Dienstag, 31. März 2015

Das Scheitern einer Erstlingsmama (Blogparade #geschichtenvomscheitern)

Geschichten vom Scheitern, die Blogparade von Große Köpfe, ist ein Paradethema für jede selbstkritische und reflektierte Mama. Da ich mich ausdrücklich zu diesen zähle, habe ich natürlich auch jede Menge dazu beizutragen. Ich will mich aber nicht in Details wie erfolgloser Motivation beim Anziehen, Kochen des immer falschen Essens oder Versagen der Contenance in stressigen Situationen (das Schlafengehen funktioniert bei uns meist ganz gut) verlieren, sondern das für mich größte und schmerzhafteste Scheitern meines bisherigen Lebens, was bezeichnenderweise erst als Mama auftrat, thematisieren. Den letzten Anlass dazu hat Mama Schulze mit ihrer Geschichte gegeben, in der ich mich extrem wiedererkannte, wenn ich auch damals im Gegensatz zu ihr Einkindmama gewesen bin.

Ich empfinde das gesamte erste Lebensjahr meines Sohnes als Scheitern und Versagen auf ganzer Linie, sowohl von mir als Mama des Babys, als auch als Mensch in zwischenmenschlicher Hinsicht. Ich kann mir das zwar nicht vorwerfen, hatte ich doch in dieser extremen Ausnahmesituation eines viel schreienden, nie schlafenden, nicht zu beruhigenden und immer unzufriedenen Babys weder die Fähigkeiten noch die Gelassenheit, um mich anders auf ihn einlassen zu können. Aber ich bedauere es sehr, wie dieses komplette erste Babyjahr gelaufen ist und wünsche mir oft, ich hätte es mit dem heutigen Wissen, der Sicherheit und Ausgeglichenheit erleben dürfen.

Ich war durch mein anspruchsvolles, forderndes High-Need-Baby nicht nur total gestresst und sowohl körperlich als auch mental völlig am Ende, sondern auch enttäuscht, verzweifelt und von aller Welt verlassen. Wut auf andere Eltern mit pflegeleichten Kindern, auf den Partner, auf Freunde und Familie, die uns nicht oder nur minimal halfen, sondern nur durch Vorwürfe oder Besserwisserei glänzten, und auch Wut auf das Kind, das mich so unglücklich machte, kamen dazu, was den Kreislauf des Scheiterns nur noch verstärkte. Nachdem schon das vermeintlich Einfachste der Welt, das Schwangerwerden, nicht so geklappt hatte wie vorgestellt (siehe diesen Beitrag), war es der Gipfel meines Scheiterns, dass ich nach der Geburt nicht mit meinem Kind klarkam und mir oft wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Er ließ sich nicht beruhigen, egal was man versuchte, man scheiterte mit allem. Er ließ sich nicht zum Schlafen bewegen. Man konnte nichts mit ihm machen, nicht autofahren, nicht einkaufen, jemanden besuchen oder wegfahren. Alles endete in Schreierei, Überreizung und Stress bei uns und beim Baby. Die einzigen beiden Male, als wir meine Eltern besuchten, rächten sich mit Nächten, die durchgeschrien wurden. In fremder Umgebung noch schlimmer als zuhause. Das ist 3 3/4 Jahre her. Seitdem haben wir nie mehr bei ihnen übernachtet.

Es war für alle eine furchtbare Zeit, für mich, für das Baby, für meinen Mann und für meine gesamte Umgebung. Das Gute daran ist: ich habe mein Scheitern nach außen getragen, durch Schmerz, Wut, Gereiztheit, Aggressionen, Reden über die unerträgliche Situation, immer und immer wieder. Dadurch habe ich vielleicht mein Baby vor meinen Aggressionen bewahrt, wer weiß. Das Schlechte daran ist: ich habe Menschen verletzt, die nichts dafür konnten, dass es so schwierig war, und vieles kaputt gemacht. Das bereue ich sehr. Es war aber leider überlebensnotwendig, um nicht durchzudrehen. Und um dem Baby nichts anzutun. Es ist schrecklich, wenn ein Lebenstraum so dramatisch scheitert. Schrecklich, wenn man seinem Baby nicht helfen kann. Und schrecklich, wenn man nicht die Mama ist, die man sich vorgestellt hat. Es war für mich das Scheitern als Mensch per se. Ich weiß bis heute nicht, wie ich diese Zeit überlebt habe. Sie hat mit Sicherheit Spuren in meiner Seele hinterlassen. Und auch bei anderen Menschen aus meiner engen Umgebung.

Nun sind vier Jahre seit der Geburt meines Großen vergangen, und heute ist alles anders. Er hat sich verändert und es wurde einfacher, je größer er wurde. Ich wurde ruhiger und lernte Dinge über ihn und über mich, die mir halfen, besser mit problematischen Situationen umzugehen. Ich verstand ihn nun, auch im Rückblick auf die Babyzeit. Ich wurde stressresistenter. Meine Kleine kam dazu und hat mir gezeigt, dass ich durchaus eine kompetente Mama sein kann. Sie hat mein Scheitern und Versagen geheilt. Insofern ist alles doch noch gut geworden. Aber es bleibt die Erinnerung an mein Versagen als Mama, als der Große mich am meisten gebraucht hätte, und die Traurigkeit über ein verlorenes erstes Babyjahr mit dem lang ersehnten Wunschkind. Das ist eine Wunde, die nie heilen wird.

Samstag, 28. März 2015

Nach 4 Jahren wieder Fahrradausflüge

Wir sind ja im Moment in einem kleinen Urlaub an einem See, in einem Ferienpark, wo wir bisher schon fünfmal waren und sicherlich noch oft hinfahren werden. Es gibt einen wunderschönen Fahrradrundweg um den See, den wir noch nie ausprobieren konnten, weil der Große sich ums Verrecken nicht in einen Fahrradkindersitz zwängen ließ, und später mit dem Laufrad wären die knapp 10 km viel zu lang gewesen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Sees ist ein Naturreservat mit einem Bisongehege, was mit Auto nicht zu erreichen ist. Da der Große ja zu seinem 4. Geburtstag ein Fahrrad bekam und dieses auch gern und ausgiebig nutzt, wollten wir diesmal bei passendem Wetter mal Fahrräder für uns ausleihen (das des Großen hatten wir mitgenommen) und den Versuch wagen, zumindest eine Teilstrecke des Rundweges zu fahren. Es war durchaus etwas riskant, weil wir seit dem Geburtstag vor 3 Wochen erst eine mittellange Radtour gemacht hatten und ein großer Teil des Weges durch Naturschutzgebiete führte, so dass wir ihn also nicht einfach mal so mit dem Auto hätten abholen können, falls er aufgegeben hätte.

Das Wetter versprach schon heute vormittag Gutes und als nach dem Mittagsschlaf der Himmel und die Sonne strahlten, machten wir Nägel mit Köpfen, liehen uns Fahrräder aus und starteten. Die Kleine im Fahrradkindersitz, was mit ihr glücklicherweise kein Problem ist, und der Große auf seinem Rad. Wir fuhren auf wunderschönen Wegen am See entlang durch das Naturreservat, vorbei an einer Schleuse, einem Skulpturengarten bis zu einer Weidefläche für Bisons, die man in der Ferne grasen sah. Die Landschaft war herrlich friedlich und es war so unwirklich, nach 4 Jahren endlich wieder als Familie Fahrradausflüge machen zu können. Das erweitert die Möglichkeiten so ungemein.

Dann ging es weiter am See entlang, an Pferdekoppeln und mehreren Aussichts- und Picknickpunkten vorbei in einen kleinen Ort, wo die Laune des Großen dann schon merklich nachließ, so dass wir uns ein Eis gönnten. Er berappelte sich aber nur kurzzeitig und war dann den Rest der Strecke arg unleidlich. Es war wirklich ziemlich weit und er war mit Sicherheit total knülle. Wie immer zeigt er das nur durch Motzigkeit, anstatt zu sagen, ich kann nicht mehr, wofür ihm ja keiner den Kopf abreißen würde. Zum Glück hatten wir es nicht mehr weit und mein Mann fuhr dann neben ihm und schob ihn den letzten Kilometer bis zum Ferienpark an. Die Kleine war zum Glück verträglich und so gaben wir ausgelastet und ausgelassen die Räder nach 2,5 Stunden wieder ab.

Ich bin total stolz auf ihn, dass er so ein toller Fahrradfahrer ist und gleich so eine Tour mitgefahren ist. Wir hatten eigentlich gar nicht geplant, um den ganzen See herumzufahren, das hat sich irgendwie ergeben und wir konnten es hinterher kaum glauben. Vor allem, wenn man eben weiß, dass wir mit ihm nie eine Fahrradtour machen konnten, als er kleiner war. Dabei macht das soviel Spaß und man merkt, was man vermisst hat. Schade, dass der Große sich natürlich nicht mehr erinnert, warum er sich seinerzeit mit Händen und Füßen gegen den Fahrradkindersitz gewehrt hat. Das würde mich doch schon mal interessieren! Aber die Kleine macht all das gut mit und so kommt unser eigener Sitz noch zur Geltung.

Insgesamt ist der Große hier im Urlaub recht launisch und sehr empfindlich. Ich weiß nicht, ob ihn wiedermal etwas plagt oder ob ihm einfach die Umstellung auf das Zusammenhocken zu schaffen macht (wie mir), aber ich versuche, ihm mit Geduld und Verständnis zu begegnen und keine Eskalation zuzulassen. Und dass er trotz Motzerei heute so eine tolle Leistung vollbracht hat und wir auch dadurch ein Stück Freiheit und erweiterte Möglichkeiten zurückbekommen, sehe ich sehr deutlich. Es hat wirklich Spaß gemacht.

Mittwoch, 25. März 2015

Angekommen im Mamasein

Ich habe etwas Angst, diesen Post zu schreiben, weil ich Murphy fürchte, der immer das Gegenteil dessen bringt, was man gerade beschrien hat. Als ich den Beitrag über die Schlafkarriere meiner Kinder veröffentlichte, waren die danach folgenden Nächte sehr unruhig. Mittlerweile schlafen sie wieder sehr gut durch, aber komisch war das schon. Also bitte seht es mir nach, wenn ich in den nächsten Tagen auf Twitter das Gegenteil von dem hier Geschriebenen von mir gebe;)

Es mag für viele merkwürdig klingen, aber ich habe das Gefühl, dass ich erst jetzt, nach 4 Jahren, so richtig im Mamasein angekommen bin. Das liegt an vielen verschiedenen Aspekten, wie der zunehmenden Selbstständigkeit der Kinder, der Strukturierung des Alltags durch Arbeit und Kita, der Zufriedenheit in der Arbeitswoche, wo ich einen schönen Ausgleich zwischen Zeit für mich (Arbeit) und Zeit für die Kinder am Nachmittag habe, und vor allem an einer viel größeren Gelassenheit, die im Laufe der letzten Wochen und Monate über mich gekommen ist und die mit sich bringt, dass ich einerseits viel weniger als früher mit der Fremdbestimmung durch die Kinder hadere, andererseits viel ruhiger und ausgeglichener mit den Kindern umgehe, was sich deutlich positiv auf die allgemeine Stimmung der Kinder auswirkt und viele Konfliktsituationen entschärft.

