehr Angst vor der zweiten Geburt und zweifelte, ob wir es mit zwei kleinen Kindern hinbekommen würden. Als ich aber merkte, dass meine Kleine ein entspanntes Baby ist, habe auch ich mich sofort entspannt und konnte überhaupt erst so etwas wie einen Mutterinstinkt spüren, weil ich ein positives Feedback vom Baby bekam. Dadurch gewann ich Vertrauen in meine Mama-Fähigkeiten und -Intuition, was in der Babyzeit des Großen völlig gefehlt hat. Ein positiver Kreislauf begann, der bis heute anhält und meinen Umgang mit der Kleinen prägt.

Deshalb ist meine tiefe Überzeugung: "Nicht entspannte Eltern haben entspannte Kinder, sondern entspannte Kinder machen entspannte Eltern" (nach einer Interviewüberschrift des Blogs Frühes Vogerl). Ich wünsche mir, dass diese Auffassung endlich akzeptiert wird und die Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen nicht länger durch Schuldzuweisungen und kränkende Vorwürfe noch mehr belastet werden, als sie es ohnehin schon sind. Zuhören, Verständnis, Hilfe und Unterstützung wären stattdessen angebracht.

* Ich verwende den Begriff "Schreibaby" der Einfachheit halber. Das Phänomen umfasst viele verschiedene Facetten und muss in jedem Fall individuell betrachtet werden. Das exzessive, unstillbare Schreien ist dabei nur ein Aspekt unter vielen anderen.

Lesenswerte Texte dazu:
Entspannte Eltern - entspanntes Baby?
Entspann‘ dich doch mal, Mama! 

16 Kommentare:

  1. Ich denke es gibt beides. Die unentspannten Kinder, die unentspannte Eltern machen und die unentspannten Eltern, die unentspannte Kinder machen. Jede Eltern-Kind-Beziehung ist so individuell wie jede Mutter, jeder Vater und jedes Kind. Deshalb gebe ich dir recht, ist das bewerten von Außenstehenden oftmals vermessen. Man weiß nicht wirklich, wie die Zusammenhänge sind, wenn man keinen 24/7 Einblick hat oder zumindest in einem offenen Gespräch die Zusammenhänge erläutert hat.

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    1. Sicher, jede Konstellation ist individuell und keiner sollte sich ein Urteil über andere erlauben. Aber ich denke dennoch, dass der Charakter/das Wesen schon zum großen Teil festgelegt ist, wenn das Kind geboren wird. Das sieht man ja zum Beispiel daran, wie unterschiedlich Zwillinge sein können, wenn sie auf die Welt kommen. Auf Twitter schrieb die Murmelmama, dass von ihren Zwillingen eines ein Schreibaby und das andere keins war. Das deckt sich mit meiner Überzeugung, die aus meiner Erfahrung mit meinen beiden Kindern und vielen anderen Berichten gespeist wird. Oder eines schläft durch, das andere nicht. Ist das von den Eltern verursacht? Nein. Wie gesagt, ich rede vom Wesen, vom Charakter von Kindern. Ich wäre nie ein extrovertierter Mensch geworden, auch wenn ich so erzogen/beeinflusst worden wäre. Weil mein Wesen introvertiert ist. Davon war ich schon überzeugt, bevor ich Kinder hatte, und meine Erfahrung hat mich darin bestätigt. Auch mein Großer ist dafür wirklich ein eindrucksvolles und sehr eindeutiges Beispiel.
      Liebe Grüße!

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  2. Ich bin wie immer bei dir. Unsere Geschichte ähnelt eurer total und ich War auch eine glückliche Schwangere. Furchtbar die unnützen Kommentare anderer. Bleib bei dem Thema. Vielleicht verstehen es die bislang Unwissenden irgendwann. Beste Grüße, Bine

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    1. Dankeschön, liebe Bine! Ich hoffe auch, dass es so langsam beim letzten Verbohrten ankommt, dass es das Phänomen gibt, dass es sehr verbreitet ist und niemandes Schuld ist. Und ich wünsche jedem Betroffenen, dass er/sie im Privatleben oder im Netz Verständnis erhält, was auch wiederum zur Selbstsicherheit beitragen kann. Ich glaube, wir sind beide heilfroh, dass diese Zeit vorbei ist.
      Liebe Grüße!

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  3. Gut, dass du dieses Thema hier aufgreifst :) Wir selber haben zwar keine Erfahrungen damit gemacht, aber ich finde solche Schuldzuweisungen von außen mehr als unangemessen! Daher finde ich dein Fazit so toll: Verständnis und Unterstützung, darauf kommt es in solchen Situationen wirklich an :)

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    1. Dankeschön! Ich finde es ganz wichtig, dass gerade, wenn man diese Erfahrungen nicht machen musste, Verständnis da sein sollte. Die meisten gehen von ihrer eigenen Perspektive aus und denken, das sei allgemeingültig. Dagegen wehre ich mich immer wieder;)
      Liebe Grüße!

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  4. Liebe Frühlingskindermama, ich denke auch, dass es viele Facetten in der Eltern-Kind-Beziehung gibt: Unentspannte Eltern machen unenspannte Kinder und umgekehrt, Entspannte Eltern machen entspannte Kinder und umgekehrt und dann gibt es noch den Fall, wie bei Euch, wo das Eine mit dem Anderen nichts zu tun hat. Ohne die Situation zu kennen, darf sich niemand herausnehmen, ein Urteil zu fällen. Es stimmt natürlich, dass mein Sohn ein ganz entspannter ist: Hausgeburt 1A, Stillen 1A, das Kind ist einfach. Aber das lässt auf keinen Fall den Umkehrschluss zu, dass ich entspannt bin (woher weiss das mein Gegenüber?). LG Katrin

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    1. Ja klar, jede Familienkonstellation ist individuell, das ist unbestritten. Das Problem ist nur, dass die Auffassung, mit der ich und andere Betroffene immer wieder konfrontiert werden, so verbreitet und unreflektiert ist. Und wenn so etwas dann noch in so einer sensiblen Situation wie nach dem ersten Kind zum Besten gegeben wird, ist das völlig überflüssig und kränkend. Aber wie gesagt: ich glaube nicht, dass die "Entspanntheit" der Eltern großen Einfluss auf das Wesen/den Charakter des Babys hat. Später ist es ein Kreislauf und das Kind reagiert natürlich auf Anspannung. Aber mir geht es um die Ausgangssituation.
      Liebe Grüße!

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    2. Liebe Frühlingskindermama, da bin ich doch nicht ganz und gar Deiner Meinung. Ich denke, dass die Entspanntheit der Eltern schon einen recht grossen Einfluss auf das Verhalten (allerdings nicht den Charakter) des Babys hat. Im Normalfall. Aber es gibt eben auch den Nicht-Normalfall.

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  5. Danke, danke, danke für diesen Blog-Beitrag. Ich bin Zwillingsmama mit 2 anspruchsvollen Kindern, wobei das Mädchen als Baby dabei die Nase weit vorn hatte. Beide sind charakterlich völlig verschieden. Mein Mann und ich sind wirklich sehr ruhige, entspannte Menschen (waren es wohl aber als Babies nicht ;-)

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    1. Hallo,
      bei Zwillingen finde ich das ja noch besonders spannend, denn oft sind diese tatsächlich charakterlich sehr verschieden. Und hatten die gleichen Bedingungen. Woran man sieht, dass das nur wenig Einfluss auf den grundsätzlichen Charakter hat. Sehr spannend! Wenn Du magst, kannst Du gern noch ein bisschen mehr erzählen.
      Liebe Grüße!

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  6. Hallo!
    Auch ich kenne solche Kommentare und Vorwürfe . Meine tochter ist auch ein "high need" baby würde ich sagen. Und das auch wirklich absolut von Beginn an. Sie hat sich nicht erst so entwickelt , weshalb auch ich keinen Zusammenhang zu unserem Verhalten erkennen. Auch wir sind beide eher ruhige, introvertierte Personen. Dadurch haben wir vielleicht die Möglichkeit das Beste aus der Situation zu machen, aber ändern tut das an dem Charakter unserer Tochter nichts. Ich wünsche mir auch einfach Verständnis, mal ein nettes Wort und mehr eigentlich nicht...Was ich garnicht brauche, sind eben solche Kommentare. Wenn man sich wirklich TAG und NACHT so unendlich viel mühe gibt, das Kind irgendwie zufrieden zu stellen, dann tut es sehr sehr weh, dann auch noch falsch verurteilt zu werden. Wäre hier nicht vielleicht sogar mal ein Lob angebracht??...
    Liebe Grüße

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    1. Ja, auf jeden Fall, es wäre große Anerkennung angebracht. Aber viele können das eben leider nicht verstehen, wenn sie es nicht selbst erlebt haben, bzw. lasten es den Eltern an. Unser Großer ist definitiv auch schon so zur Welt gekommen. Und was besonders fies ist: wenn das 2. Kind dann ruhiger wird, meinen solche Leute, dass es daran liegt, dass wir Eltern nun erfahrener und ruhiger sind. Dabei gibt es die Kombination auch andersherum, es hat also recht wenig mit der Erfahrung zu tun. Es tut weh, so beurteilt und herabgesetzt zu werden. Ich wünsche euch viel Kraft, ihr macht das Beste für euer Kind!
      Liebe Grüße!