Ich habe keine Ahnung, woher die größere Gelassenheit auf einmal kommt. Man kann sich meiner Meinung nach schwerlich zur Ruhe und Ausgeglichenheit zwingen, wenn es in einem tobt und rumort. Natürlich wirkt eine entspannte Haltung gerade im Umgang mit Kindern beruhigend und ausgleichend. Diese kann ich mir aber weder herbeireden noch -zaubern in den Momenten, wo mich alles nervt und ich meine Ruhe bräuchte. Tatsächlich muss diese Fähigkeit also in der letzten Zeit in mir gewachsen sein, und es fühlt sich sehr gut an. Ein bisschen Traurigkeit und Resignation ist auch dabei, weil mir nun mittlerweile Dinge noch unwichtiger geworden sind, die mich früher essentiell ausmachten oder störten. Aber das gehört wohl dazu, weil sich die Prioritäten eben ändern, und ich denke, solange ich das noch empfinden kann, ist der Kontakt zu dem Vor-Kind-Ich noch da. Insgesamt aber finde ich diese meine Entwicklung positiv und vor allem den aktuellen Umständen angemessen, aber es hat lange gedauert, bis dieses Gefühl des Angekommen-Seins bei mir durchgedrungen ist.

Nun sind meine Kinder ja mit 4 und knapp 2 Jahren noch relativ klein und abhängig von uns Eltern. Aber man sieht doch schon deutlich die Entwicklung, dass sie immer unabhängiger und selbstständiger werden und wir Eltern damit mehr Freiräume bekommen. Der Große kann bei den Großeltern (selten) und in der Kita (bisher einmal) übernachten, geht schon länger alleine zu Freunden und Geburtstagen und fährt im Juni auf Kitareise. Er geht allein auf Toilette, zieht sich allein an (wenn er will), hat Rituale verinnerlicht (Händewaschen), um die man lange kämpfen musste, und hat mittlerweile, glaube ich, auch erkannt, was er an seinem Zuhause hat. Er ist in den letzten Wochen nochmal sehr viel verständiger und bewusster geworden und hat Denkstrukturen entwickelt, die ich noch vor einem halben Jahr bei ihm nicht für möglich hielt. Er fährt Fahrrad, unterhält sich mit seinen Freunden und ist ganz deutlich auf dem Weg zu einem eigenständigen, nicht mehr in dem Maße von uns Eltern abhängigen Wesen.

Die Kleine ist natürlich noch wesentlich mehr auf uns, besonders mich, angewiesen. Zum Einschlafen und nachts braucht sie mich, zum Trösten ist Mama gefordert, sie will noch viel getragen werden und fragt auch an dem Papa-Nachmittag immer nach mir. Sie war noch nicht alleine bei Freunden und ich würde sie zum jetzigen Zeitpunkt auch noch nicht alleine irgendwohin geben, wo sie keine Bezugsperson hat. In der Kita fühlt sie sich aber wohl, sucht immer wieder die Nähe des Großen, und auch wenn die Kinder mit unserer sporadischen Babysitterin oder selten genug mit den Großeltern mal für 2 Stunden unterwegs sind, tröstet und stützt sie die Anwesenheit des Bruders. Obwohl sie also noch sehr auf uns, vor allem mich, fixiert ist, merkt man doch schon, dass die absolute Abhängigkeit nachlässt und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis sie auch nachts ohne mich sein kann. Diese konkrete Aussicht auf eine bald wiederkehrende Freiheit für mich ist, obwohl ich sie sicherlich nicht oft nutzen werde, so schön und freudig, dass eben selbst das Wissen um eine bald wieder zur Verfügung stehende Option viel zur Zufriedenheit beiträgt. Der Duft der Freiheit und das langsame, aber erkennbare Ende der allerschlimmsten Fremdbestimmtheit der Baby- und Kleinkindjahre reichen mir im Moment schon, um meiner Seele eine gute Stabilität zu geben, die oft fehlte in den letzten Jahren.

Aber nicht nur sind die Kinder selbstständiger geworden, auch ich bin gelassener und ruhiger geworden, was den Lärm- und Streitpegel und die täglichen kleinen Scharmützel betrifft. Man mag es auch eine gewisse Abgestumpftheit nennen, aber ich lasse viele kleinere Konflikte nicht mehr so nahe an mich ran bzw. reagiere besonnener. Mich nervt nicht mehr so vieles wie früher, weil ich es eh nicht ändern kann. Ich reibe mich auch nicht mehr innerlich auf, wenn den Kindern etwas runterfällt, kaputtgeht oder sie etwas dreckig machen. Und ich bin auch gelassener, weil ich deutliche und positive Entwicklungen sehe, besonders beim Großen. Was sich nicht geändert hat, ist, dass ich sowohl bei physischen als auch bei mentalen Wunden meiner Kinder immer extrem mitleide und deshalb sofort und ausgiebig tröste, so lange, bis es wieder gut ist. Ich bin also nicht generell abgebrühter geworden, sondern tatsächlich nur in den vielen aufreibenden Belangen. Bei diesen schlichte ich ruhig, versuche Kompromisse zu finden, spiele den Clown und probiere den Balanceakt zwischen "an mir abprallen lassen" und "intensiv auf die Kinder eingehen". Und ich merke, dass es mir und den Kindern gut tut.

Die Nachmittage mit den Kindern kann ich mittlerweile richtig genießen, ich bin froh, nach der Arbeit noch eine komplett gegensätzliche Aufgabe zu haben, genieße die frische Luft, die kleinen Erlebnisse (Eis essen, Spielplatz, Smalltalks mit Eltern, kleine Besorgungen im Kiez) und fühle mich inzwischen dem Handling von beiden Kindern auch gewachsen, was lange Zeit nicht der Fall war. Sicherlich gibt es auch immer wieder mal extreme Nervsituationen, wo dann auch bei mir das Fass überläuft. Aber insgesamt gesehen ist das deutlich weniger und seltener geworden. Ich kann mich viel besser auf die Kinder einlassen und fühle nicht mehr ständig überfordert, obwohl man sich manchmal echt zerreißen müsste, um beiden gerecht zu werden.

Halt gibt mir neben der zunehmenden Freiheit sowie der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Kinder auch die Tatsache, dass ich ein eigenes Leben habe und nicht permanent mit den Kindern zusammen bin. Auf der Arbeit kann ich ICH sein und am Nachmittag vergesse ich dann die Arbeit schnell wieder. Man hat gar keine Zeit mehr, lange irgendwelchen Problemchen nachzuhängen, weil die Kinder einen immer auf Trab halten. Die Abwechslung unter der Woche tut mir in jedem Fall sehr gut und trägt viel zur Zufriedenheit und Ausgeglichenheit bei. Bis vor kurzem habe ich die Wochenenden, wo man rund um die Uhr zusammen war, immer als sehr anstrengend empfunden und bin regelmäßig an und über meine Grenzen gekommen. Dies scheint sich nun auch zu bessern. Wir werden sehen, wie es weitergeht. Letztens haben die Kinder knapp 30min zu zweit im Kinderzimmer gespielt, ohne dass es Mord- und Totschlag gab. Das war eine Sensation! Und mein Gott, diese 30min reichen mir zwischendurch schon fast, um mal kurz was für mich zu tun. Man wird ja bescheiden, aber es ist schon viel viel mehr als in den letzten 4 Jahren.

Ich habe in den letzten Jahren sehr viel mit der Fremdbestimmtheit durch die Kinder, der permanenten Anspannung und den fehlenden Ruhephasen gehadert. Dies rief eine ständige latente Unzufriedenheit hervor, die sich dann wiederum oft in der Ungeduld mit den Kindern niederschlug. Ich habe zwar versucht, es nicht zu zeigen, war aber immer irgendwie innerlich angespannt. Dass dies jetzt tatsächlich zum allergrößten Teil verschwunden ist, ist eine ganz neue, mich wirklich überraschende Entwicklung, die sich wie der letzte fehlende Baustein zu einer guten Mutterschaft anfühlt.

Morgen fahren wir ein paar Tage weg und sind wieder 24h am Tag zusammen. Ich bin gespannt, ob sich meine Gelassenheit dann auch bewahren lässt. Ich wünsche es mir, denn es ist ein wunderschönes Gefühl, dieses Angekommen-Sein im Mamasein.

Sonntag, 22. März 2015

Über die Namensfindung meiner Kinder

Kann man über die Namenssuche seiner Kinder berichten, ohne die Namen zu verraten? Ich will es mal versuchen, weil es immer wieder ganz nett zu erzählen ist, wie meine Kinder zu ihren Namen gekommen sind.

Früher hatte ich immer ganz viele Mädchennamen im Hinterkopf und einige wenige schöne Jungennamen. Wichtig war immer die Kompatibilität mit dem Nachnamen und mit unseren Vornamen. Niemals hätte ich Namen für meine Kinder gewählt, in denen mein Vorname oder der meines Mannes anklingt (z.B. Janne und Anne). Es sollte alles rund klingen und zusammen passen, im Schriftbild angenehm aussehen, sowohl für Kinder als auch Erwachsene gut und einfach auszusprechen sein und keine Fragen beim Buchstabieren aufwerfen. Wichtig und interessant für mich war auch immer die Herkunft und Bedeutung des Namens.

Als ich mit dem Großen frisch schwanger war, fing ich relativ schnell an, nach Jungennamen zu suchen. Nicht, weil ich es im Gefühl hatte, dass es ein Junge wird; das nicht. Aber weil es eben nur wenige schöne Jungennamen gab, die alle meine Kriterien erfüllten. Hinzu kam, dass das Kind den Nachnamen meines Mannes bekommen sollte (ich hatte meinen Mädchennamen behalten, als wir heirateten), der etwas hart klingt. Wir brainstormten mehrfach und sprachen uns viele Jungennamen laut vor. Und da war er eines Abends einfach so da: der Name des Großen. Das war nur kurze Zeit nachdem ich von der Schwangerschaft wusste. Ende Juli hatte ich Geburtstag, da wusste ich ca. 5 Wochen von der Schwangerschaft, das Geschlecht war noch lange nicht bekannt, doch der Name war schon da. Der abgeleitete Mädchenname war schon immer einer meiner Favoriten gewesen, aber es war nicht so, dass wir aus meinem Lieblings-Mädchennamen einfach den entsprechenden Jungennamen machten, sondern der Name kam uns wie ein Geistesblitz ein. Er war zu diesem Zeitpunkt nicht verbreitet (wir kannten im Gegensatz zu heute niemanden, der so hieß), er passte zu unseren Vornamen, zum Nachnamen meines Mannes und war zwar ungewöhnlich, aber doch auch irgendwie ziemlich normal. Kein Name, den man buchstabieren musste, den man verschieden aussprechen konnte oder irgendwie entstellen konnte. Wir waren beide gleich begeistert und uns einig. Das Einzige, was dagegen sprach, war die Tatsache, dass ich dann nie mehr einer eventuell noch folgenden Tochter den abgeleiteten Mädchennamen geben konnte. Nun ja.

Als wir dann in der 19. Woche erfuhren, dass es tatsächlich ein Junge wird, war der Name gesetzt. Ich hatte bis dahin noch zwei Mädchennamen in petto, weil ich ja insgeheim doch noch hoffte, dass es ein Mädchen wird. Aber so war ja alles gut. Allerdings wollte ich für die endgültige Entscheidung tatsächlich abwarten, bis ich mein Baby sehen konnte, und deshalb ließ ich bei den ansonsten vollständig vorbereiteten Formularen für Kinder-, Elterngeld, Krankenkasse etc. den Vornamen bis zum Schluss frei. Als wir den Großen sahen, stand aber dann sofort fest, dass der Name bleibt.

Als Zweitnamen haben wir "Benjamin" gewählt, was auf Hebräisch "Sohn des Glücks" bedeutet und nicht nur perfekt auf unsere Geschichte mit dem Großen passt, sondern auch lange Zeit einer meiner Lieblingsjungennamen war. Wir sind bis heute sowohl mit seinem Rufnamen als auch der gesamten Namenskombination total zufrieden und alles passt perfekt zu ihm und zu uns.

Bei der Kleinen war der Prozess etwas langwieriger, da der Name nun auch noch zu dem des Großen passen sollte und wir nicht mehr die Muße hatten, lange Brainstorming-Abende abzuhalten. Die übrigen Kriterien waren immer noch die gleichen. Und wenn man einmal so eine Blitzeingebung wie beim Namen des Großen hatte, tut man sich schwer, wenn diese nicht eintritt und man immer mehr darüber nachdenkt. Einen passenden Jungennamen (Jonas) fanden wir dann irgendwann, weil eben die Auswahl nicht so groß war an denen, die uns gefielen. Aber als dann das Geschlecht feststand (Juhu, ein Mädchen!), verkrampfte ich irgendwie in dem Bemühen, doch jetzt unbedingt eine Eingebung mit dem allerallerschönsten Mädchennamen zu bekommen. Es gab dann im zweiten Teil der Schwangerschaft mehrere Favoriten wie Elisa, Martha, Mathilda, aber es fühlte sich nie hundertprozentig perfekt an. Mein Mann hätte "Frida" als Erstnamen für die Kleine gewählt, was auch super zum Namen des Großen passte und letztendlich ihr Zweitname geworden ist, aber als Rufname war er mir etwas zu hart, außerdem hatte meine Urgroßmutter so geheißen, und ich mochte nicht Namen aus der Familie wiederholen.

Und so waren wir bis kurz vor der Geburt noch unentschlossen, was so ein komisches, unterschiedliches Gefühl im Vergleich zu dem Prozess der Namensfindung beim Großen war. Irgendwann besann ich mich dann auf die beiden Mädchen-Favoriten, die beim Großen infrage gekommen wären, wenn er ein Mädchen geworden wäre. Beide gefielen uns immer noch sehr und der etwas Seltenere der beiden, nichtsdestotrotz Einfache und Gängige, wurde es dann. Endgültig wurde wie beim Großen intuitiv kurz nach der Geburt entschieden, nur diesmal von mir alleine, weil mein Mann bei der Geburt der Kleinen nicht dabei war. Warten wollte ich aber auch nicht auf ihn, der Name fühlte sich passend und richtig an für unsere Tochter und war trotz der langen Namensfindungszeit gleich von Anfang an wie geschaffen für unsere Kleine. Er ist lieblicher als der Name des Großen und trotzdem bodenständig wie seiner.

Wir sind bis heute sehr glücklich über die Wahl beider Vornamen, sie gefallen uns immer noch, passen zu unseren Kindern, im Alltag bewähren sie sich, andere Kinder können sie wunderbar aussprechen und wenn ich unsere vier Namen geschrieben nebeneinander sehe, wirkt das total rund und harmonisch.

Und wie seid ihr zu den Namen eurer Kinder gekommen? Wart ihr euch einig oder hat sich einer durchgesetzt? Stand der Name lange vorher fest oder wart ihr spontan und kurzentschlossen? Oder habt ihr euch sogar nach der Geburt noch Zeit mit der Entscheidung gelassen, was ich auch schon gehört habe?

Montag, 16. März 2015

Wer hat was von wem? (Blogparade #Dubistich)

Das Thema der aktuellen Blogparade "Was wir unseren Kindern vererben" von Mama on the Rocks ist eines meiner Lieblingsthemen, über das ich stundenlang philosophieren könnte. Deshalb mache ich natürlich gern mit und verschriftliche mal einige Gedanken. Achtung: es wird lang!

Zuerst kurz zur Optik:
Auf dem Ultraschallbild der Feindiagnostik sah der Große ziemlich zerknautscht aus und hatte einige Ähnlichkeiten mit meiner mittlerweile verstorbenen Schwiegermutter (volle Lippen, Knollennase). Zum Glück veränderte er sich rechtzeitig bis zur Geburt noch und sah dann ganz anders aus. Im Vergleich zwischen uns Eltern wurde meist eher eine Ähnlichkeit mit mir festgestellt, aber es war eigentlich eher eine Tendenz als eine fundierte Aussage. Jetzt mit 4 Jahren ist er ein unheimlich niedlicher Junge mit ebenmäßigen, weichen Gesichtszügen und ähnelt keinem von uns beiden so wirklich deutlich. Die Mund-Kinn-Partie sieht meinem Mann und dessen Vater ähnlicher, aber das Gesamtpaket ist völlig originell. Bis ca. vor 2 Jahren waren seine Haare mehr oder weniger rotblond, was väterlicherseits aus der Familie meines Mannes stammt. Davon ist im Moment nichts mehr zu erkennen. Er bekommt aber schnell Sommersprossen und ich bin gespannt, ob er später mal einen rötlichen Bart haben wird. Aktuell ist er dunkelblond und ein wunderhübscher Junge.

Die Kleine hatte auf dem Feindiagnostik-Bild die schmalen Lippen meines Mannes und kam dann mit vollen Lippen auf die Welt;). Als ich sie das erste Mal sah, hatte sie pechschwarze Haare und ich dachte wortwörtlich: "Oh Gott, meine Schwiegermutter!", da diese die Einzige in unseren beiden Familien war, die richtig schwarze Haare hatte. Die Haare der Kleinen wurden aber im Laufe der ersten Wochen immer heller und sind jetzt aktuell dunkelblond. Sie hat wunderschönes, halblanges, glattes, volles und glänzendes Haar und ist ebenfalls optisch ein total niedliches Kind. Bei ihr war es von Geburt bis heute viel deutlicher, dass sie mir sehr ähnlich sieht. Wie sie als Baby manchmal auf ihrer Krabbeldecke lag, sah genauso aus wie die Fotos von mir als Baby. Meine Eltern fühlten sich teilweise 38 Jahre zurückversetzt, so stark war die Ähnlichkeit. Sie ist im Gesicht etwas rundlicher als der Große, aber das kann auch noch am "Babyspeck" liegen.

Keines meiner Kinder hat übrigens meine braunen Augen geerbt. Der Große hat grün-graublaue hellere Augen und die Kleine dunklere blau-graue Augen wie mein Vater. Dafür haben sie beide meine hohe "Denkerstirn" (hihi) geerbt. Beide haben wunderschöne Haut und tolle Proportionen. Also, wie man merkt, finde ich meine Kinder wirklich sehr hübsch und komme ins Schwärmen.

Nun zum Wesen:
Leider gibt es in beiden Herkunftsfamilien keine zuverlässige Quelle, was die Charaktereinschätzung von uns Eltern als Babys und Kleinkinder betrifft. Meine Schwiegermutter lebt nicht mehr, meinen betagten Schwiegervater kann man für solche Informationen nicht heranziehen, und meine eigenen Eltern leiden unter ausgeprägter selektiver Erinnerung, d.h. können (oder wollen) sich nicht an die schwierigen/ anstrengenden Aspekte des Kinderhabens erinnern, ebensowenig an bestimmte Charaktereigenschaften, die schon als Kleinkinder bei mir und meinem Bruder erkennbar gewesen sein müssen. Schade, dass man sich also nicht mit den einzigen Personen, die das vielleicht wirklich beurteilen könnten, über die Wesensunterschiede und -Ähnlichkeiten meiner Kinder zu uns Eltern austauschen kann.

Dass ich meine beiden Kinder als von Grund auf unterschiedlich empfinde, und zwar von Geburt an, wird den treuen Lesern bekannt sein. Ich habe schon mehrfach über dieses Thema geschrieben, z.B. in den Artikeln Verschiedenheit, DefiziteOde an die Kleine und Schönes und Anstrengendes am Mehrfach-Elterndasein. Ich kann einige Aspekte nochmal aus einer anderen Perspektive beleuchten.

Vielleicht zuerst mal etwas zur Kleinen: sie ist ein fast durchweg fröhliches, witziges, positives, anschmiegsames, einfühlsames, kuscheliges Wesen, dabei sehr bewusst und willensstark, aber trotzdem kooperativ, hat eine unglaublich schnelle Auffassungsgabe und Umsetzungsfähigkeit, ist kombinationsstark, deutlich in ihren Äußerungen von Behagen und Missfallen, sehr empathisch, sehr zugewandt und sich nach außen öffnend. Dabei trotzdem vorsichtig/ zurückhaltend bei Fremden oder in unbekannten Situationen, aber schnell Sicherheit gewinnend durch rasantes Abchecken der Umstände. In den Aspekten, die die Fröhlichkeit und Extrovertiertheit betreffen, ähnelt sie keinem von uns. Wir sind beide zurückhaltend, ruhig und eindeutig introvertiert. Ich kann fröhlich und gesellig sein in angenehmen Situationen und mit Menschen, mit denen ich mich wohlfühle, würde mich aber nicht grundsätzlich als fröhlichen Menschen bezeichnen. Dafür grüble und hadere ich zuviel. Mein Mann braucht sehr lange, bis er sich Menschen öffnet. Er sagt übrigens selbst, dass er so gut wie nichts von sich in der Kleinen wiedererkennt. Sie sei für ihn wie ein "Wesen von einem anderen Stern", und das meint er ganz und gar positiv.