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  7. Der Artikel spricht mir aus der Seele. Unser erster Sohn war ein Schreibaby. Dann kam unser zweiter Sohn, alle sagten das zweite ist das Gegenteil vom ersten. Die ersten sieben Wochen sah es auch so aus (er war ein Frühchen), dann ging es los, er konnte nur bei mir am Körper im Tuch schlafen, ich konnte ihn nicht ablegen, wollte ständig gestillt werden, seit er sich bewegt will er zu niemandem außer Mama und Papa auf den Arm, sonst schreit er nur und lässt sich nicht beruhigen. Die Großeltern wohnen weit entfernt, so dass wir auch noch ziemlich auf uns allein gestellt waren und sind. Und dann ist mir genau das passiert, was hier auch geschildert wird. V.a. seitens meiner Mutter und meiner Schwester wurde mir immer vermittelt, dass mein Umgang mit den Kindern die Ursache für das Geschrei sei, wir müssten die Kinder häufiger abgeben (wie soll das gehen wenn der Kleine sich abends stündlich meldet und durch uns kaum beruhigen lassen??) und konsequenter sein und auf der anderen Seite meinten sie, dass meine Kinder doch gar nicht so viel schreien würden und meine Kinder "genauso" seien, wie die tiefenentspannten Töchter meiner Schwester. Das hat mir sehr zu Schaffen gemacht. Ganz schlimm war es im letzten Sommer, als wir die Taufe meines wenige Monate alten jüngeren Sohnes und einen Tag später den 2. Geburtstag des Älteren gefeiert haben. Von allen Seiten gab es Unverständnis, warum ich das kleine Kind ständig im Tuch hatte (weil er nur so schlafen konnte, er hätte sonst nur geschrien?!?), warum wir so ein Aufhebens um den Großen machen (der musste abends lange in den Schlaf begleitet werden, ansonsten gab es nur Gebrüll, aber den müssten wir ja einfach mal brüllen lassen, der hat sowieso nur einen Dickkopf) und immer wieder das Gefühl, wir würden etwas falsch machen in Verbindung mit "so viel schreit er doch gar nicht". Sicher, wenn man weiß, dass Kinder regelmäßig schlafen müssen, damit sie ausgeglichen sind und dafür sorgt, dass sie das auch können (vor dem 2. Geburtstag sind beide niemals einfach eingeschlafen), dann schreien sie auch nicht mehr so viel. Mein Vater war der einzige, der abends mal sagte, er bewundere uns, wie wir die anstrengende Situation meistern und dass unsere Beziehung nicht daran zerbricht, das hat mir sehr gut getan. Aber alle anderen haben darauf nur mit Schweigen reagiert. Ich war sehr fertig, bin bei einer Nachbarin erstmal zusammengebrochen. Zwei anstrengende Kinder habe ich gerade so geschafft, die Kommentare und Schuldzuweisungen der Verwandten dazu waren zuviel. Bis Weihnachten hatten wir fast keinen Kontakt und auch Weihnachten selbst habe ich die Familienbesuche abgesagt, weil ich es einfach nicht geschafft hätte. Traurig, dabei hätte ich etwas Unterstützung wirklich gebrauchen können. In diesem Sommer hat sich die Situation glücklicherweise entspannt, da die Situation mit den Kindern auch immer einfacher wird je älter sie werden. Hochgekommen ist das jetzt nochmal, da in dieser Woche der Große die Gruppe in der Kita gewechselt hat und der Kleine (mittlerweile 15 Monate) eingewöhnt wird und es da wieder schwierig wird. Ich frage mich halt auch immer, woher kommen die Probleme? Natürlich frage ich mich bei zwei anstrengenden Kindern, ob "die Schuld" irgendwo bei uns zu suchen ist. Daher vielen Dank für den sehr aufbauenden Artikel und das schöne Gefühl, dass wir wenigstens nicht allein sind damit. Schade, dass die betroffenen Omas und Tanten so einen Bericht nicht lesen. Sorry, ist etwas länger geworden...
    Vielen Dank!

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    1. Hallo,
      danke für Deinen Kommentar, den ich total nachfühlen kann, auch wenn mein zweites Kind vergleichsweise entspannt war. Im Grunde ist es einfach nur Zufall oder Glückssache, ob man ein Baby mit einem ausgeglichenen oder einem unzufriedenen Temperament bekommt. Bestes Beispiel ist ein Zwillingspärchen, von denen der eine Zwilling ein Schreibaby und der andere ein ruhiges Kind war.

      Ich finde es toll, dass Dein Vater wenigstens ein Mal seine Anerkennung äußerte. Wenn das alle machen und etwas helfen würden, wäre schon viel geholfen. Du machst alles genau richtig und nichts ist "Deine Schuld"! Ich wünsche Dir viel Kraft, es wird langsam, aber kontinuierlich besser werden. Suche Dir wenn möglich Gleichgesinnte, sei es online oder real, es hilft unglaublich, wenn jemand das Gleiche durchgemacht hat, einfach wissend nickt, wenn Du erzählst, und man nicht alles erklären und begründen muss.
      Alles Gute und liebe Grüße!

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  8. Hallo, habe grad Baby Nr.3 im Arm und stille ihn und das wird die ganze Nacht so sein, wie jede Nacht. Meine erste Tochter war sehr pflegeleicht und ich war so naiv zu glauben, alle Babys sind so. Die zwei Jungs sind beides High-Need und die Einsicht, das Nr.3 nun doch auch so ist, macht mich ehrlich gesagt grad total fertig. Und er ist auch fordernd und quengelig, wenn ich entspannt bin, die blöden Kommentare und Meinungen kenne ich zur Genüge. Das versteht niemand. Man fühlt sich manchmal wie in einem Gefängnis. Es gibt nur den Trost, dass es irgendwann einfacher wird. Also mein absolutes Verständnis hast du. Liebe Grüße

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