Die schnelle Auffassungs- und Kombinationsgabe dagegen hat sie definitiv von mir, ebenso ihr Bestreben nach Effizienz und Umsetzung. Sie ist eine Macherin. Auch die Empathie und die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinversetzen zu können (sie tröstet von sich aus, was der Große bis heute nicht macht), stammt, glaube ich, von mir. Ich denke und fühle immer für andere mit, was oft eine große Gabe, manchmal auch eine Belastung ist. Für die Kleine scheint es bis jetzt nicht belastend zu sein und wir werden schauen, wie sich das weiter entwickelt.

Ganz wunderbar ist ihre Musikalität und Bücherliebe. Die Musikalität an sich hat sie von uns beiden, ihr tolles Rhythmusgefühl und ihre Textsicherheit wohl von mir;), ebenso wie die Bücherliebe. Ich habe viele Jahre als Buchhändlerin gearbeitet und liebe Bücher über alles. Ansonsten ist noch nicht wirklich erkennbar, womit sie sich in Zukunft vielleicht intensiver beschäftigen wird. Sie interessiert sich eindeutig mehr für Tiere als ihr Bruder, hat ein super Namensgedächtnis wie ich und ist ein kleines waghalsiges, umtriebiges, forsches, neugieriges und freundliches Menschlein.

Was ich ganz toll an ihr finde und was außer ihr keiner in unserer Familie, auch in unseren Herkunftsfamilien nicht, so gut beherrscht, ist, dass sie ganz deutlich äußert, nicht nur dass ihr etwas nicht passt (darin ist vor allem der Große überragend), sondern auch anzeigt, was ihr nicht passt. Sie machte sich schon als Baby so gut verständlich, dass es im Vergleich zum Großen meist ein Leichtes war, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Wie wertvoll dies im Zusammenleben gerade mit so mit willensstarken Kindern ist, merken wir täglich im Vergleich zum Großen. Und wenn dann das Ärgernis aus der Welt geschafft ist, kooperiert sie sofort und problemlos und ist glücklich. Sie ist also überhaupt nicht nachtragend und kann schnell wieder zum Alltagsgeschäft übergehen. Das kann beispielsweise mein Mann nur sehr schwer, ich schon eher, wenn kleinere Ärgernisse schnell aus der Welt geschafft werden. Aber sie übertrifft uns alle darin und ich hoffe sehr, dass der Große sukzessive von ihr lernt, dass man Bedürfnisse deutlich äußern muss, um etwas zu erreichen, und dann nach Erreichen auch ganz normal weitermachen kann.

Zusammenfassend würde ich über die Kleine sagen, dass sie zwar in ihrer Fröhlichkeit, Unbeschwertheit und Extrovertiertheit keinem von uns beiden ähnelt, aber in "alltagspraktischen" Dingen vieles von mir hat. Sie ist motorisch, sprachlich und emotional wunderbar entwickelt und erreicht vieles "mit links". Zumindest wirkt es so. (Das hat mich bei mir oft geärgert, dass es für Außenstehende immer so wirkte, als würde ich alles "mit links" schaffen. Das war nicht der Fall.) Aber sie und ich sind Kämpferinnen und wir strengen uns an, unsere Ziele zu erreichen. Mal sehen, ob uns diese Ähnlichkeiten später durch die Pubertät retten werden;)

Der Große ist bekanntlich ein schwierigerer Fall und eine ganz merkwürdige Mischung aus verschiedenen zusammengewürfelten Wesenseigenheiten, die es weder ihm selbst noch uns als Eltern einfach macht, mit ihm klarzukommen. Er war ein Schreibaby, was wohl weder mein Mann noch ich waren. Sowas hätten die Eltern nicht vergessen, sowas kann man nicht vergessen! In meiner Familie gibt es allerdings 2 bekannte Fälle von männlichen Babys, die sehr viel geschrien und schlecht geschlafen haben. Dass wir den Großen auch jetzt als Kleinkind trotz seiner immensen positiven Entwicklung weiterhin als sehr anstrengend empfinden, hängt mit verschiedenen Komponenten zusammen: seiner wahrscheinlichen Hochsensibilität und dass er gleichzeitig ein autonomes Kind ist, seiner grundlegenden Unzufriedenheit, seinem Jammermodus, seiner Empfindlichkeit und Kritikunfähigkeit, seiner mangelnden Empathie, seinem enormen Ehrgeiz und Perfektionismus, ohne jedoch den Biss zu haben, Dinge erreichen zu wollen, und der in ihm schlummernden extremen Wut, die zum Glück nicht mehr ganz so heftig explodiert wie in den letzten 2,5 Jahren, aber dennoch immer schwelt.

Zur Wut hat Mama on the Rocks in ihrem Beitrag etwas über sich und ihre Tochter geschrieben, was exakt auf mich und den Großen zutrifft. Ich habe auch viel Wut in mir, und wenn etwas nicht so funktioniert, wie ich es mir vorstelle, kann ich schnell explodieren. Auch ich habe das früher als Kind nicht gezeigt, weil ich extrem brav und angepasst war. Ich weiß aber noch, dass ich oft innerlich sehr wütend war. Als Teenager und später bin ich manchmal so überraschend ausgetickt, dass mich keiner als das liebe, vernünftige Mädchen wiedererkannt hat. Die Wut und mangelnde Frustbewältigung hat der Große eindeutig von mir, auch wenn ich es früher mehr unterdrückt habe und jetzt anders kompensiere. Deshalb kann ich ihn darin auch am besten verstehen und versuche oft, ihm weitestgehend entgegenzukommen und vor allem, ihn ernstzunehmen, was ich als Kind leider vermisst habe.

Vermutlich ebenfalls von mir hat er die Hochsensibilität geerbt, jedoch in einer etwas anderen Ausprägung. Gemeinsam ist uns die schnelle Überreizung und Überforderung, die Schwierigkeiten beim Abschalten und Runterkommen, das daraus resultierende enorme Ruhebedürfnis, unser Perfektionismus sowie die damit verbundene Unzufriedenheit (vor allem mit anderen Menschen), das lange Nachhallen und langsame Verarbeiten. Wir unterscheiden uns komplett in Empathie und Einfühlungsvermögen, ja, seine mangelnde Empathie ist sogar ehrlich gesagt das Hauptkriterium, was mich manchmal an seiner Hochsensibilität zweifeln lässt. Seine Kritikunfähigkeit und das Unvermögen, sich in andere hineinzusetzen, kann zwar ein Merkmal von Hochsensibilität sein, aber auch einfach ein "normaler" Charakterzug oder noch nicht ausgereift. Sein Gerechtigkeitssinn und meiner sind enorm ausgeprägt. Er möchte unbedingt gleichwürdig behandelt und ernst genommen werden, und dieser Wunsch zieht sich ebenfalls durch meine gesamte Kindheit. Ich habe genau das gefühlt, was er fühlt, und deshalb ist ein gleichwürdiges Umgehen mit ihm eine meiner obersten Maximen.

In seiner Vorsichtigkeit und Zurückhaltung erkennen wir uns beide wieder, nur dass ich das mittlerweile viel besser "vertusche" und vor allem, trotzdem schnell in meinen Reaktionen und Handlungen bin, also nicht in Passivität verharre, wie es der Große oft macht. Diese Langsamkeit in Verarbeitung und Reaktion bringt mich wiederum regelmäßig auf die Palme, obwohl ich inzwischen auch darin viel gelassener geworden bin, weil der Große unter Druck noch schlechter "funktioniert" und ich sein Wesen eben nicht ändern kann. Außerdem bringt seine Vorsichtigkeit viel Positives mit sich, zum Beispiel dass er so gut wie keine der typischen Kinderdummheiten macht, kaum Unfälle hat etc. Dass er sich im äußeren Leben (Kita, Freunde) sehr stark anpasst und nichts von seinen problematischen Seiten zeigt, kennen wir ebenfalls beide von uns. Er schwankt immer sehr stark zwischen himmelhoch jauchzend (selten) und zu Tode betrübt. Die Grundessenz meines eigenen Charakters ist genauso, auch wenn ich dies mittlerweile nicht mehr so extrem empfinde wie früher. Mein Mann dagegen ist relativ ausgeglichen und kann deshalb mit den Stimmungsschwankungen des Großen schlecht umgehen.

Er ist leider überhaupt kein Kind, das sich selbst beschäftigt, sondern braucht immer ein Gegenüber, was weder mein Mann noch ich von sich kennen. Wir können beide stundenlang glücklich allein vor uns hinwurschteln und waren als Kinder auch schon Meister der Selbstbeschäftigung. Der Große kann allerdings, wenn ihn eine Sache fesselt und sich jemand mit ihm beschäftigt, tief in diese hinein versinken. Beispielsweise puzzelt er sehr gern (stammt von mir) und wir fördern solche Beschäftigungen auch immer wieder, um seine Konzentrationsfähigkeit zu stärken, weil er bis ca. 2 Jahre unglaublich hibbelig und unruhig war. Er ist ein toller Maler, was eindeutig aus der Familie meines Mannes stammt. Mein Mann selbst hat davon zwar nichts abbekommen, aber seine Eltern waren beide privat sehr mit Kunst in allen Ausprägungen beschäftigt. Wobei, und das hat er wiederum von mir: er malt am liebsten nach Vorgaben, also aus und nach, weniger selbstständig-kreativ. Ich war zum Beispiel in Kunst eine Niete, aber im Technischen Zeichnen top.

Insgesamt muss ich sagen, dass der Große mir und meinem Mann deutlich ähnlicher ist als die Kleine und wir uns in vielen, auch in den problematischen, Wesenszügen wiedererkennen. Ich sehe auch Aspekte meines Vaters und meiner Schwiegermutter in ihm. Man sollte meinen, dass es uns dadurch leichter fallen müsste, mit ihm klarzukommen. Das ist aber nicht der Fall. Bei mir ist es so, dass ich ihn in den Aspekten, in denen er mir ähnlich ist, sehr gut verstehe und diese deshalb als etwas weniger problematisch empfinde. Ich finde die Unterschiede schwieriger. Mein Mann dagegen findet genau die Ähnlichkeiten zwischen sich und dem Großen schwierig zu händeln. Der Charakter unseres Sohnes ist einfach durch große Extreme geprägt, die ihn zu einem anstrengenden Kind machen. Er ist und bleibt eben kein einfaches, leicht zufriedenzustellendes Kind. Das ist nur für uns Eltern schwer zu akzeptieren, weil man ja immer gern sein Kind glücklich machen will. Für mich ist vor allem der Spagat zwischen seiner Hochsensibilität und seiner gleichzeitig in vielem zu mir komplett gegensätzlichen Denkstruktur eine Herausforderung.

Mein Großer ist dasjenige meiner beiden Kinder, durch das ich am meisten über mich gelernt habe und jeden Tag dazulerne. Ich denke, das geht meinem Mann genauso. Er fordert einen großen Teil meiner emotionalen Kraft, was mich bis zur Geburt der Kleinen enorm ausgebrannt hat. Die Kleine wiederum schenkt mir durch ihr liebevolles, positives Wesen diese Kraft und Bestätigung, die ich brauche, um den Großen weiterhin liebe- und verständnisvoll zu begleiten. Also eigentlich ein wunderbarer, fruchtbarer Kreislauf. Und generell finde ich es einfach wahnsinnig schön, beruhigend und entlastend, dass aus identischen Voraussetzungen zwei so unterschiedliche Kinder entstanden sind und man für jedes Kind einen eigenen Umgangsmodus finden muss.

Das war lang, aber ich könnte tatsächlich noch mehr schreiben;). Danke für's Lesen und die Blogparade von Mama on the Rocks!

Sonntag, 15. März 2015

Ein Sonntag mit vielen spannenden Momenten

Heute muss ich mal kurz Tagebuchbloggen, bevor der nächste längere Beitrag folgt. Es war zwar objektiv gesehen kein ereignisreicher Tag, aber es gab viele kleine Momente, die festgehalten werden müssen.

Am Vormittag waren wir zuhause, haben gebacken und gespielt. Mittags hatte die Kleine einen für ihre Verhältnisse heftigen Wutanfall, weil ihr Shirt beim Waschen nass geworden war und ausgezogen werden musste. Sie wollte partout kein anderes anziehen, die Tränchen liefen nur so runter, sie versuchte uns zu hauen und war ganz aufgelöst. Dann schlug ich ihr vor, das Shirt einfach trocken zu fönen, damit sie es wieder anziehen kann. Sie war sofort ruhig und zeigte deutlich, dass sie dies wollte. Gesagt, getan. Mit dem trockenen Shirt war sie wieder glücklich und ausgeglichen und man merkte ihr die Aufregung gar nicht mehr an. Sie hat überhaupt kein nachtragendes Wesen, im Gegensatz zum Großen, der nach solchen Vorkommnissen noch lange braucht, bis er sich wieder beruhigt, auch wenn das Ärgernis längst schon aus der Welt geschafft ist. Erstaunlich und toll!

Am Nachmittag haben wir dann den ersten richtigen Fahrradausflug zu viert gemacht, und der Große fuhr auf seinem neuen Fahrrad wieder unglaublich sicher, ausdauernd und stolz. Wir haben zum Glück viele Möglichkeiten für abwechslungsreiche Strecken und merkten, wie es uns gut tat, durch das Fahrradfahren unseren Radius wieder etwas zu erweitern. Wir fuhren durch einen kleinen Stadtwald und kamen an ein monumentales Ehrenmal, wo wir schon lange nicht mehr gewesen waren. Sagten zum Großen:  "Das da ist ein Denkmal." Darauf er ganz ernst: "Und was kann man da machen? Denken?" Herrlich, dieser Kindermund!

Wir gönnten uns einen Kakao und fuhren langsam wieder zurück. Die Kleine saß geduldig in ihrem Kindersitz. Wem dies jetzt normal erscheint, der hätte mal sehen müssen, wie sich der Große seinerzeit im gleichen Fahrradkindersitz gebährdete. Wir probierten es mit ihm damals genau zweimal aus und ließen es dann aufgrund hysterischen Geschreis, Herauswindens aus den Gurten und Hin- und Herwerfens, was die Stabilität gefährdete und uns den Genuss völlig verleidete, bleiben. Genau das gleiche Verhalten legte er übrigens im Auto bis kurz vor seinem 2. Geburtstag an den Tag. Grässlich. Umso unglaublicher und schöner für uns, dass die Kleine das so toll mitmacht. Kurz vor der Ankunft zuhause sagte der Große dann zum allerersten Mal überhaupt: "Das war heute ein schöner Tag." Da geht einem doch das Herz auf.

Auch die Kleine hatte heute spannende Momente. Wir entdeckten, dass ihre beiden letzten Backenzähne oben durch sind, und dies war anscheinend ganz unbemerkt geschehen. Probleme gemacht hatten ihr Anfang Februar die beiden vorletzten Backenzähne (unten), da waren die oberen noch nicht zu sehen. Heute nun waren beide schon gut durch. Das Thema Zähne hätte sich also endlich erledigt. Zumindest erstmal bis zum Milchzahnwechsel;) Außerdem produzierte sie, nachdem sie vor kurzem erst mit Drei-Wort-Sätzen angefangen hatte, heute den ersten Vier-Wort-Satz: "Das ist ...(ihr Name)'s Helm." Toll! Wie schon einmal erwähnt, ist sie sprachlich dem Großen im gleichen Alter etwa ein Vierteljahr voraus. Es ist so niedlich, wie sie schon mit ihrem Bruder kommuniziert und er sie auch immer mehr als Gesprächspartnerin in Beschlag nimmt.

Und zu guter Letzt haben wir am Wochenende eindeutig festgestellt, dass der Große nochmal einen Sprung in seinem Denken gemacht hat. Er reagiert jetzt ganz anders, viel bewusster und kreativer, auf Dinge, die man zu ihm sagt. Er beginnt, uns in Grund und Boden zu argumentieren. Er wehrt sich verbal gegen Meckereien und Vorwürfe. Ich finde es grundsätzlich sehr gut, dass er sich sowohl im Denken als auch in seiner verbalen Ausdrucksfähigkeit weiterentwickelt. Er lässt sich immer weniger gefallen und äußert das nicht mehr durch körperliche Frustration, sondern spricht es aus. Das ist für ihn sehr wichtig und heilsam. Für uns Eltern bedeutet das, dass wir uns noch mehr reflektieren müssen, weil er uns jetzt so richtig den Spiegel vorhält. Obwohl es sehr anstrengend werden kann, wenn das Kind alles infrage stellt, was die Eltern vorgeben, sehe ich eindeutig das Positive in diesem Entwicklungssprung. Ja, im Grunde wird es jetzt richtig spannend, weil er uns Erwachsenen immer ebenbürtiger wird und wir in seinen Aussagen und Erwiderungen unser eigenes Verhalten widergespiegelt bekommen. Ein toller Sprung und wie immer beim Großen deutlich zu erkennen.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass heute aufgrund von Hampeleien am Esstisch ein Glas zu Bruch ging und die ganze Küche voller Scherben übersäte. Mein Mann beseitigte dieses Malheur, ohne mit der Wimper zu zucken, während ich die aufgelösten Kinder wieder beruhigte. Auch dies gehört dazu;)

Dienstag, 10. März 2015

Der 4. Geburtstag des Großen

Am Freitag, 6. März 2015, feierte unser Großer seinen 4. Geburtstag und wir unser 4-jähriges Elternsein. Am Vortag hatte ich ja seinen Geburtsbericht fertig gestellt, was für mich sehr emotional war. Wir bereiteten abends den Geburtstagstisch vor und freuten uns, dass wir alle Geschenke rechtzeitig besorgt hatten. Am Geburtstag wachte er sehr früh auf und war um 5:30 Uhr morgens schon dabei, die im Wohnzimmer drapierten Geschenke auszupacken. Davon musste mein Mann ihn nun doch abhalten, was kein leichtes Unterfangen war. Nachdem die Kleine und ich auch aufgestanden waren, machten wir den offiziellen "Einzug" ins Wohnzimmer und er freute sich wahnsinnig über den kerzenbeleuchteten Geschenketisch. Er fing an, die kleineren Geschenke nach und nach auszupacken und ließ das Fahrrad, sein großes Geschenk, bis zum Schluss stehen. Mein Mann war schon ganz ungeduldig, wann er sich endlich dem Fahrrad widmen würde, hatte er doch einige zusätzliche Sachen noch angebracht und war stolz auf das tolle Teil. Ich bin aber ähnlich wie der Große in diesem Fall war und arbeite immer erst die "kleineren" Sachen ab, bevor ich mich auf die größte Sache stürze;). Er freute sich unglaublich und drehte gleich erste Runden durch die Wohnung.


Dann frühstückten wir und probierten alle neuen Spielsachen aus. Wir hatten die Kinder aus der Kita abgemeldet und somit genug Zeit. Natürlich musste das neue Fahrrad auch draußen probegefahren werden. Und obwohl ich mir schon dachte, dass er keine größeren Probleme damit haben werde, da er seit 2 Jahren täglich Laufrad fährt und auch mit dem Treten keine Schwierigkeiten hat, war ich trotzdem super überrascht, mit welcher Leichtigkeit und Sicherheit er losfuhr. Ein paarmal noch festgehalten, und dann fuhr er allein in einem Affenzahn los, dass der nebenherlaufende Elternteil ziemlich ins Schwitzen kam. Selbst das Bremsen und Anhalten machte er intuitiv richtig und konnte sowohl die Geschwindigkeit als auch potentiell "gefährliche" Situationen sehr gut einschätzen. Wir waren beide total verblüfft und sprachlos. So leicht hatten wir uns das Fahrradfahren lernen nicht vorgestellt! Aber umso besser. Er fiel nicht ein einziges Mal hin und hatte großen Spaß am Fahren. Er war total glücklich und zufrieden mit sich und das freute uns unglaublich. Am Nachmittag besuchten wir einen Kleintierzirkus, den die Kinder schon kannten und immer wieder lieben, und danach drehte er noch einmal ein paar Runden. Es war wirklich ein schöner Tag für alle.


Am Samstag hatten wir vormittags eine Babysitterin bestellt, die mit den Kindern spazieren ging, damit wir die Kindergeburtstagsfeier in Ruhe vorbereiten konnten. Als Motto hatte er sich einen Polizeigeburtstag gewünscht, was sich in ein wenig Polizei-Deko (Becher, Teller, Platzdeckchen, Strohhalme, Luftballons, Einladungskarten, Zauberblöcken und Tattoos) niederschlug. Und natürlich - nicht zu vergessen - dem selbst gebackenen Polizeiautokuchen.


Es waren 4 Kinder eingeladen, so dass wir insgesamt 6 Kinder zuhause hatten. Als alle beisammen waren, gab es erst einmal eine kleine Vesper, damit sich alle beschnuppern konnten. 2 Kinder waren aus der Kita-Gruppe des Großen und die beiden anderen Freunde außerhalb der Kita. 3 von den 4 Kindern kannten sich schon vom 3. Geburtstag im letzten Jahr. Danach wollten wir eigentlich ein paar Spiele wie Stuhltanz, Autos aufrollen, Eierlaufen etc. machen, aber schon das erste Spiel boykottierte unser Sohn lautstark, und eines der Gastkinder schloss sich ihm an. Leider kann unser Großer nicht nur nicht verlieren, sondern schon die Möglichkeit, eventuell verlieren zu können, bringt ihn so in Rage, dass er sich lieber verweigert, als die Herausforderung anzunehmen. Er hat es nicht einmal versucht! Eigentlich kennen wir dieses Verhalten, was es uns oft unmöglich macht, mit ihm Gesellschaftsspiele zu spielen oder kleinere Wettbewerbe zu veranstalten, schon zur Genüge, hatten aber wirklich gehofft, dass es ihm mit den anderen Kindern doch etwas Spaß bringt. In der Kita klappt es ja auch! Aber Pustekuchen. Er steigerte sich total in seine Verweigerungshaltung hinein und wir waren entsprechend genervt.

Beim Autos aufwickeln-Spiel lief es ähnlich ab, die beiden Störenfriede machten zwar mit, waren aber schon so in ihrem Widerstand gefangen, dass es keinen Sinn ergab, weiterzumachen. Auch um die anderen Kinder zu schützen, wurde ab dann frei gespielt und wir teilten die Kinder in 2 Gruppen auf. Dann wurde es erträglicher. Die eine Gruppe spielte friedlich vor sich hin und das "Kita-Grüppchen" putschte sich noch eine Weile auf, bevor sie dann auch ruhiger wurden. Zum Glück hatten wir eine Dauer von 2 Stunden angesetzt, das reicht in dem Alter völlig aus. Als die Kinder abgeholt wurden, war die Stimmung friedlich und alle waren ausgeglichen.

Den frühlingshaften Sonntag verbrachten wir dann größtenteils in unserem Garten und übten nochmals fahrradfahren. Er fuhr wieder wie ein alter Hase. Beide Kinder waren sehr fordernd und so war es für uns insgesamt ein sehr anstrengendes Wochenende. Sehr glücklich waren wir natürlich über die tollen Fahrraderlebnisse des Großen. Weniger glücklich über sein andauerndes Querschießen, Meckern und Jammern. Und was das Nicht-Verlieren-Können angeht: wir wissen nicht so richtig, wie wir ihm helfen können, seinen Ärger und seine Wut über das Verlieren in Wettkämpfen/ bei Spielen positiv umzuwandeln in Ehrgeiz und "Kampfeslust". Es soll ihm ja nicht egal sein, wenn andere gewinnen oder besser sind, aber er soll daraus einen Willen entwickeln, der ihm beim nächsten Versuch hilft, sich mehr anzustrengen und vielleicht noch ein wenig besser zu sein. Im Moment möchten wir ihn am liebsten aus allen solchen Situationen heraushalten, so unglaublich wütend und ausfallend wie er wird. Aber das ist ja keine Dauerlösung. Er muss auch da eine gewisse Frustrationstoleranz entwickeln und vor allem den Willen, es noch einmal zu versuchen. Das fehlt im Moment noch völlig. Wie kann man so etwas unterstützen? Sein bester Freund ist da ganz anders und ich hoffe einfach, dass dieses Beispiel ein wenig auf ihn abfärbt. Ansonsten werden wir Bücher wie Hurra, gewonnen! Mist, verloren! oder Leo Lausemaus kann nicht verlieren oder Blöde Ziege - Dumme Gans mit ihm zu diesem Thema lesen (habt ihr noch andere gute Empfehlungen?) und ihn auch weiterhin dosiert solchen Situationen aussetzen (müssen). Und den Frust in Kauf nehmen, in der Hoffnung, dass es irgendwann besser wird.

Am Montag wurde er dann noch in der Kita gefeiert, teilte seine Muffins aus und bekam eine kleine Geschenktüte überreicht. Heute habe ich die Fotos davon gesehen - wirklich süß!

Montag, 9. März 2015

Unsere ungeplante Familienentstehung (Blogparade #Planänderung)

Die Familienplanung läuft selten so, wie man sie sich wünscht und vorstellt, das mussten wir am eigenen Leibe sehr schmerzhaft erfahren. Deshalb möchte auch ich zur Blogparade Planänderung in der Familienplanung beitragen, zu der Kerstin vom Blog Chaos² aufgerufen hat.

Ich weiß nicht, warum, aber ich wollte früher immer 3 Kinder haben. Zwischendurch als Teenager auch mal gar keine, aber die Zahl 3 schwirrte immer in meinem Kopf herum. Ich habe nur einen Bruder und bin auch in einem Ein- bzw. Zwei-Kind-Umfeld aufgewachsen. Keine Ahnung also, woher das kam.

Das erste Mal wurde ich mit 29 Jahren im Jahr 2004 zwar ungeplant, aber sehr willkommen, schwanger. Mein Mann und ich waren 3 Jahre ein Paar, wohnten zusammen und alles fühlte sich gut an. Leider verlor ich das Baby in der 8. Woche, worunter ich lange und sehr stark litt. Hier beschreibe ich andeutungsweise, dass danach der starke Wunsch nach einer erneuten Schwangerschaft nicht erfüllt wurde. Wir mussten erst eine jahrelange und schmerzhafte Kinderwunschzeit durchleben, bevor sich unser Sohn im Jahr 2010 endlich ankündigte und im März 2011 geboren wurde. In dieser Zeit bin ich fast verzweifelt, weil ich es einfach nicht glauben konnte und wollte, dass ich niemals Mama sein werde. Was bei allen anderen problemlos klappte, wollte uns einfach nicht gelingen. Welche Neid- und Hassgefühle auf Familien mit Kindern dabei in mir und meinem Mann wuchsen, kann keiner ermessen, der nicht Ähnliches durchgemacht hat. Wir vermieden es, am Wochenende in den hiesigen Park zu gehen, weil es da von Kindern wimmelte. Wir probierten alles aus und gingen Schritt für Schritt immer weiter, bis der allerletzte Versuch dann klappte und ich endlich schwanger war. Im März 2011 wurden wir Eltern unseres Großen. Ich war mittlerweile 36 Jahre alt.

Da wir eine solche Prozedur nicht noch einmal auf uns genommen hätten und der Große außerdem ein Schreibaby war, der nicht nach wenigen Wochen damit aufhörte, sondern uns im gesamten ersten Babyjahr an den Rand unserer Kräfte, Nerven, Geduld und Liebe brachte, waren wir nach ihm mit der Familienplanung durch. Es sollte kein weiteres Kind geben. Wie schön, dass sich unsere Tochter einen feuchten Dreck um unsere Pläne scherte und sich völlig ungeplant und überraschend im Sommer 2012 auf den Weg machte. Nach der jahrelangen Kinderwunschzeit hatten wir (trotz der ersten) weiß Gott nicht mehr mit einer "normalen" Schwangerschaft gerechnet. Wir konnten es kaum glauben. Ich hoffte natürlich auf eine kleine Schwester für meinen Großen und auf weibliche Verstärkung in der Familie. Als die Feindiagnostik ein Mädchen zeigte, bin ich fast explodiert vor Freude. Im Mai 2013 wurde unsere Kleine geboren, und seitdem stellen nun 2 Kinder unser Leben jeden Tag auf den Kopf.

Ich bin unheimlich dankbar für meine beiden nicht nur im Geschlecht, sondern auch im Wesen so unterschiedlichen Kinder und halte es selbst jetzt manchmal fast noch für einen Traum (wenn ich denn zum Träumen komme), dass ich tatsächlich nun Mama von 2 Kindern bin. Aber eigentlich, und das ist immer präsent, habe ich ja 3 Kinder, wie ich es mir immer wünschte: eins ist unvergessen in meinem Herzen, eins ist an meiner Hand bzw. auf meinem Arm und eins fährt auf dem Laufrad bzw. brandneu auf dem Fahrrad. Das, was ich früher mal für selbstverständlich hielt und zwischendurch komplett abschrieb, ist nun doch noch Wirklichkeit geworden. Und wenn mich meine Kinder wieder einmal an und über meine persönlichen Grenzen bringen, dann rufe ich mir meine Verzweiflung und Ausweglosigkeit in der langen Kinderwunschzeit vor Augen. Ich wünsche mir für meine Kinder, dass ihre eigene Familienplanung, wie auch immer die aussehen mag, nicht so "umständlich" und durch extreme Höhen und Tiefen geprägt wird wie unsere. Und dass am Ende doch noch alles gut wird.

Donnerstag, 5. März 2015

Geburtsbericht des Großen (6. März 2011)

Morgen wird der Große 4 Jahre alt. Ein guter Anlass, um endlich einen Geburtsbericht zu schreiben und alles noch einmal zu rekapitulieren. Als Erinnerungsstützen liegen meine eigenen Aufzeichnungen sowie der Geburtsbericht (Partogramm) der Klinik vor, den ich für beide Kinder im Juli 2014 interessehalber angefordert hatte. Darin kann ich zwar nicht alles entziffern, aber einige medizinische Informationen waren dennoch sehr aufschlussreich für mich.

Der Große wurde am Sonntag, 6. März 2011 um 15:40 Uhr geboren. Sein errechneter Termin war der 1. März, somit war er 5 Tage überfällig und ich war in SSW 40+5. Der errechnete 1. März hatte für mich einen ungeheuren Symbolwert, weil ich an diesem Tag, 7 Jahre früher, mein erstes Baby verloren hatte. Als die Schwangerschaft mit dem Großen nach langer Kinderwunschzeit festgestellt wurde und dieser Termin genannt wurde, war ich gleichzeitig traurig und glücklich über dieses Datum. Naja, er hat sich dann ja noch ein paar Tage Zeit gelassen.

Der errechnete Geburtstermin verstrich mit einem Besuch von Freunden und deren 3 Wochen alter Tochter. Ich fühlte mich ziemlich normal, ging viel spazieren und setzte mich in die Sonne. Laut Frauenärztin war alles bestens; die gesamte Schwangerschaft war glücklich und fast problemlos verlaufen. Am Freitag, 4. März, dachte ich morgens, dass die Fruchtblase eventuell geplatzt sei, weil einiges an Flüssigkeit abging. Ich wusste ja nicht, wie sich ein wirklicher Blasensprung anfühlt. Da der Kopf noch nicht fest im Becken war, bestellten wir einen Krankentransport, der mich in die ca. 10 Minuten entfernte Klinik brachte. Die Untersuchung und das CTG ergaben leichte Wehen, aber keinen Blasensprung. Am liebsten wäre ich gleich dort geblieben, weil ich diese Ungewissheit, wo und wann es losgeht, schlecht ertragen konnte. Man schickte mich aber wieder nach Hause. Mein Mann hatte an diesem Freitag seinen freien Tag und ab der nächsten Woche Urlaub (bzw. ab Geburt Elternzeit). Wir fuhren also wieder nach Hause und machten uns einen ruhigen Tag. Am Samstag, 5. März, putzten wir die Wohnung und holten uns am frühen Nachmittag ein indisches Essen, da diesem ja nachgesagt wird, dass es Wehen auslösen kann. Bei der Kleinen 2 Jahre später hat es nicht funktioniert, aber hier eventuell doch;).

In der Nacht zum Sonntag, 6. März 2011, ging ich ganz normal um ca. 23:30 Uhr schlafen, wachte aber um 2:15 Uhr mit Schmerzen auf, die noch relativ erträglich waren. Ich fing routinemäßig an, die Abstände zu stoppen (anfangs war es unregelmäßig, regelmäßig wurde es ca. ab einem 8-Minuten-Abstand), hatte aber zu keinem Zeitpunkt das untrügliche Gefühl, dass dies nun wirklich Geburtswehen sind und heute mein Kind zur Welt kommt. Dies nur zum Thema Intuition und Bauchgefühl;). Hatte ich nicht, und viele andere Frauen berichten Ähnliches. Da mein Mann in den letzten Schwangerschaftswochen aufgrund der unruhigen Nächte schon in einem anderen Zimmer schlief, quälte ich mich allein durch die Nacht und weckte ihn gegen 7:00, als die Schmerzen im 4-5 Minuten-Abstand kamen und schon recht stark waren. Er war natürlich vollkommen überrascht, als ich ihm sagte, dass ich jetzt nicht länger zuhause bleiben wolle. Wir machten uns in Windeseile fertig und gingen ohne Frühstück aus dem Haus. Die Schmerzen waren schon ziemlich unerträglich und ich wurde auf der kurzen Autofahrt schier wahnsinnig, weil mir alles weh tat und nahezu keine Pausen mehr zwischen den Wehen lagen.

Um kurz vor 8 Uhr kamen wir im Krankenhaus an. Ich wartete im Eingang auf meinen Mann, der noch einen Parkplatz suchte. Beim Aufstehen platzte dann die Fruchtblase. Diesmal war es eindeutig und ich wusste, dass nun bald mein Kind geboren würde. Ich war pitschnass, ebenso die Bank und der Flur, wo ich gestanden hatte. Ab dem Blasensprung wurden die Wehen unerträglich stark und ich war völlig außer mir vor Panik und Schmerzen. Wir stürzten hoch zum Kreißsaal, ich wurde erstmal ins Bad beordert, kam jedoch vom Klo nicht mehr hoch. Es war ein grauenhafter unwürdiger Zustand. So hatte ich mir meinen Einzug in den Kreißsaal und Beginn der Geburt nicht vorgestellt. Ich wurde auf ein Bett gehievt und an's CTG angeschlossen, das starke Wehen ohne Pause zeigte. Wie ich später herausfand, hatte ich einen Wehensturm, d.h. eine Wehe ging direkt ohne Pause in die nächste über, die Spitze des Wehenberges markierte gleichzeitig den Beginn der nächsten Wehe. Es war also kein Durchatmen und Zu-Bewusstsein-Kommen möglich. Solch einen Zustand des Ausgeliefert-Seins hatte ich noch nie (bzw. ansatzweise nur bei der Fehlgeburt) erlebt. Ich bin ein Mensch, der alles selbst steuern und aus eigener Kraft schaffen möchte, und genauso war ich auch an die Geburt herangegangen. Ich wollte mit leichten Wehen in der Klinik ankommen und mich langsam an die Geburt herantasten, mich in den Wehenpausen sammeln und alles ganz bewusst erleben. Dies war mit dieser Wehenintensität nicht möglich. Im Geburtsbericht steht auch eindeutig: "sehr kräftige Wehen", also habe ich mir das nicht eingebildet. Der Schmerzzustand war aber nur das Eine, fast noch schlimmer war das Gefühl des Überrolltwerdens und des Nicht-Herrin-der Lage-Seins, was mich komplett aus der Bahn warf. Ich lag da, verlor fast das Bewusstsein vor Schmerzen und war todunglücklich ob des Verlaufs.

Es gab keine Alternative zu einer PDA. Ich bettelte förmlich darum. Gelegt wurde sie um 10:30 Uhr. Die Zeit bis dahin kam mir wie eine Ewigkeit vor. Der Muttermund war schon 7-8cm offen, d.h. es wurde höchste Zeit. Ich wollte endlich wieder halbwegs klar denken und etwas von meiner ersten Geburt mitbekommen. Ich hatte trotz PDA noch starke Schmerzen und bekam noch eine Nachdosierung. Dann wurde es besser. Das Chaos in Körper und Seele lichtete sich, und obwohl ich sehr mit den Nachwehen der PDA zu kämpfen hatte (starke Rücken- und Kopfschmerzen), halte ich diese Entscheidung trotzdem immer noch für richtig. Ich konnte mich wirklich erst dann mit dem Geburtszimmer, der Hebamme und dem Gedanken, dass mein Kind zur Welt kommt, vertraut machen und mich auf das Geschehen einlassen. Ich hatte Bärenhunger, und da ich kein Mittagessen zu mir nehmen durfte (der Duft des Essens meines Mannes stieg mir neiderregend in die Nase), kaute ich auf etwas trockenem Baguette herum. Meiner Meinung nach war es ein Fehler, mir das Essen zu verwehren, weil ich dadurch noch mehr geschwächt wurde. Ich konnte mich dank der PDA nun auch mit meinem Mann austauschen und wir harrten der Dinge, die nun kommen würden. Die Stunden vergingen und ich hatte trotz PDA zwischendurch immer wieder Schmerzattacken, vor allem, als wieder wehenverstärkende Mittel gegeben wurden.

Um 15 Uhr war Schichtwechsel und die diensthabende Ärztin und Hebamme wollten, dass nun endlich was passiert. Das CTG war nicht mehr in Ordnung, die Herztöne wurden schlechter und das Fruchtwasser war sowieso schon "grün" gewesen, d.h. zu lange sollte die Geburt nicht mehr dauern. Leider konnte ich nicht in dem Maße mitpressen, wie es nötig gewesen wäre, da ich nicht viel spürte. Wir versuchten es in verschiedenen Positionen, aber es ging zu langsam, und dem Baby ging es nicht gut. Ich musste geschnitten werden und dann wurde leider die Saugglocke angesetzt. Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob das nötig gewesen wäre, und denke, dass die Saugglockengeburt sicherlich nicht zur Beruhigung des Gemüts des Großen beigetragen hat, aber so war es nun einmal. Es war nötig, dass er schnell rauskommt. Um 15:40 Uhr wurde er geboren. Er hatte einen Kopfumfang von 38cm und ein Austritt ohne Geburtsschäden wäre sicherlich unmöglich gewesen.

Dann lag er auf einmal auf meiner Brust und ich spürte - nichts. Ich dachte, ich würde weinen oder vor Freude explodieren, aber ich empfand nichts dergleichen. Er war einfach fremd. Dieses Gefühl hat Christine von der Villa Schaukelpferd mal sehr bewegend beschrieben, ich fand mich darin extrem wieder. Gefühle kann man weder beeinflussen noch abstellen. Nach der Geburt der Kleinen habe ich übrigens genauso empfunden, da überwog nur die Erleichterung über die rasante und problemlose Geburt (dazu ein späterer Geburtsbericht).

Wenige Augenblicke später kam eine riesengroße Plazenta herausgeflutscht und landete mit einem Schwall Blut auf dem Fußboden, da keiner mit einer so schnellen Nachgeburt gerechnet hatte. Mein Mann erzählte mir, dass der gesamte Boden voller Blutspritzer gewesen sei. Die Nabelschnur durfte mein Mann durchtrennen und ich wurde genäht. Da wir uns im Vorfeld für eine Nabelschnurbluteinlagerung entschieden hatten, wurde dies auch gleich noch erledigt. Unser Baby schrie aus vollem Halse; die Anwesenden bescheinigten ihm gleich ein mächtiges Organ (wenn ich gewusst hätte, was das bedeutet, wäre mir Angst und Bange geworden). Die Reihenfolge der nächsten Schritte kann ich nicht mehr genau rekapitulieren, ich war total verwirrt und mir ging es nicht gut. Er wurde natürlich irgendwann gemessen und gewogen, den APGAR-Tests unterzogen, der Rachen wurde abgesaugt und die Augenprophylaxe durchgeführt. Beim Punkt "Atmung" ist im Geburtsbericht "Knorksen" angekreuzt (bei der Kleinen im Vergleich "normal"). Deswegen wahrscheinlich auch seine komischen nächtlichen Atemgeräusche in den ersten Wochen nach der Geburt, was bei der Kleinen ganz anders war.

Die ersten Stillversuche erfolgten, er fand die Brust und dockte gut an. Ich wurde zu dem Zeitpunkt noch überwacht, weil mein Blutdruck im Keller war. Irgendwann stürzte dann der Kreislauf komplett ab und ich musste an den Tropf, wie auch in den folgenden Tagen immer wieder. Der immense Blutverlust von 500 mg, der daraus resultierende niedrige Eisenwert (5,8 mmol/l) und das Nicht-Gegessen-Haben forderten ihren Tribut. So blieben wir notgedrungen noch ca. 4 Stunden nach der Geburt im Kreißsaal. Zum Glück lag unser Baby nach dem Baden, was mein Mann mit der Schwester zusammen probiert hatte, in seinem Bettchen. Alles war so unwirklich. Mir ging es nicht gut und ich wollte einfach nur meine Ruhe. Als man mir dann noch sagte, dass leider kein Familienzimmer frei sei, wie von uns bestellt, sondern ich in ein Zwei-Bett-Zimmer müsste, war ich fix und fertig. Ich wollte nicht mit einer fremden Person in einem Raum schlafen, und auch nicht alleine (ohne den Papa) mit dem Baby sein!

Es war ca. 20 Uhr, als ich auf einem Krankenhausbett liegend auf die Wochenstation geschoben wurde. Mein Mann schob unser Baby und trug unsere Sachen. Ich hatte mich wegen meiner Schwäche nicht mal im Sitzen etwas frisch machen, geschweige denn aufstehen können. Ich fühlte mich nicht nur körperlich, sondern vor allem mental unglaublich schlecht. Da es schon so spät war, blieb mein Mann nur noch eine halbe Stunde und fuhr dann allein nach Hause, statt wie geplant mit uns ein Familienzimmer zu beziehen. Und ich blieb allein mit dem mir fremden Baby, einer fremden Frau und ihrem Baby im Krankenhauszimmer zurück. Was für eine schreckliche, unwirkliche Situation. Ich wollte das alles nicht, nichts davon.

Die Nacht war unruhig, der Große jammerte und knorkste die ganze Zeit leise herum, ich konnte nicht aufstehen und verrenkte mich in dem Versuch, ihn mit meiner Hand in seinem Bettchen zu streicheln. Irgendwann hievte ich ihn zu mir herüber und er lag zwischen der Wand und mir. Ich wollte stillen, schaffte es aber schlecht im Liegen, klingelte nach der Schwester, doch dann war ich wieder allein. Das andere Baby schlief ruhig in seinem Bettchen, wurde alle paar Stunden herausgenommen, gestillt und zurückgelegt. Da ich ja schon in der Nacht, als die Wehen begannen, nicht geschlafen hatte, ging ich mit zwei schlaflosen Nächten in die Neugeborenenzeit hinein. Ich war froh, als der Morgen graute. Ab der nächsten Nacht sollten wir wenigstens unser Familienzimmer beziehen können. Dass auch dann nichts besser wurde, werde ich zu einem späteren Zeitpunkt in einem Text über das Wochenbett mit dem Großen beschreiben.

Meine Erinnerungen an diese Geburt sind eigentlich durchweg negativ. Es war so, wie man es sich nie gewünscht hätte, und dies trotz der Schmerzlinderung durch die PDA. Das Schlimmste war das Ausgeliefertsein in dem Wehensturm. Das wünsche ich niemandem. Den Unterschied zu "normalen" Wehen mit Pausen, die man bis zum Schluss aktiv mitgestalten konnte, habe ich bei der Geburt der Kleinen deutlich gemerkt. Das Krankenhauspersonal war mir ziemlich egal, weder die Hebammen noch die Ärzte haben mich sonderlich beeinflusst. Ob die Saugglocke nötig gewesen wäre, darüber kann ich nur spekulieren. Der Große hatte davon Kopfhämatome, von unsichtbaren Schmerzen weiß natürlich keiner. Ich dachte, nach der Geburt könnte ich mich erstmal erholen und langsam im neuen Leben ankommen. Was dann folgte, hatte ich mir allerdings in meinen schlimmsten Träumen nicht ausgemalt. Darüber ein andermal mehr. Ebenso über den Kontrast zur Geburt der Kleinen, an die ich durchweg positive Erinnerungen habe, was größtenteils an den völlig anderen Wehen lag.

Hier die trockenen Fakten:
geboren am 6. März 2011 (SSW 40+5)
Gewicht: 3620g
Größe: 55cm
Kopfumfang: 38cm
Dauer der Eröffnungsperiode: 11 h
Austreibungsperiode: 1h 40min
Nachgeburtsperiode: 3min
Gesamtgeburtsdauer: 12h 43min
Blutverlust: 500ml
Hb (Eisenwert): 5,8mmol/l

(C) Frühlingskindermama

Mittwoch, 4. März 2015

Schwierige Antworten auf Kinderfragen

Der Große kommt jetzt langsam in ein Alter, wo er beginnt, bewusst zu fragen und Dingen auf den Grund zu gehen. Zum Glück ist er da bisher nicht sehr hartnäckig und wir halten ihn vorerst auch gewollt von schwierigen Themen fern. Der Tag wird aber kommen, da wir kindgerechte Antworten geben müssen. Dies ist in unserem Fall, was beispielsweise das Thema Babyentstehung angeht, besonders schwierig, und ich zerbreche mir schon jetzt den Kopf, was und wie ich es ihm erzähle.

Ich bin zweimal auf "natürlichem Wege" schwanger geworden und einmal durch eine Kinderwunschbehandlung. Nach meiner Fehlgeburt im Jahre 2004 hat es einfach nicht mehr klappen wollen und wir sind einen langen, schmerzhaften Kinderwunschweg gegangen, bis tatsächlich der allerletzte Versuch erfolgreich war und der Große sich ankündigte. Ein sehr großes Glück für uns und gleichzeitig der Abschluss der "Familienplanung", da wir eine solche Prozedur niemals wieder durchmachen wollten. Anderthalb Jahre später machte sich die Kleine überraschend auf den ("natürlichen") Weg und komplettierte uns ungeplanterweise.

Für uns ist es mittlerweile völlig selbstverständlich und keiner Erwähnung mehr wert, dass der Große eine andere Entstehungsgeschichte als die Kleine hat. Als ich aber darüber nachdachte, wie ich auf eventuelle Fragen des Großen antworten könnte, drang die Unterschiedlichkeit doch wieder sehr in mein Bewusstsein und ich quäle mich mit der Frage, ob man ihm die verschiedenen Wege erzählen soll oder nicht. Berichte ich nur die "Normalvariante", wird er sicherlich irgendwann fragen, ob das bei ihm auch so war oder warum nicht. Schildere ich ihm nur seine Art der Entstehung, hält er dies womöglich für den Regelfall. Erzähle ich mehrere Möglichkeiten, überfordere und verwirre ich ihn. Ich bin wirklich ratlos.

Ich habe auch Angst vor seiner Reaktion, wenn er realisiert, dass bei ihm irgendetwas anders war als "normal" ist, es nicht auf "einfachem" Wege geklappt hat, sondern wir vieles auf uns nehmen und nachhelfen mussten, damit er zu uns kommt. Da er sich sicherlich aufgrund seiner Hochsensibilität oft schon als "anders" empfindet (zumindest war das bei mir als Kind so), würde ihn das quasi noch mehr in diese "Ecke" stellen. Wie gesagt, für uns selbst ist das überhaupt kein Thema mehr und fast schon vergessen, aber es kommt jetzt mit der Aussicht auf baldige Fragestunden wieder hoch. Und wie ihr wisst, will ich lieber auf alles vorbereitet sein, als dann überrumpelt zu werden.

Kann mir jemand vielleicht einen guten Rat geben, möglicherweise aus eigener Erfahrung heraus? Wie würdet ihr das handhaben? Ich meine nicht das kindgerechte Aufarbeiten der Entstehung von Babys, sondern das Differenzieren zwischen den bei uns eben verschiedenen Wegen. Zum Glück ist das Problem nicht akut, aber je früher man sich darüber Gedanken macht, umso besser ist man vorbereitet. Freue mich über jede Meinung, weil mir das hilft, meinen Weg zu finden!

Montag, 2. März 2015

Überraschungen beim Kinderarzt

Kinder sind doch immer wieder für eine Überraschung gut. Da hatte ich mir so viele Gedanken und Sorgen gemacht wegen der Blutabnahme, die heute beim Großen anstand, und dann war es überhaupt kein Problem! Wir hatten ja letzte Woche bei der U8 des Großen gemeinsam mit der Ärztin entschieden, dass wir mal ein großes Blutbild machen, um ihn auf einen eventuellen Eisenmangel, eine Schilddrüsenfehlfunktion und Entzündungswerte zu testen, damit körperliche Ursachen für seine Kraftlosigkeit (hoffentlich) ausgeschlossen werden können. Heute war es soweit.

Wir haben ihn in den letzten Tagen sehr intensiv und immer wieder darauf vorbereitet. Ich hatte ihm gesagt, dass ich mich ihm anschließen und morgens nichts essen werde (was für mich ein großes Opfer ist, da mein Kreislauf dann schnell in den Keller geht) und wir nach dem Arztbesuch eine Bäckerei leerplündern würden. Auch ein kleines Geschenk sollte er erhalten. Er schien alles ganz gut verinnerlicht zu haben und erzählte den Großeltern gestern am Telefon sogar einige Details (z.B. dass er am Morgen nur Wasser trinken darf). Trotzdem befürchteten wir das Schlimmste, angefangen von mehreren morgendlichen Wutanfällen beim Anziehen und Nicht-Essen-Dürfen bis hin zu einer Komplettverweigerung bzw. gemeinschaftlichem Festhalten bei der Blutabnahme selbst. Nichts dergleichen!

Der Papa machte ihm heute morgen das betäubende Pflaster in die rechte Armbeuge, wo laut Schwester die Venen besser zu sehen waren. Als würde er sich selbst nicht in Versuchung führen wollen, vermied der Große wohlweislich die Küche, wo der Papa und die Kleine frühstückten. Er wirkte sehr gefasst und es gab keine Probleme. Trotzdem wollte er erstmal nicht in die Praxis rein, als wir ankamen. Ich nahm meinen fast 4-jährigen auf den Arm, das besiegt die Angst immer noch am besten. Wir durften dann ziemlich schnell ins Labor und eine Schwester nahm ganz langsam und vorsichtig Kontakt mit ihm auf. Sie zeigte ihm erstmal alles, erklärte jeden Schritt und näherte ich behutsam dem entscheidenden Vorgang. Perfekt!

Dann "piekste die Mücke den Arm" und der Große, auf meinem Schoß sitzend und den Kopf wegdrehend, zuckte nicht einmal. Leider musste sie ewig nach der Vene suchen bzw. die Vene flutschte immer wieder weg. Ich befürchtete schon das Schlimmste, aber der Große war total ruhig. Da am rechten Arm nichts zu machen war, entschieden wir, doch die linke Armbeuge zu nehmen, wo kein Betäubungspflaster drauf gewesen war. Wieder Herzklopfen bei mir. Wieder keine Reaktion beim Großen. Er sagte durchaus auf Nachfrage der Schwester, dass es weh tat. Aber er war ganz gefasst und tapfer. Mein kleiner Held.

Sie zog 3 Ampullen voll Blut, es dauerte also auch eine ganze Weile. Dann war es überstanden. Er bekam in jeder Armbeuge ein Kinderpflaster, zwei Traubenzucker und wir verließen die Praxis. In 2 Tagen soll ich erstmal wegen des Ergebnisses anrufen. Sollte etwas auffällig sein, vereinbaren wir noch einen Termin. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ihm bestimmt auch.

Wir stürmten den Bäcker und beluden das ganze Tablett mit Leckereien, einem schönen Kakao und Kaffee für mich. Er war total selig, das merkte man ihm an. Ich sagte ihm immer wieder, wie toll er das gemacht hatte, und gab ihm dann ein kleines Geschenk, auf das er schon scharf gewesen war: den Pirat mit Schatztruhe von Playmobil. Wir genossen in Ruhe unser Frühstück und fuhren dann zur Kita. Dort gab es allerdings noch eine Überraschung: er wollte nicht rein und weinte beim Abgeben. Das macht er eigentlich seit 2 Jahren nicht mehr. Wahrscheinlich kamen dann doch der ganze Druck und die Anspannung irgendwie raus. Es tat mir leid, ihn so abzugeben, aber ich hoffe, dass er sich schnell wieder beruhigt hat.

Fazit:
1. Er war von uns sehr gut vorbereitet worden und hatte einen guten Tag.
2. Die Schwester hat sich toll auf ihn eingestellt und ihn gleichwürdig behandelt. Sowas merkt er sofort und kooperiert entsprechend besser.
3. Meine Ängste / Unruhe / Sorgen übertragen sich nicht automatisch auf ihn, wie immer wieder so viele Menschen gern behaupten und was so unglaublich kränkt. Er hat sich heute komplett gegensätzlich zu meinen Erwartungen verhalten, was zeigt, dass ein Kind sein eigenes Programm hat.

Nun das Ergebnis abwarten und das Beste hoffen. Bitte Daumen drücken!

Nachtrag vom 05.03.2015: Das Ergebnis war super, alle Werte waren in Ordnung.